Dalai Lama-Empfang im Weißen Haus
Obwohl der Empfang des Dalai Lama im Weißen Haus bereits seit langem angekündigt war, werteten ihn manche Beobachter als Indiz für die zunehmend schwierigen Beziehungen zwischen den USA und der Volksrepublik China. Ernüchterung hat sich breit gemacht ob der zuletzt unkooperativen Haltung der chinesischen Regierung etwa in Fragen von Klimawandel oder Wirtschaftsbeziehungen. Dass Obama in der Tibetfrage gegenüber Peking zunächst eine zurückhaltende Strategie verfolgt und deshalb den Dalai Lama nicht bereits im Oktober anlässlich von dessen Besuch in den USA empfangen hatte, scheint zudem in Peking als Akt der Schwäche bewertet worden zu sein. Diesem Eindruck will Washington nun offenbar entgegentreten. Klar scheint dort zu sein: Die Aufgabe von Positionen und wankelmütiges Auftreten führen nicht zu einem kooperativeren Verhalten der chinesischen Regierung.
So wird die Tibetfrage zu einem Test für die internationale Gemeinschaft, wie sie mit einem zunehmend selbstbewussten China umgehen will. Die International Campaign for Tibet hat aus Anlass des Meetings im Weißen Haus die neue „EU-Außenministerin“ Catherine Ashton aufgefordert, den Dalai Lama nach Europa einzuladen (Einzelheiten hier). Auch um damit klarzustellen, dass der Dalai Lama in Europa willkommen ist, und um zu verhindern, dass auf Mitgliedsstaaten, die den Dalai Lama empfangen wollen, von chinesischer Seite massiv Druck ausgeübt wird und diese sich in der Folge innereuropäischer Solidarität nicht sicher sein können.
Einen überraschenden Effekt hatte das Treffen im Weißen Haus in Tibet selbst, wo sich der rigorosen chinesischen Medienzensur zum Trotz die Neuigkeit offenbar in Windeseile verbreitet hatte. Zufälligerweise lag der Termin des Empfangs auf dem tibetischen Neujahrsfest Losar. In diesem Jahr wurde es von den Tibetern in überaus nüchterner Weise begangen – wenigstens zu Beginn der üblicherweise mehrere Tage dauernden Feierlichkeiten. Grund dafür: der Dalai Lama hatte am 14. Februar in seiner Neujahrsbotschaft dazu aufgerufen, keine überschwänglichen Feiern abzuhalten, sondern sich lediglich auf die religiös gebotenen Zeremonien zu beschränken. Vier Tage später allerdings dann ein gänzlich anders Bild. „Die Atmosphäre war völlig verwandelt. Die Menschen zündeten Feuerwerk und Knallkörper“ berichtete eine tibetische Exilquelle. Die Menschen seien in die Klöster gefahren, um gemeinsam mit den Mönchen zu feiern und in Gebeten dem Dalai Lama ein langes Leben zu wünschen (englischsprachiges Nachrichtenvideo hier). In ähnlicher Weise hatten die Tibeter bereits die Verleihung der Goldmedaille des US-Kongresses an den Dalai Lama im Oktober 2007 gefeiert.
Jahrestag des Volksaufstands von 1959
So flatterten am 10. März auch auf der Jannowitzbrücke in Berlin, direkt gegenüber der chinesischen Botschaft, zahlreiche Tibet-Fahnen im eisigen Wind. Gut 150 Menschen zeigten auf diese Weise den Botschaftsangehörigen hinter ihren verspiegelten Scheiben, dass die Tibeterinnen und Tibeter nicht vergessen sind, deren Menschenrechte in China auch 51 Jahre nach der erzwungenen Flucht des Dalai Lama aus Lhasa immer noch mit Füßen getreten werden. Zu der Kundgebung aufgerufen hatten neben der International Campaign for Tibet auch die Tibet-Initiative Deutschland und der Verein der Tibeter in Deutschland. In seiner Ansprache erinnerte ICT-Geschäftsführer Kai Müller an die zahlreichen drakonischen Strafen für Tibeter, zu denen es in jüngster Zeit gekommen ist. Exemplarisch verwies er dabei auf Fälle, wie den des Filmemachers Dhondup Wangchen und des Geistlichen Phurbu Rinpoche, die beide zu langjähriger Haft verurteilt wurden, oder an Loyak und Lobsang, die im vergangenen Jahr nach offenkundig unfairen Prozessen zum Tode verurteilt und hingerichtet worden waren. Müller forderte in seiner Rede ein stärkeres Engagement der Europäer für eine friedliche und gerechte Lösung der Tibetfrage. Wörtlich sagte er: „Wir fordern von der EU-Außenministerin Ashton, den Dalai Lama zu empfangen und damit ein klares Zeichen der Unterstützung für Tibet setzen. Europa darf sich nicht auseinanderdividieren lassen. Frau Ashton: laden Sie den Dalai Lama nach Brüssel ein!“
Verlesen wurde bei der Kundgebung auch die Erklärung des Dalai Lama zum Jahrestag des Volksaufstands. Online ist diese in deutscher Übersetzung hier nachzulesen. Darin betonte er seine Anerkennung für den Mut der Tibeter, die trotz massiver Unterdrückung entschlossen für eine Bewahrung ihrer kulturellen Identität einstehen, lobte aber auch die Unterstützung vieler chinesischer Intellektueller, die erkannt hätten, dass Gegenstand der Tibetfrage nicht Differenzen zwischen dem tibetischen und dem chinesischen Volk sei. Vielmehr sei diese begründet in der orthodoxen Politik der chinesischen Führung.
Bereits im Vorfeld des Jahrestages hatten die Spannungen in Nepal zugenommen. So wurde am 7. März der inoffizielle Vertreter des Dalai Lama in Kathmandu, Thrinley Gyatso, festgenommen und erst nach stundenlangen Verhören und Einschüchterungsversuchen wieder freigelassen. Zudem versuchte die nepalesische Polizei mit starker Präsenz Kundgebungen von Tibetern aus Anlass des Jahrestages zu verhindern. Die International Campaign for Tibet (ICT) beobachtet den zunehmend harten Umgang der nepalesischen Regierung mit tibetischen Flüchtlingen mit großer Sorge. Der Geschäftsführer von ICT-Deutschland, Kai Müller, dazu: „Nepal erhofft sich Vorteile aus einer Annäherung an Peking und gibt deshalb dem Druck der chinesischen Regierung in der Tibetfrage nach. Dieses Vorgehen birgt große Risiken sowohl für Tibeter, die in Nepal leben, als auch für die nepalesische Bevölkerung selbst.“ Mehr Informationen dazu finden Sie hier.
Todesurteil für tibetischen Bauern
Die nun bekannt gewordenen Urteile fügen sich nahtlos ein in eine ganze Reihe von drakonischen Strafen mit deutlich politischer Motivation. Erinnert sei an die Urteile gegen den Filmemacher Dhondup Wangchen, den Geistlichen Phurbu Rinpoche oder Kunchok Tsephel, den Betreiber einer Kultur-Webseite, die alle unlängst zu langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Das Todesurteil gegen Pema Yeshi ist indes in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. In den anderen im letzten Jahr bekannt gewordenen Fällen von Verhängung der Todesstrafe, lautete der Tatvorwurf auf Brandstiftung mit Todesfolge. In Pema Yeshis Fall hingegen war niemand zu Tode gekommen. Zudem handelt es sich dabei um das erste Todesurteil, das nicht wegen einer im März 2008 begangenen Tat verhängt wurde, als es in allen tibetischen Gebieten zu massiven und weit überwiegend friedlichen Protesten gegen die chinesische Unterdrückung gekommen war. Vielmehr scheint die Motivation von Pema Yehi, Sonam Gonpo und Tsewang Gyatso aus der Verschärfung der Unterdrückung zu resultieren, die nach der Niederschlagung der Proteste in ganz Tibet eingesetzt hat.
Spanische Justiz stellt Ermittlungen gegen China ein
Richter Pedraz verkündete nun Ende Februar, dass er seine Ermittlungen und damit das ganze Verfahren einstelle. Zwar habe es sich bei der gewaltsamen Unterdrückung der Proteste in Tibet im März 2008 um eine Menschenrechtsverletzung gehandelt, doch falle diese nicht mehr in die Zuständigkeit der spanischen Justiz. Damit zog Pedraz die Konsequenz aus der inzwischen geänderten Rechtslage. Unter starkem Druck nicht nur Chinas sondern auch Israels, der USA und weiterer Staaten hatte das spanische Parlament im vergangenen Jahr das entsprechende Gesetz dahingehend geändert, dass die spanischen Gerichte nur noch dann tätig werden dürfen, wenn ein direkter Bezug zu Spanien hergestellt werden kann, beispielsweise weil spanische Bürger betroffen sind. Damit verabschiedete sich Spanien vom so genannten „Weltrechtsprinzip“. Danach können im Falle von Verbrechen gegen die Menschlichkeit alle Staaten juristisch tätig werden, auch wenn es keine direkte Verbindung zwischen Tatland und Anklageland gibt. Das international bekannteste Beispiel für ein Vorgehen nach dem Weltrechtsprinzip betraf den chilenischen Diktator Augusto Pinochet, der im Jahr 1998 in Großbritannien festgenommen worden war, nachdem Spanien einen Auslieferungsantrag gestellt hatte.
„Women in Tibet“ – Der ICT-Kalender 2010 jetzt günstiger
Vielleicht suchen Sie ja noch ein kleines Frühlingsgeschenk für Ihre Lieben. Mit dem Kauf dieses oder weiterer Produkte aus unserem Tibet-Shop unterstützen Sie direkt unseren Einsatz für die Wahrung der Menschenrechte in Tibet.
Unsere Arbeit
Tibetische politische Gefangene brauchen unsere Unterstützung!
Seit den landesweiten Protesten im letzten Jahr befinden sich immer noch mehr als 1.200 Tibeter in Haft oder sind „verschwunden“ – und müssen mit großer Wahrscheinlichkeit Folter und Misshandlungen hinnehmen. Der Grund: viele haben auf friedliche Weise gegen die Verhältnisse in Tibet und die Politik Pekings auf dem Hochland protestiert. Grundlegende Rechte werden ihnen damit systematisch vorenthalten.
Die Situation in Tibet ist eine Menschenrechtskrise, die uns alle angeht. Helfen auch Sie wie Schauspieler Hannes Jaenicke bei unserer Kampagne für tibetische Gefangene auf www.missingvoices.net oder sehen Sie ein Statement von Hannes Jaenicke auf unserer Webseite, laden Sie ein eigenes Videostatement hoch oder nehmen Sie an unserer Appellaktion an Staatspräsident Hu Jintao teil!
So können Sie helfen!
ONLINE SPENDEN
So können Sie helfen!
Mit 50 € können 5 warme Decken gegen die Kälte bezahlt werden.
Mit 250 € könnten fünf zusätzliche Betten angeschafft werden.
ICT – News April 2009 Chinesisches Gericht verhängt Todesstrafe gegen Tibeter
Der Meldung zufolge seien zwar alle fünf Angeklagten von Rechtsanwälten vertreten worden. Aus früheren Fällen ist jedoch bekannt, dass eine freie Wahl des Anwalts häufig unmöglich ist. So wurden im vergangenen Jahr 18 engagierte Bürgerrechtsanwälte massiv bedroht, sollten sie ihre Dienste Angeklagten in politisch sensiblen Verfahren anbieten. Generell muss davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen internationale Mindeststandards nicht eingehalten werden. Folter und Einschüchterung der Angeklagten sind an der Tagesordnung, die Gerichte stehen unter hohem Druck, ihre Urteile entsprechend den Erwartungen der politischen Führung zu fällen. ICT fordert die chinesischen Behörden auf, alle Urteile, die gegen Teilnehmer an den Protesten in Tibet vom März 2008 ergangen sind, unter der Teilnahme unabhängiger Beobachter zu überprüfen und in jedem Fall von der Anwendung der Todesstrafe abzusehen. Die Härte der ergangenen Urteile dürfte in keiner Weise geeignet sein zu einer Beruhigung der Lage beizutragen. Die Spannungen in Tibet dürften dadurch im Gegenteil nur noch erhöht werden.
ICT-Video „20 Years ICT“.