50 Jahre Demokratie im Exil

Am 2. September 2010 haben Tibeter den fünfzigsten Jahrestag der Einführung demokratischer Strukturen im Exil gefeiert. Als Organisation, die Menschenrechten in Tibet und Demokratie verpflichtet ist, haben wir zusammen mit ihnen gefeiert. Doch es ist eine tragische Fügung, dass die Entwicklung hin zu demokratischen Strukturen erst dann seinen Anfang nehmen konnte, als der Dalai Lama 1959 aus Tibet nach Indien fliehen musste. Erst im indischen Exil hatte er freie Hand, über ein demokratisches Regierungssystem zu entscheiden. Heute dient die „Tibetische Zentralverwaltung“ im indischen Dharamsala (allgemein bekannt als „Tibetische Exilregierung“) als demokratische Institution der Tibeter im Exil.
Durch diese Veränderungen im Regierungssystem hat der Dalai Lama nichts weniger als eine gesellschaftliche Revolution bewirkt und das alte Regierungssystem des “Gadhen Phodrag” maßgeblich reformiert, das schon unter dem 5. Dalai Lama im 17. Jahrhundert etabliert worden war.
Dieser Wandel bedeutet für das tibetische Volk drei Dinge:
Erstens: Alle Tibeter, die in Freiheit leben, leben unter einer Regierung, die durch das Volk legitimiert ist. Anders als in der „alten Gesellschaft“ (so wie die chinesische Regierung die Regierungsform vor ihrer Ankunft in Tibet gern bezeichnet) ist das heutige System dem Volk verantwortlich. Die Tibeter betrachten die Zentralverwaltung daher auch als „ihre“ Regierung.
Zweitens: Alle Tibeter, die in Freiheit leben, leben ohne Klassenhierarchien – sie sind vor dem Gesetz gleich. In den alten Strukturen dominierten Adlige, Lamas und Stammesführer. Das demokratische System erlaubt nunmehr allen Tibetern ungeachtet von Herkunft, Alter, Geschlecht, ob Geistlicher oder nicht, sich am gesellschaftlichen Leben im vollen Umfang zu beteiligen.
Drittens: Tibeter, die in Freiheit leben, sind durch die Institutionen des Rechtsstaats geschützt. Durch die Verabschiedung einer vorläufigen Verfassung für Tibet 1963 und die Annahme einer Charta der Tibeter im Exil 1991 existiert ein verbindlicher Rahmen für das Handeln der Exilverwaltung, der überdies von einem gewählten Parlament beschlossen worden ist.
Wenn wir über tibetische Demokratie reden, dann müssen wir aber auch einen Blick über die Verwaltung in Dharamsala hinaus werfen. Die Mehrheit der Tibeter im Exil lebt in verschiedenen Siedlungen auf dem indischen Subkontinent. Nach 1959 haben gerade diese verstreuten Gemeinschaften begonnen, eine Graswurzeldemokratie von unten zu leben. Die Siedlungen sind in verschiedene „Lager“ unterteilt, deren Alltagsgeschäfte von einem direkt gewählten Lagerleiter und Sektionsleitern geführt werden. Darüber hinaus sind viele dieser Siedlungen landwirtschaftlich geprägt und die Erzeuger sind in Kooperativen organisiert, die eine herausragende Rolle im Leben der Siedlungsbewohner spielen. Diese Kooperativen werden von einem Vorstand geleitet, der wiederum direkt von den Tibetern gewählt wird.
Die Tibeter im Exil haben einen demokratischen Weg beschritten und sie stehen vor den gleichen Herausforderungen wie andere demokratische Gemeinschaften auch. Viele Tibeter müssen sich allerdings noch besser mit ihren Rechten und Pflichten in diesem System vertraut machen. Wichtiger jedoch ist, dass sich die tibetische Exilverwaltung vergegenwärtigt, dass in den vergangenen 50 Jahren massive gesellschaftliche Veränderungen stattgefunden haben und eine Politik formuliert wird, die diesen Veränderungen Rechnung trägt.
Bhuchung Tsering ist Vize-Präsident der International Campaign for Tibet. Geboren in Tibet, floh er mit seiner Familie 1960 nach Indien und absolvierte an der Universität Delhi ein Studium in Englischer Literatur. Er arbeitete in Neu Delhi als Journalist für die indische Tageszeitung "Daily Express", bevor er 1984 für die Tibetische Exilverwaltung nach Dharamsala ging. Bis 1995 war er dort als Redakteur des "Tibetan Bulletin", der offiziellen Informationsschrift der Tibetischen Exilverwaltung, beschäftigt.

Der Artikel ist zuerst in englischer Sprache im Blog der International Campaign for Tibet erschienen. Es gilt der Wortlaut des englischen Originals.

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