Angespannter Stillstand
Das verbale Dementi zu den Diskussionen über eine mögliche neue Linie gegenüber dem Dalai Lama kam kurz darauf in Gestalt eines der höchsten Repräsentanten der chinesischen Führung, der eigens nach Tibet reiste, um seinen Worten die nötige Wirkung zu verleihen: Yu Zhengsheng ist Mitglied im nur sieben Personen umfassenden Ständigen Komitee des Politbüros und gilt als die Nummer vier in dem hierarchisch organisierten Spitzengremium. Den staatlichen Medien zufolge wiederholte er die bekannten Phrasen von der Notwendigkeit des „absoluten Kampfs gegen die ‚Dalai Clique‘, zur Verwirklichung der nationalen Einheit sowie von Entwicklung und Stabilität für die tibetischen Gebiete“. Zudem wurden in mindestens zwei tibetischen Regionen die harte Linie der chinesischen Regierung gegenüber dem Dalai Lama in offiziellen Bekanntmachungen bekräftigt. Ausdrücklich hieß es darin, dass Abbildungen des Dalai Lama in Klöstern verboten seien. Radio Free Asia meldete, in der Tibetisch Autonomen Präfektur Yushu in der Provinz Qinghai seien private Fahrzeuge nach Dalai Lama-Bildern durchsucht worden. Weitere Einzelheiten zu diesem Thema finden Sie hier.
Widersprüchliche Meldungen gibt es auch in Bezug auf die Gestattung religiöser Zeremonien. So wurde am 20. Juli im Landkreis Gepasumdo (chin.: Tongde) in der Präfektur Tsolho (Provinz Qinghai) ein Kalachakra, eine bedeutende buddhistische Feier, die sich normalerweise über zehn Tage erstreckt, von den Behörden nach drei Tagen abgebrochen. Die lokale Bevölkerung hatte dafür mehrere Hunderttausend Yuan an Spenden gesammelt und einen hochbetagten angesehenen Lama gewinnen können. Fünf größere Klöster waren an der Organisation beteiligt. Auch eine Anzahl chinesischer Buddhisten war eigens für das Ereignis in die abgelegene osttibetische Region gefahren. Ein anderes Kalachakra im Landkreis Dzoege (chin.: Ruo’ergai) in der Präfektur Ngaba der Provinz Sichuan konnte währenddessen stattfinden. Es soll Berichten zufolge viele Tausend Tibeter angezogen haben, Bilder aus Dzoege zeigen eine unübersehbare Menschenmenge. Am Tag der Absage des Kalachakra in Tsolho kam es andernorts in Tibet zu einer Selbstverbrennung Der 18-jährige tibetische Mönch Konchok Sonam zündete sich am 20. Juli vor seinem Kloster im osttibetischen Dzorge (chin.: Ruo’ergai) selbst an und verstarb an seinen schweren Verletzungen. Dzorge liegt in der zur Provinz Sichuan zählenden Tibetisch Autonomen Präfektur Ngaba, die Schauplatz rund eines Drittels der mittlerweile 121 tibetischen Selbstverbrennungen in Tibet und China seit Februar 2009 war.
„Pekinger Pauschalreise“
Warum die Wahl der chinesischen Behörden gerade auf sie gefallen war, konnten sich die drei Reporter offenbar selbst nicht so recht erklären. Wer sich ihre Reportagen anschaut, dürfte zumindest erhebliche Zweifel hegen, ob die chinesischen Organisatoren am Ende mit den Ergebnissen zufrieden waren. In den Berichten findet sich jedenfalls keine Spur von vorgegaukelten Dörfern.
Feiern ohne Volk
Stolz präsentierten die staatlichen Medien der Volksrepublik Chinas den Jahrestag: 1953, 60 Jahre zuvor, war in dem Teil Nordosttibets, der heute verwaltungsmäßig zur Provinz Gansu gehört, die „Tibetisch Autonome Präfektur“ Kanlho (chin.; Gannan) gegründet worden. Gefeiert werden sollten die seither erzielten „Errungenschaften“, darunter nicht zuletzt das „friedliche“ Kanlho. Auf Bildern, die allerdings nicht den Weg in die Staatsmedien fanden, kann man einen Eindruck davon erhalten, wie viel Vertrauen die chinesische Führung in ihre eigenen Worte hat. Dass die lokale Bevölkerung von dem Festakt ausgeschlossen war und eine lange Reihe von Uniformierten den Festplatz vor möglichen Störenfrieden sichern musste, scheint jedenfalls nicht so recht zu passen zu der offiziell verbreiteten Erfolgsgeschichte. Zuletzt hatte Kanlho ohnehin mehr durch gut zwei Dutzend Selbstverbrennungen aus Protest gegen die chinesische Herrschaftspraxis von sich reden gemacht als durch Beispiele des gern propagierten „harmonischen“ Zusammenlebens der Nationalitäten. Ein Blick in die Geschichte macht deutlich, dass es für die tibetische Bevölkerung Kanlhos wenig Grund gibt, der chinesischen Führung besonders viel Sympathie entgegen zu bringen. Die tibetische Bloggerin und Schriftstellerin Woeser hat darauf vor einigen Monaten in einem Auch das bedeutende Kloster Labrang, kulturell und religiös das Herz Kanlhos und einst Heimstatt für fast 4.000 Mönche, weiß einiges davon zu berichten. Zum Ende der Kulturrevolution, so schreibt unser Kollege John Neville im ICT-Blog, war Labrang fast vollständig zerstört und menschenleer. Und das chinesische Programm zur zwangsweisen Ansiedlung der tibetischen Nomaden mit all seinen desaströsen Auswirkungen, wird auch in Gansu energisch vorangetrieben. So kann es nicht verwundern, wenn zur Feier des Ereignisses die staatliche Propaganda darauf verzichtete, ihre Slogans auch auf Tibetisch zu präsentieren. In Tsoe, der Hauptstadt der Präfektur, waren die Banner alleine in Mandarin abgefasst. Anstatt sie – wie sonst üblich – über den Straßen oder an Häuserwänden aufzuspannen, mussten sie für die Jubelbilder von Uniformierten gehalten werden.
Hilfe für Tibet-Projekte
Die für die Projekte in Frage kommenden Themengebiete waren allesamt Herzensanliegen von Galen und Barbara Rowell, einem Ehepaar, das sich zeitlebens in besonderer Weise für Tibet und die Tibeter eingesetzt hat. Die beiden arbeiteten als Fotografen und Journalisten, sie liebten die Natur, besonders die Berge hatten es ihnen angetan, nicht zuletzt die natürliche Schönheit Tibets. Gemeinsam mit dem Dalai Lama erarbeiteten Galen und Barbara das Buch „My Tibet“, in das all das einfloss, was sie miteinander und mit Tibet verband. Nach ihrem tragischen Tod durch einen Flugzeugabsturz vor elf Jahren beschloss der ICT-Vorstand, den nach ihnen benannten „Rowell Fund for Tibet“ ins Leben zu rufen. Gemeinsam mit Galen und Barbara Rowells Angehörigen hält dieser nicht nur die Erinnerung an sie wach, der „Rowell Fund“ konnte seither auch zahlreiche Projekte fördern, die sonst vielleicht nicht hätten umgesetzt werden können. Unter den Empfängern für das Jahr 2013 befindet sich unter anderem das tibetische Kinderbuchprojekt „Wild Yaks“, das sich für die Erhaltung und Förderung der tibetischen Sprache und Kultur einsetzt.
ICT knackt die 10.000!
Die Analyse des Zuspruchs für einzelne Beiträge hat uns nämlich deutlich vor Augen geführt, dass es neben besonderen Ereignissen wie dem Geburtstag des Dalai Lama vor allem unsere Berichte und Nachrichten aus Tibet sind, die bei den Nutzerinnen und Nutzern auf Interesse und Zustimmung stoßen. Ganz offensichtlich erfüllen wir hier die Funktion eines alternativen „Nachrichtenkanals“ jenseits der Mainstreammedien, in denen Tibet allenfalls ein Nischendasein fristen muss. Unsere ICT-Seite auf Facebook dient so als gute und schnelle Möglichkeit, sich zum Thema Tibet auf dem Laufenden zu halten. Neue ICT-Berichte, -Pressemitteilungen oder -Fotos finden Sie dort ebenso wie auch Links zu interessanten Online-Artikeln. Nicht zuletzt haben Sie auf Facebook auch die Gelegenheit, die Einträge zu kommentieren und mit Ihren eigenen Facebook-Freunden zu teilen.
Sollten Sie also schon Mitglied sein, würden wir uns freuen, wenn Sie recht viel von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und uns in Ihrem (Facebook-) Freundes- und Bekanntenkreis weiterempfehlen könnten. Und falls nicht, nehmen Sie ja vielleicht diesen Artikel zum Anlass, um über eine Mitgliedschaft bei Facebook nachzudenken. Machen also auch Sie mit, besuchen Sie unsere
Irmtraut Wäger: Amala – Mein Leben für Tibet
Unsere Arbeit
Tibetische politische Gefangene brauchen unsere Unterstützung!
Seit den landesweiten Protesten im letzten Jahr befinden sich immer noch mehr als 1.200 Tibeter in Haft oder sind „verschwunden“ – und müssen mit großer Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlungen hinnehmen. Der Grund: viele haben auf friedliche Weise gegen die Verhältnisse in Tibet und die Politik Pekings auf dem Hochland protestiert. Grundlegende Rechte werden ihnen damit systematisch vorenthalten.
Die Situation in Tibet ist eine Menschenrechtskrise, die uns alle angeht. Helfen auch Sie wie Schauspieler Hannes Jaenicke bei unserer Kampagne für tibetische Gefangene auf www.missingvoices.net oder sehen Sie ein Statement von Hannes Jaenicke auf unserer Webseite, laden Sie ein eigenes Videostatement hoch oder nehmen Sie an unserer Appellaktion an Staatspräsident Hu Jintao teil!
So können Sie helfen!
ONLINE SPENDEN
So können Sie helfen!
Mit 50 € können 5 warme Decken gegen die Kälte bezahlt werden.
Mit 250 € könnten fünf zusätzliche Betten angeschafft werden.
ICT – News April 2009 Chinesisches Gericht verhängt Todesstrafe gegen Tibeter
Der Meldung zufolge seien zwar alle fünf Angeklagten von Rechtsanwälten vertreten worden. Aus früheren Fällen ist jedoch bekannt, dass eine freie Wahl des Anwalts häufig unmöglich ist. So wurden im vergangenen Jahr 18 engagierte Bürgerrechtsanwälte massiv bedroht, sollten sie ihre Dienste Angeklagten in politisch sensiblen Verfahren anbieten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen internationale Mindeststandards nicht eingehalten werden. Folter und Einschüchterung der Angeklagten sind an der Tagesordnung, die Gerichte stehen unter hohem Druck, ihre Urteile entsprechend den Erwartungen der politischen Führung zu fällen. ICT fordert die chinesischen Behörden auf, alle Urteile, die gegen Teilnehmer an den Protesten in Tibet vom März 2008 ergangen sind, unter der Teilnahme unabhängiger Beobachter zu überprüfen und in jedem Fall von der Anwendung der Todesstrafe abzusehen. Die Härte der ergangenen Urteile dürfte in keiner Weise geeignet sein zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. Die Spannungen in Tibet dürften dadurch im Gegenteil nur noch erhöht werden.
ICT-Video „20 Years ICT“.