Gefährliche Artikel
Die Entscheidung des Gerichts in Ngaba bestätigt so erneut die Erkenntnisse das ICT-Berichts „A Raging Storm“ vom vergangenen Mai. Ob Künstler, Schriftsteller oder Blogger, alle Tibeter, die das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung für sich in Anspruch nehmen, stehen in Tibet unter Druck wie seit den Tagen der Kulturrevolution nicht mehr. Sorge bereitet indessen auch das Wohlergehen von Tashi Rabten, einem der Herausgeber von „Shar Dungri“. Tashi Rabten befindet sich seit dem 6. April 2010 in Haft. Weder ist bekannt, was ihm vorgeworfen wird, noch kennt man seinen Gerichtstermin. Auch in seinem Fall muss davon ausgegangen werden, dass er alleine wegen seiner publizistischen Tätigkeit in Haft genommen worden ist.
Die verurteilten Schriftsteller schreiben im osttibetischen Amdo-Dialekt des Tibetischen. Alle drei sind Anfang Dreißig und engagieren sich nicht nur als Schriftsteller und Autoren für ihre Gemeinschaft. Sie sind darin typisch für eine junge Generation von tibetischen Intellektuellen, der die traumatischen Erfahrungen des chinesischen Einmarschs oder der Exzesse der Kulturrevolution erspart geblieben sind. Alle haben sie das chinesische Bildungssystem durchlaufen, nicht wenige verfügen über einen akademischen Abschluss. Beobachtern zufolge verbindet sie der Gedanke der Solidarität unter allen Tibetern sowie der Stolz auf ihre Kultur und Religion. Den englischsprachigen Bericht über die Verurteilung von Dhonko, Buddha und Kelsang Jinpa können Sie hier herunterladen.
Nicht ohne den Dalai Lama
Die Ankündigung des Dalai Lama, sich nach der im März anstehenden Neuwahl des Kalon Tripa, des tibetischen Exil-Ministerpräsidenten, von politischen Funktionen zurückzuziehen, hat bei vielen Tibetern Bestürzung ausgelöst. So verfasste das tibetische Exilparlament in Dharamsala Anfang Januar ein Memorandum, in dem der Dalai Lama aufgefordert wurde, auf den angekündigten Rückzug zu verzichten. In dem auch im Internet veröffentlichten Schriftstück verleihen die Parlamentarier ihrer „außerordentlich großen Sorge“ über die Entscheidung des Dalai Lama Ausdruck und bitten ihn im Namen aller Tibeterinnen und Tibeter seine Entscheidung rückgängig zu machen.
Ende November 2010 hatte der Dalai Lama am Rande einer Konferenz in Delhi angekündigt, sich von politischen Funktionen zurückziehen zu wollen. Die konkrete Ausgestaltung dieses Plans wollte er jedoch mit dem im März 2011 ebenfalls neu zu wählenden tibetischen Exilparlament besprechen. Beobachter hatten darin einen Schritt hin zu einer stärkeren demokratischen Selbstverantwortung der Tibeter im Exil gesehen. Zudem wurde die Ankündigung als bedeutsam für die Nachfolge des Dalai Lama angesehen. Die Beschränkung seiner Funktion auf die des geistlichen Führers könnte die vielfach erwartete Auseinandersetzung um die nächste Inkarnation des Dalai Lama zwischen den Tibetern und der chinesischen Staatsführung entschärfen und zugleich unterstreichen, dass die zukünftige politische Führung der Tibeter in einem demokratischen Wahlprozess bestimmt werden sollte.
Offenbar ist die Unruhe unter den Tibeterinnen und Tibetern aber so groß, dass nicht nur das Exilparlament sich zu seinem Memorandum genötigt sah. Auch der tibetische Ministerpräsident Samdhong Rinpoche fühlte sich zu einer Klarstellung veranlasst. Aus Anlass einer religiösen Unterweisung versicherte der noch bis zu den Neuwahlen im März amtierende Kalon Tripa vor mehr als 1.800 Tibetern, die Entscheidung des Dalai Lama bedeute lediglich „Veränderungen in seinen täglichen Amtspflichten“, niemals würde er sich „vom tibetischen Volk abwenden.“ Vielmehr werde er „seine Arbeit für die tibetische Sache fortsetzen“. Wie dies konkret aussehen wird, bleibt abzuwarten.
Lebensgefährliche Haft
Seit mehr als 14 Jahren bereits befindet sich Jigme Gyatso in chinesischer Haft. Der ehemalige tibetische Mönch war 1996 zu zunächst 15 Jahren Haft wegen „Konterrevolution“ und „Anstiftung zur Spaltung“ verurteilt worden, seine Strafe wurde während der Haft noch einmal um drei weitere Jahre verlängert, so dass er theoretisch erst 2014 freikommen würde. Doch ob er weitere drei Jahre im Hochsicherheitsgefängnis von Chushur (chinesisch: Qushui) in der Nähe von Lhasa überleben kann, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Einem Bericht der tibetischen Exilregierung im nordindischen Dharamsala zufolge hat sich Jigme Gyatsos Gesundheitszustand in den letzten Wochen besorgniserregend verschlechtert, offenbar muss um sein Leben gefürchtet werden. Jigme Gyatso ist in der Haft mehrfach schwer gefoltert worden, zuletzt wurde er von seinen Mitgefangenen isoliert gehalten, Versuche seiner Angehörigen, ihn zu besuchen werden häufig abschlägig beschieden.
Die International Campaign for Tibet hat an den UN-Sonderberichterstatter über Folter, den argentinischen Menschenrechtsanwalt Juan Mendez, appelliert, sich für Jigme Gyatso einzusetzen. Bei einem persönlichen Gespräch mit Mendez in Washington am 5. Januar übergaben unsere amerikanischen ICT-Kollegen Bhuchung Tsering und Leslie Butterfield dem Sonderberichterstatter eine entsprechende Petition. Sie informierten ihn über die neuesten Erkennnisse zum Fall von Jigme Gyatso und baten ihn, alles im Rahmen seines Mandats Mögliche zugunsten Gyatsos zu unternehmen. Bereits Mendez’ Vorgänger, der Österreicher Manfred Nowak, hatte sich im Jahr 2006 für die sofortige Freilassung von Jigme Gyatso eingesetzt, nachdem er ihn bei einem seiner äußerst seltenen offiziellen Besuche im Gefängnis hatte sprechen können. Die entsprechende Formulierung in Nowaks Bericht an die UN-Menschenrechtskommission lautete: "Weil er [Jigme Gyatso], möglicherweise aufgrund von durch Folter gewonnenen Informationen, für ein politisches Verbrechen verurteilt wurde, appelliert der Sonderberichterstatter an die (chinesische) Regierung, ihn freizulassen.“ Weitere Details samt Link zu einem umfangreichen englischsprachigen Bericht der ICT finden Sie hier.
Gegen Zwangsansiedlung
Die negativen Folgen der von den staatlichen chinesischen Behörden im großen Maßstab angeordneten Ansiedlung tibetischer Nomaden haben die internationale Ebene erreicht. So sprach sich der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, zum Abschluss seiner Reise nach China im vergangenen Dezember dafür aus, dass tibetische und mongolische Nomaden nicht zur Ansiedlung gezwungen werden sollten. Grundlage der Nomadenansiedlungen ist die so genannte „tuimu huancao-Politik“, sinngemäß zu übersetzen mit „Tiere entfernen, damit Gras wachsen kann“. In De Schutters vorläufigem Bericht, der am 23. Dezember veröffentlicht wurde, heißt es: „Während es kaum Zweifel gibt über das Ausmaß der Degradation der Böden, möchte der Sonderberichterstatter anmerken, dass Hirten nicht aufgrund von Maßnahmen, die im Rahmen der ‚tuimu huancao-Politik‘ ergriffen wurden, in eine Situation gebracht werden sollten, in der sie keine andere Wahl haben als ihre Herde zu verkaufen und sich anzusiedeln“. Der Sonderberichterstatter ruft die chinesischen Behörden dazu auf, konstruktive Verhandlungen mit den Nomadengemeinschaften zu führen.
Die International Campaign for Tibet ist der Überzeugung, dass die Politik der chinesischen Regierung nicht nur eines der letzten Systeme nachhaltiger Viehzucht auf der Welt bedroht, sondern sie gefährdet nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auch das tibetische Weideland und den Artenreichtum. So haben chinesische, tibetische und westliche Wissenschaftler festgestellt, dass die Mobilität des Viehbestandes sich auf den Zustand des Weidelandes positiv auswirkt und negative Erwärmungseffekte abgeschwächt werden. Weitere Details zu diesem Thema finden Sie hier in unserem englischsprachigen Bericht.
ICT-Facebook-Gruppe wächst schnell
Es war unser „Weihnachtswunsch“ in der Dezember-Ausgabe des Tibet-Newsletters: die Facebook-Gruppe der International Campaign for Tibet auf über 500 Teilnehmer zu bringen. Offenbar war dieser Wunsch sehr bescheiden formuliert – mit Stand 24. Januar liegt diese Zahl bereits bei knapp 550, das entspricht gut 10 Prozent Zuwachs in nur einem Monat. Für eine Gruppe, die erst im vergangenen Sommer eingerichtet wurde, eine äußerst zufriedenstellende Zwischenbilanz.
Und doch auch kein Wunder, wie jeder Internetnutzer bestätigen kann, der einen kurzen Blick auf die Seite wirft. Denn die Facebook-Gruppe der ICT bietet einen ausgezeichneten Service für all diejenigen, die zwar stets auf dem Laufenden sein wollen in Bezug auf Tibet, zugleich aber nicht die Zeit oder die Lust haben, sich selbst durch das Internet zu bewegen auf der Suche nach den neuesten Nachrichten und Entwicklungen. Richtig gut wird es natürlich dann, wenn man sich selbst registriert. Das dauert nur einen Moment und ermöglicht einem den schnellen Austausch mit ICT und nicht zuletzt den vielen anderen Tibetfreundinnen und –freunden, die sich für die Gruppe registriert haben. Zögern Sie also nicht, werden auch Sie Mitglied in der Facebook-Gruppe der ICT und informieren Sie alle ebenfalls an Tibet interessierten Menschen in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis.
Unsere Arbeit
Tibetische politische Gefangene brauchen unsere Unterstützung!
Seit den landesweiten Protesten im letzten Jahr befinden sich immer noch mehr als 1.200 Tibeter in Haft oder sind „verschwunden“ – und müssen mit großer Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlungen hinnehmen. Der Grund: viele haben auf friedliche Weise gegen die Verhältnisse in Tibet und die Politik Pekings auf dem Hochland protestiert. Grundlegende Rechte werden ihnen damit systematisch vorenthalten.
Die Situation in Tibet ist eine Menschenrechtskrise, die uns alle angeht. Helfen auch Sie wie Schauspieler Hannes Jaenicke bei unserer Kampagne für tibetische Gefangene auf www.missingvoices.net oder sehen Sie ein Statement von Hannes Jaenicke auf unserer Webseite, laden Sie ein eigenes Videostatement hoch oder nehmen Sie an unserer Appellaktion an Staatspräsident Hu Jintao teil!
So können Sie helfen!
ONLINE SPENDEN
So können Sie helfen!
Mit 50 € können 5 warme Decken gegen die Kälte bezahlt werden.
Mit 250 € könnten fünf zusätzliche Betten angeschafft werden.
ICT – News April 2009 Chinesisches Gericht verhängt Todesstrafe gegen Tibeter
Der Meldung zufolge seien zwar alle fünf Angeklagten von Rechtsanwälten vertreten worden. Aus früheren Fällen ist jedoch bekannt, dass eine freie Wahl des Anwalts häufig unmöglich ist. So wurden im vergangenen Jahr 18 engagierte Bürgerrechtsanwälte massiv bedroht, sollten sie ihre Dienste Angeklagten in politisch sensiblen Verfahren anbieten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen internationale Mindeststandards nicht eingehalten werden. Folter und Einschüchterung der Angeklagten sind an der Tagesordnung, die Gerichte stehen unter hohem Druck, ihre Urteile entsprechend den Erwartungen der politischen Führung zu fällen. ICT fordert die chinesischen Behörden auf, alle Urteile, die gegen Teilnehmer an den Protesten in Tibet vom März 2008 ergangen sind, unter der Teilnahme unabhängiger Beobachter zu überprüfen und in jedem Fall von der Anwendung der Todesstrafe abzusehen. Die Härte der ergangenen Urteile dürfte in keiner Weise geeignet sein zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. Die Spannungen in Tibet dürften dadurch im Gegenteil nur noch erhöht werden.
ICT-Video „20 Years ICT“.