„Menschenrechte auf den Tisch!“
Die Wirtschaft sollte im Mittelpunkt stehen beim Staatsbesuch des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao und den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 27. und 28. Juni in Berlin. Vor dem Hintergrund der ernsten Währungskrise im Euro-Raum schienen die Aussichten für die chinesische Regierung recht günstig zu sein, dass die leidige Menschenrechtsthematik allenfalls im Hintergrund von Interesse sein würde. Unterschriftsreife Wirtschaftsverträge in Milliardenhöhe, die Zusage, in europäische Staatsanleihen investieren zu wollen sowie die überraschende Freilassung des prominenten chinesischen Künstlers Ai Weiwei sollten ihre Wirkung nicht verfehlen – so zumindest schien das Kalkül der PR-Strategen der chinesischen Führung. Dass es am Ende nicht ganz so kam, lag auch an der Arbeit der deutschen Menschenrechtsbewegung, die mit großer Beharrlichkeit den Finger in die Wunde legte. Auch die International Campaign for Tibet (ICT) hatte daran ihren Anteil. Schon Tage vor dem Eintreffen der chinesischen Regierungsdelegation wandten sich ICT, Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und der Weltkongress der Uiguren an die Bundesregierung und forderten sie auf, bei den bevorstehenden Gesprächen die Menschenrechtslage in der Volksrepublik China als ein zentrales Thema zu erörtern. In dem Offenen Brief hieß es unter anderem: „Wir weisen mit Nachdruck darauf hin, dass von den bevorstehenden Konsultationen ein fatales Signal für den Schutz der Menschenrechte in der Volksrepublik China ausginge, wenn die Frage der Menschenrechte ausgeklammert bliebe oder lediglich pro forma thematisiert würde.“ Hervorgehoben wurde in dem Schreiben auch die anhaltend schlechte Menschenrechtslage in Tibet und insbesondere die besorgniserregenden Entwicklungen um das tibetische Kloster Kirti in der Provinz Sichuan. Weitere Details sowie einen Link zum Wortlaut des Offenen Briefs finden Sie hier.
Am ersten Tag der Regierungskonsultationen veranstaltete die International Campaign for Tibet dann zusammen mit Amnesty International auf dem Pariser Platz in Berlin ein „Alternatives Staatsbankett“, das unter dem Motto „Menschenrechte auf den Tisch!“ stand. Die Veranstaltung fand eine beachtliche Medienresonanz, sie war in den wichtigsten abendlichen Nachrichtensendungen des Fernsehens zu sehen und wurde auch in Hörfunk und Presse wahrgenommen. Auf unserer Webseite gelangen Sie
Gefährliche Flucht
Unter dem Titel „Dangerous Crossing, Conditions Impacting the Flight of Tibetan Refugees in 2001“ erschien eine Schilderung der Bedingungen, die Menschen aller Altersstufen dazu brachten, ihre Heimat und ihre Familien zu verlassen und sich auf den beschwerlichen und riskanten Weg über zum Teil verschneite Himalajapässe zu machen. Pünktlich zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni nun erschien die aktuelle Auflage von „Dangerous Crossing“, die die Situation des Jahres 2010 in den Blick nimmt. Nicht nur die Fluchtgründe der Tibeter und die Schwierigkeiten, denen sie auf ihrem Weg nach Nepal trotzen müssen, sind Gegenstand der nunmehr zehnten Auflage des Berichts. Vielmehr geht es auch um die Lage der auf 20.000 Menschen geschätzten tibetischen Gemeinde in Nepal und um den zunehmenden Einfluss Pekings auf die Politik der nepalesischen Regierung. Protestkundgebungen gegen die chinesische Unterdrückungspolitik in Tibet werden von der nepalesischen Polizei regelmäßig und teils mit großer Härte unterbunden, häufig wird auch vor religiösen Zeremonien, denen ein politischer Charakter unterstellt wird, nicht Halt gemacht.
Auch im Berichtszeitraum 2010 blieben sowohl die Situation der Flüchtlinge, die über Nepal nach Indien gelangen wollen, als auch die der in Nepal lebenden Tibeter anhaltend prekär. Begonnen hatte dieser Trend bereits im Jahr 2008, als eine Welle von Protesten fast ganz Tibet erfasste. Parallel zur Niederschlagung der Proteste ließ Peking Tibet vollständig abriegeln und verstärkte die ohnehin schon drastischen Grenzsicherungsmaßnahmen. In der Folge sank die Zahl der im Jahr 2008 in Nepal registrierten tibetischen Flüchtlinge auf weniger als ein Drittel der Ankömmlinge des Vorjahrs, im Jahr 2005 hatten sich noch fünfmal so viele Tibeter erfolgreich auf die „gefährliche Flucht“ über den Hauptkamm des Himalaja gemacht. In den Jahren 2009 und 2010 lag ihre Zahl zwar wieder höher als 2008, doch mit 838 (2009) und 874 (2010) immer noch deutlich unter dem Schnitt der vorausgegangenen Jahre.
Den vollständigen englischsprachigen Bericht finden Sie hier zum Herunterladen.
Mutiger Protest
Aufgrund der strikten Nachrichtenzensur durch die chinesischen Behörden ist es sehr schwer, zeitnah Bilder oder Filmaufnahmen des mutigen Protests der Tibeter zu erhalten. Einen Eindruck der Ereignisse in Kardze mag daher ein vor kurzem aufgetauchtes
Verschwundene Mönche
Die Experten des UN-Gremiums forderten die chinesischen Behörden auf, volle Auskunft über „das Schicksal und den Aufenthaltsort der verschwundenen Personen“ zu erteilen. Ausdrücklich ermutigten die UN-Experten die Behörden dazu, die „anhaltende Praxis des erzwungenen Verschwindens“ zu untersuchen und sicherzustellen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und „der Schwere ihres Verbrechens entsprechende Strafen erhalten“. China sei verpflichtet, sich an die striktesten Menschenrechtsstandards zu halten, insbesondere sollte das Land eng mit der Arbeitsgruppe zu „Verschwindenlassen“ zusammenarbeiten. Zudem forderte das Gremium China auf, sein Versprechen einzulösen und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie die Internationale Vereinbarung zum Schutz vor „Verschwindenlassen“ zu ratifizieren. Der Arbeitsgruppe gehören fünf unabhängige Experten an. Unter dem Vorsitz von Jeremy Sarkin (Südafrika) sind dies Ariel Dulitzky (Argentinien), Jasminka Dzumhur (Bosnien-Herzegovina), Osman El-Hajjé (Libanon) und Olivier de Frouville (Frankreich).
Wegen der außerordentlichen Bedeutung der in Genf ansässigen UN-Institutionen im Menschenrechtsbereich hat die ICT ihre Arbeit vor Ort ausgebaut. Seit Anfang des Jahres 2011 arbeitet unser Kollege Ngawang Dragmargyapon deshalb in Genf.
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Irmtraut Wäger: Amala – Mein Leben für Tibet
Das Leben von Irmtraut Wäger zeichnet sich durch ihren unermüdlichen Einsatz für Tibet aus. Die Tibeter nennen sie deshalb "Amala", "verehrte Mutter". Mehr als 30 Jahre widmete sich die langjährige Vorsitzende der Deutschen Tibethilfe der Unterstützung tibetischer Flüchtlinge. Von ihrer kleinen Zweizimmerwohnung in München aus sammelte sie Gelder und vermittelte über 5.000 Patenschaften für Kinder, Studenten, Mönche, Nonnen und alte Tibeter. Dort besuchte sie der Dalai Lama im Jahr 2003.
Ihre im Februar erschienene Biographie beschreibt den Lebensweg einer außergewöhnlichen Frau, die für ihr herausragendes Engagement 1986 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt wurde. Im Jahr 2005 erhielt Wäger den „Light of Truth Award“ der International Campaign for Tibet vom Dalai Lama persönlich überreicht. Mit diesem Preis werden Personen ausgezeichnet, die sich auf besondere Weise für Tibet eingesetzt haben.
Unsere Arbeit
Tibetische politische Gefangene brauchen unsere Unterstützung!
Seit den landesweiten Protesten im letzten Jahr befinden sich immer noch mehr als 1.200 Tibeter in Haft oder sind „verschwunden“ – und müssen mit großer Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlungen hinnehmen. Der Grund: viele haben auf friedliche Weise gegen die Verhältnisse in Tibet und die Politik Pekings auf dem Hochland protestiert. Grundlegende Rechte werden ihnen damit systematisch vorenthalten.
Die Situation in Tibet ist eine Menschenrechtskrise, die uns alle angeht. Helfen auch Sie wie Schauspieler Hannes Jaenicke bei unserer Kampagne für tibetische Gefangene auf www.missingvoices.net oder sehen Sie ein Statement von Hannes Jaenicke auf unserer Webseite, laden Sie ein eigenes Videostatement hoch oder nehmen Sie an unserer Appellaktion an Staatspräsident Hu Jintao teil!
So können Sie helfen!
ONLINE SPENDEN
So können Sie helfen!
Mit 50 € können 5 warme Decken gegen die Kälte bezahlt werden.
Mit 250 € könnten fünf zusätzliche Betten angeschafft werden.
ICT – News April 2009 Chinesisches Gericht verhängt Todesstrafe gegen Tibeter
Der Meldung zufolge seien zwar alle fünf Angeklagten von Rechtsanwälten vertreten worden. Aus früheren Fällen ist jedoch bekannt, dass eine freie Wahl des Anwalts häufig unmöglich ist. So wurden im vergangenen Jahr 18 engagierte Bürgerrechtsanwälte massiv bedroht, sollten sie ihre Dienste Angeklagten in politisch sensiblen Verfahren anbieten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen internationale Mindeststandards nicht eingehalten werden. Folter und Einschüchterung der Angeklagten sind an der Tagesordnung, die Gerichte stehen unter hohem Druck, ihre Urteile entsprechend den Erwartungen der politischen Führung zu fällen. ICT fordert die chinesischen Behörden auf, alle Urteile, die gegen Teilnehmer an den Protesten in Tibet vom März 2008 ergangen sind, unter der Teilnahme unabhängiger Beobachter zu überprüfen und in jedem Fall von der Anwendung der Todesstrafe abzusehen. Die Härte der ergangenen Urteile dürfte in keiner Weise geeignet sein zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. Die Spannungen in Tibet dürften dadurch im Gegenteil nur noch erhöht werden.
ICT-Video „20 Years ICT“.