Berlin, 11. Mai 2020. Die International Campaign for Tibet (ICT) ist bestürzt über den Tod des ehemaligen politischen Gefangenen Choekyi. Der tibetische Mönch starb am späten Nachmittag des 7. Mai in seinem osttibetischen Heimatdorf Shosang im Bezirk Serthar (chin.: Seda). Choekyi war während mehr als dreieinhalb Jahren in chinesischer Haft schwer gefoltert und misshandelt worden. Sein „Verbrechen“ hatte darin bestanden, ein T-Shirt zu tragen, mit dem er den 80. Geburtstag des Dalai Lama feiern wollte. Zudem hatte er in sozialen Medien Glückwünsche für den Dalai Lama gepostet. Der Mönch war im Jahr 2018 Gegenstand einer Dringlichkeitsresolution des EU-Parlaments gewesen, in der seine Freilassung gefordert wurde. Die Gesundheit des 43-Jährigen hatte im Gefängnis offenbar so ernsten Schaden genommen, dass er am 18. Januar 2019 fünf Monate vor Ende seiner vierjährigen Haftstrafe entlassen wurde. Möglicherweise wollte die Gefängnisleitung damit verhindern, dass er in der Haft stirbt. Dennoch wurde ihm anschließend die nötige medizinische Behandlung verwehrt.
Anfang dieses Monats berichtete ein ehemaliger politischer Gefangener, der unter dem Pseudonym Gyitsang Takmik schreibt, in tibetischsprachigen Medien vom schlechten Gesundheitszustandes Choekyis. Bei einem Besuch am 28. April habe er ihn bei äußerst schlechter Gesundheit angetroffen, er habe kaum sprechen können. Seit seiner Haftentlassung im Januar 2019 hatte Choekyi unter ständiger Beobachtung gestanden und unter Schikanen zu leiden. Die Behörden verweigerten ihm den Zugang zu medizinischer Hilfe, als er die Erlaubnis beantragte, sich in ein Krankenhaus in Lhasa zu begeben, um sich dort behandeln zu lassen. Bereits vor seiner Inhaftierung hatte Choekyi an einem Nierenleiden und weiteren Beschwerden gelitten. Im Gefängnis wurde er zu schwerer körperlicher Arbeit gezwungen und in Einzelhaft gehalten. Folter und Misshandlung im bei Chengdu gelegenen Mianyang-Gefängnis beeinträchtigten seine Gesundheit zusätzlich.
Die International Campaign for Tibet fordert eine unabhängige Untersuchung der Berichte über Folter und Misshandlung in Haft und eine strafrechtliche Verfolgung der dafür Verantwortlichen. Auch die Verweigerung medizinischer Behandlung nach erlittener Folter muss untersucht werden. Das offensichtlich wiederkehrende Muster von Todesfällen nach erlittener Folter in Tibet ist zutiefst besorgniserregend und muss gegenüber Peking mit Nachdruck thematisiert werden.
Die Anwendung von Folter ist in Tibet weit verbreitet. Vor kurzem starb der Mönch Gendun Sherab an den Spätfolgen seiner in Haft erlittenen Folter. Zugang zu medizinischer Behandlung wurde ihm verwehrt. Auch sein Tod entspricht einem Verhaltensmuster der chinesischen Behörden, die aufgrund von Folter schwer erkrankte Inhaftierte entlassen, offenbar um Folter und Misshandlung in Gefängnissen zu vertuschen. 2015 verstarb der bekannte tibetische Mönch Tenzin Delek Rinpoche an bis heute ungeklärten Umständen im Gefängnis. Im selben Jahr bescheinigte der Anti-Folter-Ausschuss der Vereinten Nationen China große Defizite. Demnach seien Folter und Misshandlung im Strafrechtssystem Chinas „tief verwurzelt“. Vorwürfen über Folter und verdächtigen Todesfällen in Haft würden die Behörden wie im Falle Tenzin Delek Rinpoche nicht nachgehen. Besonders besorgt zeigte sich der Ausschuss über die zahlreichen Berichte über Folter an Tibetern.
Weitere Informationen können Sie dem ICT-Bericht „Tibetan monk Choekyi dies after years of prison, torture“ entnehmen.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.