Dramatische Zuspitzung
Während in aller Welt Stimmen laut werden, die von der chinesischen Regierung eine Änderung ihrer Tibetpolitik fordern, deuten die Zeichen aus Peking in eine ganz andere Richtung. Immer mehr Einheiten von paramilitärischer Polizei und Armee werden in die Region entsandt, um den Protest im Keim zu ersticken. So wurde bekannt, dass die Behörden den Entzug öffentlicher Mittel für Familien und sogar ganze Dörfer angekündigt haben, in denen sich Selbstverbrennungen ereignet haben. Harte Konsequenzen wurden all denjenigen gedroht, die sich an Beerdigungsfeierlichkeiten beteiligten oder den Familien kondolierten. In einzelnen Landkreisen loben die Behörden enorme Geldsummen für Spitzeldienste aus, um so an die angeblichen „Drahtzieher“ der Selbstverbrennungen zu kommen. Es entsteht der Eindruck, die chinesische Politik sei Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden, der zufolge Kräfte im Ausland die nach dieser Sichtweise glücklichen und zufriedenen Tibeter aufwiegele. Ob die auf dem KP-Parteitag installierte neue Führung zu einer davon abweichenden Sicht auf die Folgen ihrer Politik in Tibet imstande ist, bleibt daher äußerst fraglich.
Die dramatische Zunahme der Selbstverbrennungen andererseits scheint darauf hinzudeuten, dass der Protest gegen die chinesische Herrschaft einigen Rückhalt in der Bevölkerung genießt. Waren es zu Beginn vor allem Mönche und Nonnen, die sich selbst anzündeten, verzeichneten die letzten Monate eine deutlich höher Anzahl von Selbstverbrennungen von Laien. Und der Umstand, dass sich trotz aller Drohungen Hunderte, ja manchmal Tausende Tibeter öffentlich versammelten, um der Toten zu gedenken, lässt ebenfalls auf eine breite Unterstützung des Protests schließen.
Starke Statements
Nicht zuletzt fordert Navi Pillay die chinesische Regierung dazu auf, zur Vertrauensbildung unabhängige und unparteiische Beobachter in die Region reisen zu lassen, um sich vor Ort ein Bild der Lage machen zu können. Ebenso sollten die Beschränkungen für eine unabhängige Berichterstattung aus Tibet aufgehoben werden, wo für ausländische Journalisten, aber zunehmend auch für Touristen, eine freie Bewegung praktisch unmöglich ist. Der vollständige englische Text von Pillays Stellungnahme ist hier nachzulesen. Die International Campaign for Tibet begrüßte die Äußerungen von Frau Pillay ausdrücklich. Wenigstens in Teilen dürften sich diese auch den Bemühungen der ICT verdanken, den in Genf ansässigen UN-Menschenrechtsrat regelmäßig mit den aktuellen Entwicklungen in Tibet vertraut zu machen.
Auch vom Europaparlament und von Seiten der Bundesregierung gab es klare Worte in Richtung Peking. So sprach die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament, Barbara Lochbihler, anlässlich einer China-Reise von einer klaren „Verschlechterung der Lage“ in Tibet, die sich in der Serie von Selbstverbrennungen spiegele. Die neue Führung in Peking forderte sie in einem Interview auf, „das Gespräch mit dem Dalai Lama suchen und die Rechte der tibetischen Bevölkerung stärken.“
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, erklärte am 21. November, die neue Führung werde „sich auch an der Achtung der Menschenrechte messen lassen müssen.“ Ausdrücklich unterstütze Löning den Aufruf der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, „die auch auf die Lage in Tibet angesichts der fortgesetzten Selbstverbrennungen hingewiesen“ habe. Er sprach sich ebenfalls für die „Zulassung internationaler Beobachter“ sowie eine Politik aus, „die Spannungen abbaut und die Gründe der tiefen Unzufriedenheit in Tibet berücksichtigt“. Den Wortlaut von Lönings Erklärung finden Sie hier.
Mercedes sponsert KP-Propaganda
Aus Sicht der International Campaign for Tibet wirft dieses Engagement von Mercedes-Benz und damit der Muttergesellschaft Daimler AG einige Fragen auf. In einem Brief an den Daimler-Vorstandsvorsitzenden Dr. Dieter Zetsche schrieb ICT-Geschäftsführer Kai Müller: „Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Veranstaltungsreihe allein dem Zweck der propagandistischen Untermauerung der Einparteienherrschaft in China dient und Prinzipien wie Pluralismus, Meinungsfreiheit und Transparenz in eklatanter Weise zuwiderläuft. Konkrete Folge dieses Mangels an Pluralismus ist aktuell die Inhaftierung zahlreicher Personen im Vorfeld des Parteikongresses.“ Konkret wollte er in dem Schreiben wissen, mit welchen Mitteln Mercedes-Benz die Veranstaltungsreihe unterstützt habe und ob auch Daimler-Repräsentanten dabei zugegen gewesen seien. Kai Müller weiter: „Teilt die Daimler AG das Ziel der Veranstalter, am Vorabend des Nationalen Kongresses der KP Chinas eine ‚fröhliche und harmonische Atmosphäre zu schaffen, um das siegreiche Zusammenkommen des 18. Nationalen Kongresses der Kommunistischen Partei zu grüßen‘? Teilt die Daimler AG die Auffassung, dass der Kommunistischen Partei Chinas als einziger zugelassener Partei in der Volksrepublik China die ‚Führerschaft‘ (vgl. Verfassung der VR China) des Landes zusteht?
Die ICT hat große Zweifel, ob diese Unterstützung einer Propagandaveranstaltung vereinbar ist mit mit den Prinzipien des von der Daimler AG unterzeichneten Global Compacts der Vereinten Nationen, der vorsieht, dass „Unternehmen den Schutz der internationalen Menschenrechte unterstützen und achten“ sollen. Auch ist fraglich, ob diese Aktivitäten mit der „Richtlinie für integres Verhalten“ und dem unternehmerischen Leitbild der Daimler AG in Einklang stehen kann. In ihrem Schreiben forderte die ICT, die Daimler AG möge derartige Sponsoringaktivitäten in der Volksrepublik China zukünftig unterlassen und sich stattdessen aktiv für die Wahrung von grundlegenden Menschenrechten einsetzen.
Ehrung für inhaftierten Tibeter
Die Furcht hinter sich zu lassen war das Anliegen Dhondup Wangchens, als er zwischen Oktober 2007 und März 2008 mehr als 100 Interviews mit Tibetern führte und daraus den Dokumentarfilm „Leaving Fear Behind“ erstellte. Obwohl sie wussten, welches Risiko sie damit eingingen, berichteten die Menschen dem Amateurfilmer in ungewohnter Offenheit über ihre Lebenswelt und Vorstellungen. Der Preis, den Dhondup Wangchen für den Film zahlen musste, war hoch. Am 26. März 2008 wurde er im Kreis Tongde in der Provinz Quinghai verhaftet und schließlich im Dezember 2009 nach einem unfairen Verfahren von einem chinesischen Gericht wegen „Anstiftung zum Separatismus“zu sechs Jahren Haftstrafe verurteilt. Wie sein Anwalt berichtete, sei Dhondup Wangchen während der Haft gefoltert und misshandelt worden.
Von Beginn an setzte sich die International Campaign for Tibet für Dhondup Wangchen ein. Sie betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen, der allein aufgrund seiner friedlichen Meinungsäußerung in Haft genommen und verurteilt worden ist, und fordert seine bedingungslose Freilassung. Auf unserer Webseite finden Sie hier weitere Einzelheiten zu seinem Fall und darin enthalten auch Hinweise, wie Sie sich mit einer Petition an die zuständigen chinesischen Behörden persönlich für ihn einsetzen können. Eine Word-Datei mit einem Textvorschlag finden Sie hier auf unserer Petitionsseite.
Spendensammeln im Advent
Daher möchten wir Ihnen hier eine Möglichkeit präsentieren, wie Sie Ihre Geschicklichkeit im Umgang mit Papier, Schere und Klebstift mit Ihrem Engagement für Tibet verbinden können. Dazu haben wir zwei Bastelvorlagen für die neue ICT-Spendenbox auf unsere Homepage gestellt und ein kleines Video mit der Bauanleitung gleich dazu. Die Herstellung der Spendenbox sollte auch ungeübten Bastlern keine schlaflosen Nächte bereiten.
Mit einer selbst gebastelten ICT-Spendenbox können Sie Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen bitten, die Anliegen des tibetischen Volkes mit einer Spende zu unterstützen. Gerade in der Adventszeit dürfen Sie darauf hoffen, damit Gehör zu finden. Die ICT-Spendenbox können Sie fast überall aufstellen, z. B. wenn Sie Freunde und Bekannte zu sich nach Hause einladen, auf Ihrem Schreibtisch an Ihrem Arbeitsplatz oder auch auf Informationsveranstaltungen. Wie es geht, erfahren Sie
Irmtraut Wäger: Amala – Mein Leben für Tibet
Unsere Arbeit
Tibetische politische Gefangene brauchen unsere Unterstützung!
Seit den landesweiten Protesten im letzten Jahr befinden sich immer noch mehr als 1.200 Tibeter in Haft oder sind „verschwunden“ – und müssen mit großer Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlungen hinnehmen. Der Grund: viele haben auf friedliche Weise gegen die Verhältnisse in Tibet und die Politik Pekings auf dem Hochland protestiert. Grundlegende Rechte werden ihnen damit systematisch vorenthalten.
Die Situation in Tibet ist eine Menschenrechtskrise, die uns alle angeht. Helfen auch Sie wie Schauspieler Hannes Jaenicke bei unserer Kampagne für tibetische Gefangene auf www.missingvoices.net oder sehen Sie ein Statement von Hannes Jaenicke auf unserer Webseite, laden Sie ein eigenes Videostatement hoch oder nehmen Sie an unserer Appellaktion an Staatspräsident Hu Jintao teil!
So können Sie helfen!
ONLINE SPENDEN
So können Sie helfen!
Mit 50 € können 5 warme Decken gegen die Kälte bezahlt werden.
Mit 250 € könnten fünf zusätzliche Betten angeschafft werden.
ICT – News April 2009 Chinesisches Gericht verhängt Todesstrafe gegen Tibeter
Der Meldung zufolge seien zwar alle fünf Angeklagten von Rechtsanwälten vertreten worden. Aus früheren Fällen ist jedoch bekannt, dass eine freie Wahl des Anwalts häufig unmöglich ist. So wurden im vergangenen Jahr 18 engagierte Bürgerrechtsanwälte massiv bedroht, sollten sie ihre Dienste Angeklagten in politisch sensiblen Verfahren anbieten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen internationale Mindeststandards nicht eingehalten werden. Folter und Einschüchterung der Angeklagten sind an der Tagesordnung, die Gerichte stehen unter hohem Druck, ihre Urteile entsprechend den Erwartungen der politischen Führung zu fällen. ICT fordert die chinesischen Behörden auf, alle Urteile, die gegen Teilnehmer an den Protesten in Tibet vom März 2008 ergangen sind, unter der Teilnahme unabhängiger Beobachter zu überprüfen und in jedem Fall von der Anwendung der Todesstrafe abzusehen. Die Härte der ergangenen Urteile dürfte in keiner Weise geeignet sein zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. Die Spannungen in Tibet dürften dadurch im Gegenteil nur noch erhöht werden.
ICT-Video „20 Years ICT“.