Die bisherige
Chinapolitik ist in
einer Sackgasse

Fotos: Oboneo-CC-BY-SA-4.0/
kremlin.ru-CC-BY-4.0

 

Die bisherige Chinapolitik ist in einer Sackgasse. Lang gehegte Hoffnungen auf einen „Wandel durch Handel“ in der Volksrepublik haben zur Stärkung von Autokratie und Menschenverachtung geführt. Das holt uns jetzt ein. Die Frage ist nun: Haben wir aus diesem schmerzlichen Prozess gelernt? Wird sich die viel zitierte neue China-Strategie der Bundesregierung von den Irrwegen der Vergangenheit verabschieden – oder wird sie nur die Fortschreibung alter Fehleinschätzungen sein, mit etwas Menschenrechtsrhetorik als Lametta?

Die Vielstimmigkeit der deutschen und europäischen Außenpolitik haben Europa und Deutschland angreifbar gemacht. Während Peking gezielt ein politisches „Weaponizing“ praktisch aller Beziehungen betreibt und damit missliebige Kritik an seiner Politik unterbinden will – meist erfolgreich -, verharrt die Menschenrechtspolitik und die Außenpolitik insgesamt in alten Mustern.

Demnach gehören Menschenrechte in den Menschenrechtsdialog, abgeschottet von Gesprächen über Wirtschaft, Handel oder Wettbewerb. Wobei Formate wie der Menschenrechtsdialog in den vergangenen Jahren ohnehin zu immer größeren Feigenblättern deutscher Außenpolitik avanciert sind. Ein Zustand, der für beide Seiten bequem ist, aber am Ende nur zum Vorteil Chinas.

Deutscher Opportunismus

Vom Ansatz „Mainstreaming von Menschenrechten“ ist nicht mehr viel zu hören. Das überrascht nicht, steht ihm doch die postulierte Trias „Rivale, Wettbewerber, Partner“ fundamental entgegen. Diese erlaubt europäischer Politik maximale Geschmeidigkeit und Unverbindlichkeit im Umgang mit dem Regime in Peking. Doch was bei uns als Zeichen differenzierter Außenpolitik gilt, öffnet in Wahrheit Tür und Tor für Opportunismus und Doppelzüngigkeit. Die Kommunistische Partei deutet dies als Schwäche. Und damit hat sie leider recht. Zuerst das Geld, dann die Werte.

Zum deutschen Opportunismus gehören die Verunglimpfungen, die führende Außenpolitiker geprägt haben, wenn es darum ging, eine zahnlose Menschenrechtspolitik gegenüber China zu rechtfertigen. Da war das Unwort von der „Schaufensterpolitik“ oder von der „Monstranz“ der Menschenrechte. Wenn heute ein Bundespräsident Steinmeier vor einer zu großen Abhängigkeit von China warnt, dann steht vor uns einer der vormals größten Architekten dieser Politik. Der Sinneswandel des Bundespräsidenten ist begrüßenswert – doch sieht es das Kanzleramt genauso?

Vorausschauende Menschenrechtspolitik gerade in Bezug auf die Volksrepublik China ist in Deutschland unterentwickelt. Reagiert wird auf die großen Krisen, wie jetzt etwa in Xinjiang, und verhalten in Bezug auf Hongkong und Tibet, das im Koalitionsvertrag schon nicht mehr vorkam. In alternativen Politikansätzen wird nicht gedacht, Gefahren werden ignoriert. Sich anbahnende Konflikte werden weggeschoben. Große Konzerne und Peking allzu wohl gesonnene Chinaexperten haben zu lange die Leitlinien dessen bestimmt, was gegenüber Peking sagbar ist. Das hat Deutschland und Europa geschadet – und ist nicht mehr hinnehmbar.

Wir müssen neu denken: Die Politik der Kommunistischen Partei Chinas gegenüber den Uiguren, den Tibetern, den Mongolen, gegenüber den Menschen in Hongkong und chinesischen Menschenrechtsverteidigern ist nicht nur relevant für die Sicherheit der unmittelbar Betroffenen. Sie ist auch relevant für die Sicherheit Deutschlands und Europas. Denn die Politik der KP im Inneren war und ist Vorbote einer aggressiven Außenpolitik, die die universellen Werte, die auch wir Europäer vertreten, explizit bekämpfen will. Das heißt konkret: Wenn die Rechte der Tibeter, der Uiguren und vieler anderer von der Kommunistischen Partei verletzt werden, dann ist das relevant für unsere Sicherheit in Europa. Unser Schweigen ist unsere Schwäche. Unsere Schwäche gefährdet unsere Sicherheit.

Die Reise von Bundeskanzler Scholz hingegen erfolgt unmittelbar nach Ende des 20. Parteitages der Kommunistischen Partei Chinas. Generalsekretär Xi Jinping ist für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt und damit die autokratische Einparteienherrschaft der KP weiter zementiert. Von Olaf Scholz als einem Vertreter eines Landes, das sich Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet hat, wäre zu erwarten, dass er Distanz wahrt zu denen, die diese Werte bekämpfen. Diese Distanz zu Generalsekretär Xi Jinping ist nicht gegeben, wenn der Bundeskanzler ihm unmittelbar nach der Krönungsmesse seine Aufwartung macht. Das ist ein weiteres Geschenk an den Alleinherrscher in Peking und ein schlechtes Zeichen für die Menschenrechte. Es bleibt nur die Hoffnung, dass die neue China-Strategie der Bundesregierung eine andere Linie verfolgt. Zu sicher dürfen wir nicht sein. Im Gegenteil. Cosco lässt grüßen.

Dieser Text erschien zunächst am 4.11.2022 bei Table.Media

 

Autor: Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet

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