Tibet-Politik
29. Januar 2005
Berlin, 29. Januar 2005: Die nepalesische Regierung hat angeordnet, die Vertretung des Dalai Lama und das Tibetan Refugees Welfare Office (Büro für tibetische Flüchtlingsfürsorge, TRWO) in Kathmandu zu schließen. Beide Büros haben ihre Tätigkeit zunächst eingestellt. Der TRWO ist in Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingskomissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) mit der Fürsorge für tibetische Flüchtlinge beauftragt. Zurzeit befinden sich etwa 1.000 neu aus Tibet eingetroffene Flüchtlinge im Empfangszentrum in Nepal, das vom TRWO geleitet wird.
"Wir sind sehr besorgt über die neu in Nepal angekommenen Flüchtlinge. Der Verlust von einem oder beiden dieser Büros in Kathmandu würde dazu beitragen, die schwierige Situation für Tibeter in Nepal weiter zu verschlechtern. Dies gilt sowohl für die neue angekommenen Flüchlinge als auch die derzeit legal in Nepal lebenden Tibeter" sagte Dr. Gudrun Henne, Geschäftsführerin der International Campaign for Tibet Deutschland (ICT).
Eine Schließung des TRWO auf Dauer würde bedeuten, dass das Flüchtlingskommissariat der UN keinen rechtmäßigen Partner bei der Umsetzung der Hilfe für die etwa 2.500 tibetische Flüchtlinge mehr hätte, die jedes Jahr von Tibet über Nepal nach Indien fliehen. Normalerweise reisen tibetische Mitarbeiter des TRWO reisen im Auftrag des UNHCR in die Grenzregionen, um dort sicherzustellen, dass tibetische Flüchtlinge nicht gewaltsam von nepalesischen Sicherheitskräften zurück nach Tibet abgeschoben werden. Seit der Schließung können die Mitarbeiter des TRWO solche Sicherheitsmissionen nicht mehr unternehmen. Üblicherweise kommen im Januar besonders viele neue Flüchtlinge nach Nepal.
Am 21. Januar wurde dem Vertreter Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und dem TRWO in Kathmandu eine schriftliche Mitteilung vom leitenden Bezirksbüro Kathmandus, einem Verwaltungsbüro des nepalesischen Innenministeriums, übergeben. Die Mitteilung befahl beiden Büros die sofortige Schließung mit der Begründung, sie seien in Kathmandu nicht registriert. Beide Büros sind seit Jahrzehnten in Nepal tätig.
"Wir rufen die nepalesische Regierung auf, beiden Büros zu erlauben, sich unter nepalesischem Recht registrieren zu lassen und ihre wichtigen Tätigkeiten weiterzuverfolgen," sagte Henne. "Die ICT wird mit den betroffenen Regierungen zusammenarbeiten. Wir werden sie auffordern, die Tibeter während dieser schwierigen Zeit zu unterstützen, indem sie ihren Einfluss in Nepal nutzen, um den Bemühungen, diese tibetischen Büros zu schließen, entgegenzuwirken."
Tibetische Flüchtlinge, die über Nepal nach Indien fliehen oder legal in Nepal leben, sahen sich in den vergangenen Jahren einer zunehmend unsicheren Position in dem politisch instabilen Nepal ausgesetzt. Die chinesische Regierung hat ihren direkten politischen Druck auf die nepalesischen Innen- und Außenministerien vergrößert. China hat außerdem die Handelsbeziehungen zu Nepal ausgebaut und die Regierung offen in ihrer Auseinandersetzung mit dem maoistischen Aufstand unterstützt. Die nepalesische Regierung berichtete der ICT zuvor von zu nehmenden Druck seitens Chinas.
Chinas Botschafter in Nepal, Sun Heping, sagte letztes Jahr, dass Tibet "Chinas größte Sorge bezüglich Nepal" sei. In seiner Rede an den nepalesischen Rat für Weltgeschehen vom 28. Mai 2004 mit dem Titel "Chinas Außenpolitik in Südasien" sagte Botschafter Sun: "Wir schätzen sehr, dass die königliche Regierung Nepals sich der Ein-China-Politik verpflichtet hat, dass sie versteht, wie wichtig die Tibetangelegenheit für China ist und niemals zulässt, dass auf nepalesischem Boden gegen China gerichtete Aktivitäten durchgeführt werden."
Derzeit leben etwa 20.000 tibetische Flüchtlinge in Nepal. Diesen Tibetern drohen viele Schwierigkeiten, da sie keine offizielle Arbeitserlaubnis haben – weder als Selbstständige noch als Angestellte. Außerdem ist es ihnen offiziell nicht erlaubt, ein eigenes Geschäft oder Grundstück zu besitzen. Sowohl der TRWO als auch die Vertretung des Dalai Lama helfen den Flüchtlingen in Angelegenheiten wie der Erneuerung der Ausweise, der Kommunikation mit der Tibetischen Regierung-im-Exil in Dharamsala, Indien, und der Registrierung von Neugeborenen.
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Dr. Gudrun Henne
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