Zerstückelung Tibets gefeiert
Dessen ungeachtet sind die chinesischen Staatsmedien in diesen Tagen voll von Berichten über die „erfolgreiche ethnische Autonomie“, deren sich die Tibeter heute dank der Politik Pekings erfreuten. Betont werden insbesondere die verkehrsmäßige Erschließung des „Dachs der Welt“ und der Boom des Tourismussektors in Tibet. Doch auch an Warnungen lässt es die staatliche Propaganda nicht fehlen. Der Kampf gegen den „Separatismus“ könne noch lange anhalten, heißt es da etwa, Wachsamkeit sei angesagt. Ende August hatte es in Peking ein hochrangiges Treffen zu Tibet gegeben, das unter dem Vorsitz von Staats- und Parteichef Xi Jinping stand. Auf dem sogenannten „Tibet Arbeitsforum“ sollte die Politik der Zentralregierung für die kommenden Jahre festgelegt werden. Deren Schwerpunkt dürfte demnach erneut auf der Erhaltung der „Stabilität“ in Tibet liegen – oder mit anderen Worten auf der Betonung der Rolle von Polizei und Militär. Keine guten Aussichten für Tibet also. Wie ein vorgezogener Kommentar konnte da die Selbstverbrennung von Tashi Kyi wirken. Die Mittfünfzigerin und vierfache Mutter setzte sich am 27. August im nordosttibetischen Ort Sangkok selbst in Brand und erlag ihren Verletzungen. Tashi Kyi protestierte damit offenbar gegen die chinesische Politik der Zwangsansiedlungen und Hauszerstörungen, die als Ausdruck eben jener Politik der "Stabilität" gelten müssen. Weitere Details zum „Tibet Arbeitsforum“ können Sie unserem englischsprachigen Bericht "Major policy meeting on Tibet in buildup to sensitive anniversary" entnehmen.
Massive Truppenbewegungen
Die Bedeutung der Tibet-Frage für die chinesische Führung wurde zusätzlich durch ein Treffen der Politbürospitze unter Führung von Parteichef Xi Jinping unterstrichen. Bei der Sitzung am 30. Juli sei es auch um die Reinkarnation des Dalai Lama gegangen, so die offiziellen Medien. Dieser komme entscheidende Bedeutung für die „Stabilität und die nationale Souveränität“ der Volksrepublik China zu, hieß es im Anschluss. Die offenbar ebenfalls auf der Politbürositzung beschlossene Bildung einer einflussreichen neuen zentralen Arbeitsgruppe der „Einheitsfront“ – der KP-Abteilung, die bis zu deren Ende im Januar 2010 für die Gespräche mit Vertretern des Dalai Lama zuständig war – dürfte als Indiz für eine Aufwertung dieser Abteilung und eine Verstärkung der Kontrolle gelten. Weitere Einzelheiten können Sie hier einer Mitteilung der ICT zu unserem englischsprachigen Bericht „Major troop movements in Tibet; hardline approach to Dalai Lama in key policy talks“ entnehmen.
Ein Pass für Ai Weiwei
Noch im Juli beschrieb ein Bericht der ICT die diskriminierende Praxis der chinesischen Behörden bei der Vergabe von Reisepässen. In unserer Pressemitteilung hieß es: „Tibetern, aber auch Uiguren und chinesischen Dissidenten, wird systematisch die Ausstellung der Reisedokumente verweigert, während gleichzeitig Pässe in Rekordzahl ausgegeben werden, um die Tourismusindustrie zu fördern.“ Zumindest im Fall eines prominenten chinesischen Dissidenten gilt dies nun nicht mehr: Der Künstler Ai Weiwei erhielt nach vier Jahren überraschend seinen Reisepass zurück und nutzte die Gelegenheit umgehend, um damit nach Deutschland zu fahren, wo er von seiner dort lebenden Frau und seinem Sohn in Empfang genommen wurde. Das Medieninteresse war groß, doch schon nach kurzer Zeit stellte sich Irritation ein. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ (nur in englischer Sprache frei verfügbar) äußerte er mehr Verständnis für die Politik der chinesischen Führung, als viele erwartet hatten. Als Einzelner sehe man die Dinge oft zu einfach, so Ai. Die Vertreter des Staats seien auch Menschen. Nur arbeiteten sie innerhalb einer sozialen und politischen Struktur, die sie einschränke. Am Ende des Gesprächs sagt Ai Weiwei: "Ich bitte nur um ein normales Leben. Ich will Dinge sagen und tun, die unserer Gesellschaft helfen. Nicht nur kritisieren, sondern Lösungen anbieten." Beim Lesen drängt sich unweigerlich der Gedanke auf, dass Ai Weiwei auch Tausende von Kilometern von Peking entfernt nicht so frei reden kann, wie er es sich vielleicht wünschen würde. Der Künstler hatte vor seiner Abreise offenbar die Zusage erhalten, wieder nach China zurückkehren zu dürfen. Welche Absprachen dafür nötig waren, muss notwendigerweise offen bleiben.
Ai Weiweis Verhalten scheint viele zu irritieren. So kam es nach einem der „Süddeutschen Zeitung" versuchte Sonja Zekri die Irritation zu erklären: „Der Westen liebt Künstler aus autoritären Staaten, die leiden und sich so als Verbündete im Kampf für die Freiheit erweisen. Der Fall Ai Weiwei zeigt jedoch: Das Verhältnis zwischen Unterdrückern und Unterdrückten ist komplizierter als wir es gerne hätten.“ Es spricht einiges dafür, dass sie damit recht hat.
„Tashi“ fliegt für Tibet
Hinter dem Tibetballon "Tashi" steckt übrigens eine private Initiative aus Großbritannien. “Tashi” hat eine eigene und ist auch auf Facebook zu finden. Dort können Sie sich eine Reihe wunderschöner Fotos des Ballons anschauen. Erklärtes Ziel der Initiative ist es übrigens, die Lage in Tibet stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Bereits mit seinen ersten Auftritten scheint “Tashi” dies gelungen zu sein. ICT wünscht daher weiterhin: “Guten Flug!”
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Irmtraut Wäger: Amala – Mein Leben für Tibet
Unsere Arbeit
Tibetische politische Gefangene brauchen unsere Unterstützung!
Seit den landesweiten Protesten im letzten Jahr befinden sich immer noch mehr als 1.200 Tibeter in Haft oder sind „verschwunden“ – und müssen mit großer Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlungen hinnehmen. Der Grund: viele haben auf friedliche Weise gegen die Verhältnisse in Tibet und die Politik Pekings auf dem Hochland protestiert. Grundlegende Rechte werden ihnen damit systematisch vorenthalten.
Die Situation in Tibet ist eine Menschenrechtskrise, die uns alle angeht. Helfen auch Sie wie Schauspieler Hannes Jaenicke bei unserer Kampagne für tibetische Gefangene auf www.missingvoices.net oder sehen Sie ein Statement von Hannes Jaenicke auf unserer Webseite, laden Sie ein eigenes Videostatement hoch oder nehmen Sie an unserer Appellaktion an Staatspräsident Hu Jintao teil!
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Mit 50 € können 5 warme Decken gegen die Kälte bezahlt werden.
Mit 250 € könnten fünf zusätzliche Betten angeschafft werden.
ICT – News April 2009 Chinesisches Gericht verhängt Todesstrafe gegen Tibeter
Der Meldung zufolge seien zwar alle fünf Angeklagten von Rechtsanwälten vertreten worden. Aus früheren Fällen ist jedoch bekannt, dass eine freie Wahl des Anwalts häufig unmöglich ist. So wurden im vergangenen Jahr 18 engagierte Bürgerrechtsanwälte massiv bedroht, sollten sie ihre Dienste Angeklagten in politisch sensiblen Verfahren anbieten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen internationale Mindeststandards nicht eingehalten werden. Folter und Einschüchterung der Angeklagten sind an der Tagesordnung, die Gerichte stehen unter hohem Druck, ihre Urteile entsprechend den Erwartungen der politischen Führung zu fällen. ICT fordert die chinesischen Behörden auf, alle Urteile, die gegen Teilnehmer an den Protesten in Tibet vom März 2008 ergangen sind, unter der Teilnahme unabhängiger Beobachter zu überprüfen und in jedem Fall von der Anwendung der Todesstrafe abzusehen. Die Härte der ergangenen Urteile dürfte in keiner Weise geeignet sein zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. Die Spannungen in Tibet dürften dadurch im Gegenteil nur noch erhöht werden.
ICT-Video „20 Years ICT“.