„Zu Tibet zu stehen bedeutet, zu Wahrheit und Gerechtigkeit zu stehen“ – Wie berichtet, ist Tencho Gyatso seit dem vergangenen Monat neue Präsidentin der International Campaign for Tibet. Wir hatten die Gelegenheit, sie kurz nach ihrem Amtsantritt zu interviewen.

Seit Anfang April bist Du Präsidentin von ICT. Was hat sich für Dich in dieser Zeit verändert?

Mein Leben hat viele unvorhersehbare Wendungen genommen, aber ich bin meinen Wurzeln und Tibet immer treu geblieben. Ich bin zutiefst demütig und dankbar, dass die ICT-Vorstände meiner Kandidatur für das Amt der Präsidentin ihr Vertrauen geschenkt haben, und ich bin auch sehr erstaunt und berührt von all den Botschaften der Unterstützung aus der ganzen Welt, seit ich dieses Amt angenommen habe. Ich verstehe, dass all diese guten Wünsche nicht nur mir als Person gelten, sondern auch für das Vertrauen stehen, das die Menschen in die Arbeit von ICT haben, und für ihren tiefen Wunsch, die Vision Seiner Heiligkeit für eine friedliche Lösung für Tibet zu unterstützen.

Auf persönlicher Ebene sehe ich keine besonderen Veränderungen, außer einem größeren Verantwortungsgefühl und der Verpflichtung, die Arbeit fortzusetzen, die Seine Heiligkeit und Generationen von tibetischen Führungspersönlichkeiten und Tibet-Unterstützern bis heute geleistet haben. Allein das Wissen, dass Tausende auf der ganzen Welt den gleichen Gedanken haben, ist kraftvoll, und ich möchte Wege finden, mich mit all unseren Freunden und Unterstützern zu verbinden, um die Arbeit für Tibet gemeinsam fortzusetzen.

Als Kind hast Du eine TCV-Schule in Indien besucht. Wie wichtig war dies für Deinen weiteren Lebensweg?

Die Zeit, die ich an der TCV-Schule verbracht habe, ist für mich heute von entscheidender Bedeutung. Bei TCV wuchsen wir mit wenig Luxus auf, aber es fehlte uns auch nicht an den grundlegenden Dingen des Lebens und des Lernens. Aber eines hatten wir im Überfluss: Liebe, Fürsorge und Unterstützung voneinander und von unserer Gemeinschaft. Wir lernten, füreinander zu sorgen, und wir wussten immer, dass wir unter der herzlichen Hingabe unserer Lehrer und Mitarbeiter und letztlich unter der Führung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama gediehen.

Wir wuchsen alle mit dem angeborenen Wunsch auf, unserer Gemeinschaft, Seiner Heiligkeit und der Sache Tibets einen Dienst zu erweisen. Wir betrachteten Tibet als unser Heimatland, Indien als unsere Zuflucht und Exilheimat und den Westen als die Freunde und Unterstützer, die seit 1959 dabei sind. Als Kind sammelte ich Briefmarken und hatte Briefmarken und Umschläge von Menschen aus der ganzen Welt, die an TCV schrieben und die Schule unterstützten. Es war damals erstaunlich zu wissen, dass sich so viele Menschen um Tibet sorgten, und ich trage diese Dankbarkeit immer mit mir.

Tencho Gyatso spricht zu den Freiwilligen, die aus den gesamten Vereinigten Staaten zum „Tibet Lobby Day“ nach Washington gekommen sind. (Foto: Screenshot ICT)

Wie sah Dein Weg von der TCV-Schule zu ICT in Washington aus?

Mein Weg von TCV zu ICT war ein langer und unvorhergesehener Weg, wie es sicher vielen Flüchtlingen ergangen ist. Nach meinem Abschluss an der TCV habe ich an indischen Universitäten in Chandigarh, Shimla und Bangalore weiter studiert. Ich habe viele verschiedene Jobs und Aufgaben übernommen, einige aus persönlichen Gründen, andere aus familiären und gesellschaftlichen Gründen.

Ich war zwei Legislaturperioden lang gewähltes Mitglied des tibetischen Parlaments im Exil, arbeitete in der Verwaltung des Tibet House in Neu-Delhi, betrieb Restaurants in Bangalore und New York City, war im Bankwesen tätig und wurde Bankmanagerin in Boulder, Colorado. Daneben war ich auch Mitglied in zahlreichen Gremien, wie etwa dem Tibet Fund und dem Tibetan Community Development Fund. Zusätzlich war ich als Mutter auch an der Gründung tibetischer Wochenendschulen in Boulder und Manhattan beteiligt, die tibetischen Kindern halfen, tibetisch zu sprechen und mit ihrer Kultur verbunden zu bleiben.

Welche Ziele möchtest Du mit ICT in den nächsten Jahren verfolgen?

Mein Ziel wird es sein, die Arbeit von ICT zu stärken und zu straffen, indem ich größere Synergien und Effizienzsteigerungen zwischen unseren Büros fördere und eng mit dem ICT-Führungsteam und den Leitern unserer Büros zusammenarbeite. So möchte ich sicherstellen, dass wir im Einklang mit einem einzigen Auftrag und einem strategischen Ziel arbeiten.

In einer Zeit, in der ein großer Teil der Welt seine Ansichten über China und den Umgang mit diesem Land überdenkt, möchte ich, dass ICT Wege findet, in diesem neuen Umfeld kreativ, schnell, aber auch entschlossen zu arbeiten, um die Sache Tibets voranzubringen.

Wie wichtig ist es dabei, ein Büro in Berlin zu haben?

Deutschland hat eine lange Geschichte des Interesses und der Unterstützung für die tibetische Sache, die bis zum heutigen Tag anhält, wie die starke Unterstützung für unser deutsches Büro zeigt. ICT Berlin hat eine unglaublich wertvolle Lobbyarbeit für Tibet bei der deutschen Regierung und bei den Vereinten Nationen geleistet. Ich möchte allen unseren Unterstützern in Deutschland für ihr Vertrauen in die Arbeit von ICT und für ihre unerschütterliche Solidarität danken.

Hast Du eine Botschaft an die ICT-Unterstützer in Deutschland?

Ich möchte ein herzliches „Tashi Delek“ an die ICT-Unterstützer in Deutschland richten. Im Namen meiner tibetischen Brüder und Schwestern, sowohl in Tibet als auch im Exil, möchte ich Ihnen unsere herzliche Dankbarkeit für Ihre Freundschaft und Unterstützung aussprechen.

Seine Heiligkeit der Dalai Lama hat immer gesagt, dass zu Tibet zu stehen bedeutet, zu Wahrheit und Gerechtigkeit zu stehen, und so ist Ihre Unterstützung für Tibet und den Dalai Lama in dieser schwierigsten Zeit in der Geschichte Tibets für uns von großer Bedeutung und wird nie vergessen werden.

Der vor uns liegende Weg mag schwierig erscheinen, aber wir sind entschlossen, uns weiterhin für eine bessere und friedlichere Zukunft für Tibet einzusetzen. Ich danke Ihnen, dass Sie uns auf dieser Reise begleiten.