Peking sammelt
massenhaft DNA
von Tibetern
Quelle: HRW/Zhidoi PSB/WeChat
Der chinesische Überwachungsstaat dringt in Tibet immer tiefer in die Privatsphäre der Menschen ein. Nun liegen neue Belege für die offenbar massenhafte und systematische Sammlung von Gendaten der tibetischen Bevölkerung vor. Dies geht aus einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) hervor, der sich auf offizielle Verlautbarungen der chinesischen Behörden sowie Berichte der Staatsmedien stützt.
Demnach habe etwa die Stadtverwaltung von Tibets Hauptstadt Lhasa im April 2022 mitgeteilt, dass Kindern in Kindergärten und anderen Anwohnern systematisch Blut entnommen worden sei, um ihre DNA zu speichern. Und in einer tibetischen Gemeinde im Norden von Tibet hätten die chinesischen Behörden DNA-Proben von allen Jungen ab dem fünften Lebensjahr genommen.
Kinder und ländliche Regionen im Visier der Behörden
Dem Bericht von HRW zufolge könnten die Menschen sich nicht weigern, ihre DNA zur Verfügung zu stellen. Die chinesischen Behörden hätten in Tibet vor allem Kinder und ländliche Regionen im Visier. Offenbar solle von allen Bewohnern dieser Gebiete DNA gesammelt werden, dies gelte auch für Menschen, die dort nur vorübergehend ansässig seien. Die systematische Sammlung von Gendaten laufe in Tibet vermutlich schon seit mindestens drei Jahren.
So gehe aus Dokumenten über die Auftragsvergabe der Behörden hervor, dass die Polizei der sogenannten Autonomen Region Tibet (TAR) bereits im Juli 2019 Angebote von Auftragnehmern für den Aufbau einer regionalen DNA-Datenbank eingeholt habe. Offenbar hätten sich die Beamten damit auf eine umfassende Sammelaktion vorbereitet. Im November 2019 habe die Polizei der Präfektur Nyingtri zudem den Aufbau einer DNA-Datenbank für ihre Region angekündigt.
Insbesondere die Privatsphäre von Kindern sei von entscheidender Bedeutung, „um ihre Sicherheit, Handlungsfähigkeit und Würde zu gewährleisten“, so der Bericht von HRW. Die Einschränkung der Privatsphäre eines Kindes sei nur zulässig, „wenn sie den Standards der Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht“. Dies ist in Tibet zweifelsohne nicht der Fall.
Selbsttötungen wegen unmenschlicher Corona-Maßnahmen der Behörden
Mindestens fünf Tibeter haben sich in Lhasa innerhalb von nur zwei Tagen das Leben genommen, weil ihnen die unmenschlichen Corona-Maßnahmen der chinesischen Behörden so sehr zugesetzt haben. Eine genauere Untersuchung der fünf bekannten Fälle legt nahe, dass diese ausnahmslos auf die extremen Beschränkungen durch die chinesische Null-Covid-Politik zurückzuführen sind.
Bevor die Behörden die Zensur verstärkten, um die Verbreitung von Nachrichten über das Missmanagement der Regierung in der Covid-Krise zu verhindern, äußerten Tibeter aller Gesellschaftsschichten und Altersgruppen in den sozialen Medien offen ihre Kritik und forderten ein Ende der harten Covid-Maßnahmen.
ICT fordert die chinesische Regierung dringend auf, von weiteren repressiven Maßnahmen Abstand zu nehmen und zu den offenbar dadurch ausgelösten Selbsttötungen Stellung zu nehmen. Die tibetische Bevölkerung muss die Möglichkeit erhalten, ihre berechtigte Kritik zum Ausdruck zu bringen.
Das harte und rücksichtslose Vorgehen des chinesischen Staates im Rahmen der Covid-Krise in Tibet und anderswo offenbart die unmenschlichen Konsequenzen, die entstehen, wenn ein autoritärer Polizeistaat Zensur und soziale Kontrolle über das Wohlergehen der Menschen stellt.