Wahlen: Exiltibeter bestimmen Premierminister und Parlament
Alle drei Kandidaten, die sich ernsthafte Chancen auf die Nachfolge des amtierenden Kalon Tripa, Professor Samdhong Rinpoche, ausrechnen dürfen, verfügen über Meriten, die sie entweder als Jurist an der Universität Harvard (Dr. Lobsang Sangay) oder in der tibetischen Exilregierung erworben haben (Tenzin Namgyal Tethong und Tashi Wangdi). Die Ankündigung des Dalai Lama, seine politischen Aufgaben nach den Wahlen weiter reduzieren zu wollen, dürfte das Gewicht des tibetischen Exilpremiers zusätzlich erhöhen – unabhängig davon, wie sich der „Rückzug“ des Dalai Lama im Einzelnen darstellen wird.
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt der Wahlen dürfte auch darin liegen, dass sie unter den Exiltibetern das Gefühl verstärken, Teil einer weltweiten Gemeinschaft zu sein. Unterstützt wird dies in besonderer Weise durch die Möglichkeiten des Internets. Für die deutschsprachigen Tibeter bietet die Seite „Deine-Stimme-entscheidet" einen ausgezeichneten Einstieg in die Entscheidungsfindung. Dort findet sich von Hintergrundinformationen zu Exilregierung und –parlament über praktische Tipps zum Wahlprozess bis hin zu den einzelnen Kandidaten praktisch alles, was die interessierten Wählerinnen und Wähler wissen müssen. Selbstverständlich verfügen auch alle drei Kandidaten für die Wahl zum Kalon Tripa über eine eigene Internetpräsenz. In englischer Sprache erläutern sie dort ihre Wahlkampagnen. Ihre Seiten sind leicht zu erreichen über die Internetplattform KalonTripa.org. Im Bild: Wahlplakat von Dr. Lobsang Sangay (Foto:ICT).
Bekannter Sänger Tashi Dhondup wieder frei
Ein Gerichtsdokument, das Anfang 2010 aus China geschmuggelt werden konnte, schildert den Prozessverlauf im Fall von Tashi Dhondup. Offenbar fand überhaupt kein förmliches Gerichtsverfahren statt, die Verurteilung erfolgte durch das "Komitee für Umerziehung durch Arbeit" in Yalgun. Das Dokument hält weiter fest, dass Tashi Dhondup ein erstes Mal bereits im April 2009 festgenommen worden sein soll. Bei dieser Gelegenheit soll er gewarnt worden sein, ein Lied, das an den gescheiterten Volksaufstand 1959 erinnert, nicht mehr vorzutragen. Der Sänger wurde dann erneut am 3. Dezember 2009 inhaftiert und zu 15 Monaten Zwangsarbeit verurteilt. 3000 Kopien seiner CD „Folter ohne Spuren“ waren vorher veröffentlicht und in den Provinzen Qinghai, Gansu und Sichuan verteilt worden. Weitere Einzelheiten zu diesem Fall finden Sie hier.
Nach Einschätzung der International Campaign for Tibet ist das Vorgehen der chinesischen Behörden im Fall Tashi Dhondups typisch für die harte Linie gegenüber tibetischen Intellektuellen, Künstlern und Internetbloggern, die im ICT-Bericht „A Raging Storm“ vom vergangenen Mai eindringlich beschrieben wurde. Unser Dank gebührt all denjeneigen, die sich für die Freilassung Tashi Dhondups eingesetzt und damit ein Zeichen der Hoffnung für alle politischen Gefangenen gesetzt haben.
Tibeter in Nepal – Der Druck Chinas nimmt zu
Keine Überraschung war es daher, dass Nepal für seinen Umgang mit den tibetischen Flüchtlingen deutlich kritisiert wurde, als im Januar im UN-Menschenrechtsrat die menschenrechtliche Bilanz Nepals zur Debatte stand. Einem englischsprachigen Bericht der International Campaign for Tibet können Sie hier weitere Details der Beratungen vor dem UN-Gremium entnehmen. In die gleiche Kerbe schlug auch die US-amerikanische Unterstaatssekretärin Maria Otero anlässlich eines Besuchs in Indien und Nepal Mitte Februar. Frau Otero, die auch als "Sonderkoordinatorin für Tibetische Angelegenheiten" der US-Regierung fungiert, drängte in Kathmandu den nepalesischen Premierminister Jhala Nath Khanal, den tibetischen Flüchtlingen in Zukunft wieder die ungehinderte Weiterreise nach Indien zu gewähren.
Doch Nepals Politik trifft nicht nur die tibetischen Flüchtlinge. Auch die geschätzt 20.000 Tibeter, die in Nepal ansässig sind, erfahren in jüngster Zeit eine immer stärkere Beschränkung ihrer Ausdrucksmöglichkeiten. Pekings Vorgabe an die Regierung in Nepal, “anti-chinesische Aktivitäten” zu unterbinden, wird konsequent umgesetzt. Dazu zählt offenbar auch die tibetische Demokratie: Wie schon während der Vorwahlen im Oktober wurden nun auch im Vorfeld der Wahlen zum exiltibetischen Parlament und zum Kalon Tripa, dem tibetischen Exilpremier, von der nepalesischen Polizei die Wahlurnen beschlagnahmt.
Offenbar fürchtet die chinesische Staatsführung Demokratie könnte ansteckend sein. Wollen wir hoffen, dass sie Recht hat.
Nach dem Beben: Tibeter von Wiederaufbauplanung ausgeschlossen
Offenbar jedoch erfolgt dieser Prozess über die Köpfe der tibetischen Bewohner hinweg und bestätigt so frühere Befürchtungen aus dem Sommer des vergangenen Jahres, als Hunderte Tibeter dagegen protestierten, ihr Land herzugeben im Gegenzug für an anderen Stellen errichtete Behausungen. Wie Mary Beth Markey, Präsidentin der ICT sagte, widerspricht das Vorgehen der Behörden „den chinesischen Autonomiegesetzen und schafft so weiteres Leid“. Zudem bestehe die Gefahr, dass „historische tibetische Gebäude, die das Erdbeben überlebt haben, nun im Zuge des Wiederaufbaus abgerissen“ werden könnten.
Quellen mit Verbindungen in die Region zufolge würden Tibeter von neu geschaffenen Jobs beim Wiederaufbau ausgeschlossen. Beschäftigt würden alleine chinesische Arbeiter. Zudem sei bei der Vergabe staatlicher Bauaufträge an private Firmen nicht selten Bestechung im Spiel. Dies nährt Befürchtungen, wonach Gelder für den Wiederaufbau in dunkle Kanäle fließen könnten. ICT fordert daher Auftragsvergabe und Planung des Wiederaufbaus in Yushu transparent und unter Einbeziehung derjenigen zu gestalten, die bei dem Beben am meisten verloren haben, nämlich den Tibetern. Alles andere werde dazu führen, die Kluft zwischen Tibetern und der staatlichen Führung weiter zu vertiefen.
Einen englischsprachigen Bericht der ICT zu diesem Thema können Sie hier herunterladen.
Laufen für Tibet
Auch in diesem Jahr steht der Berlin-Marathon wieder auf Hans-Ulrich Billibs Programm. Es soll jedoch noch vier weitere Gelegenheiten geben, ihn erneut mit einer Tibetfahne durchs Ziel laufen zu sehen. Den Anfang macht der „22. Lauf der Sympathie" von Falkensee nach Spandau am 20. März, es folgt bereits zwei Wochen später der Berliner Halbmarathon am 3. April, und auch die 25 Kilometer von Berlin am 8. Mai lässt Hans-Ulrich Billib nicht aus. Nach dem Marathon am 25. September will er die Saison mit einem 10-Kilometer-Lauf im Oktober „locker“ ausklingen lassen.
Wenn Ihnen die Lektüre dieser Zeilen Lust gemacht hat, auch selbst für Tibet zu laufen oder einfach nur Hans-Ulrich Billib kennen zu lernen, sollten Sie sich mit uns in Verbindung setzen. Per Brief, per E-Mail oder telefonisch, ganz wie Ihnen beliebt. In einem Gespräch mit der International Campaign for Tibet erklärte sich Hans-Ulrich Billib bereit, seine Erfahrungen als „Tibet-Läufer“ weiterzugeben und mit Interessierten zu teilen. Wer weiß: Vielleicht ergibt sich aus dem Kontakt ja eine kleine Tibet-Läufergruppe? ICT würde eine solche Entwicklung gerne unterstützen.
Unsere Arbeit
Tibetische politische Gefangene brauchen unsere Unterstützung!
Seit den landesweiten Protesten im letzten Jahr befinden sich immer noch mehr als 1.200 Tibeter in Haft oder sind „verschwunden“ – und müssen mit großer Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlungen hinnehmen. Der Grund: viele haben auf friedliche Weise gegen die Verhältnisse in Tibet und die Politik Pekings auf dem Hochland protestiert. Grundlegende Rechte werden ihnen damit systematisch vorenthalten.
Die Situation in Tibet ist eine Menschenrechtskrise, die uns alle angeht. Helfen auch Sie wie Schauspieler Hannes Jaenicke bei unserer Kampagne für tibetische Gefangene auf www.missingvoices.net oder sehen Sie ein Statement von Hannes Jaenicke auf unserer Webseite, laden Sie ein eigenes Videostatement hoch oder nehmen Sie an unserer Appellaktion an Staatspräsident Hu Jintao teil!
So können Sie helfen!
ONLINE SPENDEN
So können Sie helfen!
Mit 50 € können 5 warme Decken gegen die Kälte bezahlt werden.
Mit 250 € könnten fünf zusätzliche Betten angeschafft werden.
ICT – News April 2009 Chinesisches Gericht verhängt Todesstrafe gegen Tibeter
Der Meldung zufolge seien zwar alle fünf Angeklagten von Rechtsanwälten vertreten worden. Aus früheren Fällen ist jedoch bekannt, dass eine freie Wahl des Anwalts häufig unmöglich ist. So wurden im vergangenen Jahr 18 engagierte Bürgerrechtsanwälte massiv bedroht, sollten sie ihre Dienste Angeklagten in politisch sensiblen Verfahren anbieten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen internationale Mindeststandards nicht eingehalten werden. Folter und Einschüchterung der Angeklagten sind an der Tagesordnung, die Gerichte stehen unter hohem Druck, ihre Urteile entsprechend den Erwartungen der politischen Führung zu fällen. ICT fordert die chinesischen Behörden auf, alle Urteile, die gegen Teilnehmer an den Protesten in Tibet vom März 2008 ergangen sind, unter der Teilnahme unabhängiger Beobachter zu überprüfen und in jedem Fall von der Anwendung der Todesstrafe abzusehen. Die Härte der ergangenen Urteile dürfte in keiner Weise geeignet sein zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. Die Spannungen in Tibet dürften dadurch im Gegenteil nur noch erhöht werden.
ICT-Video „20 Years ICT“.