Berlin, 5. Juni 2020. Der belgische Presserat CDJ („Conseil de déontologie journaliste“) hat der Tageszeitung „Le Soir“ ethisches Fehlverhalten attestiert, weil sie es versäumt habe, Werbeinhalte der staatlichen chinesischen Presseagentur Xinhua richtig darzustellen. In einer am 20. Mai veröffentlichten Stellungnahme des CDJ heißt es, die Maßnahmen, die „Le Soir“ ergriffen habe, um der Öffentlichkeit „eine offensichtliche und unzweifelhafte visuelle Unterscheidung zwischen dem journalistischen Inhalt der Redaktion und zwei von der offiziellen Presseagentur Xinhua unterzeichneten Werbeseiten“ zu ermöglichen, seien unzureichend gewesen und hätten gegen Artikel 13 (Verwechslung von Werbung und Sachinformation) des Ethik-Kodex verstoßen. Der Rat kam daher zu dem Schluss, dass „Le Soir“ ethisches Fehlverhalten vorzuwerfen sei und bat die Zeitung, ihre Leser darüber zu informieren. Die International Campaign for Tibet (ICT) hatte eine entsprechende Beschwerde eingebracht.
Vincent Metten, ICT-Direktor für EU-Politik in Brüssel, der die Beschwerde eingereicht hatte, sagte dazu: „Die Entscheidung des CDJ ist ein Schritt in die richtige Richtung und ist ein wichtiger Präzedenzfall. Unser Ziel ist es, dass es ‚Le Soir‘ und alle anderen Zeitungen grundsätzlich unterlassen, derartige Inhalte staatlicher chinesischer Medien zu veröffentlichen. Insbesondere bezahlte Werbebeilagen sind Propagandainstrumente und bedrohen die Unabhängigkeit unserer Medien“. Mehrere Schreiben, die ICT in dieser Sache an „Le Soir“ gesandt hatte, blieben unbeantwortet.
Bereits 1992 erschienen in den Vereinigten Staaten bezahlte Werbebeilagen der offiziellen Presseorgane der Kommunistischen Partei Chinas. Später übernahmen auch europäische Zeitungen diese Praxis und schlossen entsprechende Vereinbarungen mit der Zeitung „China Daily“ oder mit Xinhua über die Veröffentlichung solcher Beilagen. Neben der belgischen „Le Soir“ zählen dazu auch „Le Figaro“ und „Le Monde“ in Frankreich, „El Pais“ in Spanien und das „Handelsblatt“ in Deutschland (auch die Anfragen von ICT an „Le Figaro“, „Le Monde“ und „Handelsblatt“ blieben bisher unbeantwortet). Unlängst haben einige Zeitungen beschlossen, ihre Zusammenarbeit mit chinesischen Staatsmedien zu beenden, darunter die „Süddeutsche Zeitung“, die „New York Times“ und seit kurzem auch der britische „Daily Telegraph“. Diese Beilagen sollen offenbar vor allem zwei Zielen dienen: zum einen der Verbreitung der Narrative der Kommunistischen Partei, indem der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei den Beilagen um ganz normale redaktionelle Inhalte, zum anderen sollen die Zeitungen in wirtschaftliche Abhängigkeit geraten und anfällig werden für den Einfluss Pekings auf redaktionelle Entscheidungen.
Pressefreiheit existiert nicht in China, und einige staatlich kontrollierte Medien beteiligen sich aktiv an der Einschüchterung von Menschenrechtsaktivisten, Bloggern, Buchhändlern, Redakteuren und Journalisten, um sie dazu zu bringen, ihre angeblichen Vergehen zu „gestehen“ und sie öffentlich zu demütigen. Dazu sagte Kai Müller, Geschäftsführer von ICT in Deutschland: „Diese Methoden verletzen Menschenrechte und Grundfreiheiten, sie schüchtern Andersdenkende ein und tragen zu dem zunehmend repressiven Klima im China von Staats- und Regierungschef Xi Jinping bei. ‚China Daily‘ und Xinhua sind integraler Bestandteil dieser Unterdrückung“, so Müller. Der ICT-Geschäftsführer weiter: „Es ist notwendig, solche Medien in ihre Schranken zu verweisen. Was wir brauchen ist eine freie und unabhängige Presse, die grundlegende demokratische Werte respektiert“, so Müller.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.