ICT kritisiert Peking:
«Absurde historische
Unwahrheiten»
Foto: Tenzin Jamphel/dalailama.com
ICT kritisiert die Reaktion der chinesischen Regierung auf eine gemeinsame Stellungnahme von fünf Menschenrechtsexperten und Expertengremien der Vereinten Nationen. Darin hatten diese große Besorgnis über die anhaltende Weigerung der chinesischen Regierung geäußert, den genauen Aufenthaltsort von Gedhun Choekyi Nyima, Tibets 11. Panchen Lama, bekannt zu geben, und forderten unabhängigen Zugang zu ihm. In ihrer im August 2020 veröffentlichen Mitteilung äußerten die Experten zudem die Sorge, die Vorschriften der chinesischen Regierung über die Ernennung tibetisch-buddhistischer Führungspersönlichkeiten „könnten die religiösen Traditionen und Praktiken der tibetisch-buddhistischen Minderheit in diskriminierender Weise beeinträchtigen und möglicherweise untergraben“. Hinsichtlich der Nachfolge des 14. Dalai Lama appellierten sie an die chinesische Regierung, „sicherzustellen, dass tibetische Buddhisten ihre Religion, Traditionen und Kulturen frei und ohne Einmischung praktizieren können“. Die Religionsfreiheit schließe das Recht der tibetischen Buddhisten ein, „ihren Klerus und ihre religiösen Führer in Übereinstimmung mit ihren eigenen religiösen Traditionen und Praktiken zu bestimmen“.
Die UN-Experten hatten in ihrer Erklärung auf anerkannte Menschenrechtsprinzipien verwiesen, die Religionsgemeinschaften das Recht geben, ihre Führungspositionen frei von staatlicher Einmischung zu besetzen. Die chinesische Regierung behauptet indes fälschlicherweise, dass der „religiöse Status und die Titel“ von Dalai Lama und Panchen Lama von einer nicht näher definierten „Zentralregierung“ festgelegt worden seien, und diffamiert die Stellungnahme der UN-Experten pauschal als „Einmischung von außen“. Anstatt ihre rechtlichen Bedenken ernst zu nehmen, behauptet die chinesische Regierung, es sei diese ominöse „Zentralregierung“ gewesen, die das Reinkarnationssystem eingerichtet habe. Das tibetisch-buddhistische Reinkarnationssystem stammt aber bereits aus dem 13. Jahrhundert. Damals gab es keine wie auch immer geartete ‘Zentralregierung’ oder entsprechenden Einfluss Chinas auf den tibetischen Buddhismus. Zu behaupten, die sich selbst als atheistisch definierende KPCh könne als Hüterin des tibetisch-buddhistischen Glaubens auftreten, ist aus Sicht von ICT vollends absurd.
Wie um dies zu unterstreichen, verboten die chinesischen Behörden im November das Abbrennen von Wacholderzweigen und anderen Rauchopfern vor dem Jokhang-Tempel in Lhasa, dem bedeutendsten Heiligtum des tibetischen Buddhismus. Einem Bericht von „Radio Free Asia“ (RFA) zufolge hätten die chinesischen Behörden zur Begründung auf angebliche Bedenken wegen Luftverschmutzung verwiesen. Die neuerlichen Maßnahmen verschärfen die ohnehin schon bestehenden Beschränkungen für Gläubige und Pilger am Jokhang-Tempel weiter. Eine seit Jahrhunderten gepflegte Tradition der tibetischen Buddhisten wurde so mit einem Federstrich beendet.