Tibet-Politik

Erklärung des Sonderabgesandten Lodi Gyaltsen Gyari, Leiter der
Delegation nach China und Tibet

28. September 2002
Von unserem Besuch in Beijing, Chengdu, Shanghai, der tibetischen Hauptstadt Lhasa, und Gebieten in Nyingtri und Shigatse kehrten wir am 27. September 2002 nach Dharamsala, Indien, zurück.
Meinem Kollegen, dem Abgesandten Kelsang Gyaltsen und mir oblagen auf dieser Reise zweierlei Aufgaben: Zum einen sollten wir den direkten Kontakt mit der Führung in Beijing wiederherstellen und eine förderliche Atmosphäre schaffen, die regelmäßige persönliche Treffen in der Zukunft ermöglicht. Zum anderen war es unsere Aufgabe, die Politik des Mittleren Weges zur Lösung der Tibetfrage, die Seine Heiligkeit der Dalai Lama vertritt, zu erklären. Diese Ziele leiteten uns während der gesamten Reise.
Dementsprechend konzentrierten wir unsere Anstrengungen darauf, Vertrauen aufzubauen, indem wir uns bemühten, Misstrauen und Missverständnisse auszuräumen. Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama werden wir über unsere Reise Bericht erstatten. Über die Jahre hinweg hat Seine Heiligkeit kontinuierlich Anstrengungen unternommen, um den Kontakt mit der chinesischen Führung wiederherzustellen. Seine Heiligkeit begrüßte diese positive Geste der Führung in Peking, uns in Beijing zu empfangen und war hoch erfreut, dass ein erneuter Kontakt hergestellt wurde. Er wies uns an, die geschaffene Möglichkeit voll auszuschöpfen und uns weiterhin zu bemühen, Entwicklungen, die zu einer für beide Seiten annehmbaren Lösung führen werden, energisch voranzutreiben.
Herr Kelsang Gyaltsen und ich begannen unsere Reise in Begleitung von zwei Assistenten am 9. September 2002. Während unseres Besuches trafen wir Regierungsvertreter in Beijing, Lhasa und in anderen Gebieten. Sie unterrichteten uns über den Fortschritt der tibetischen Gebiete und über die laufenden Entwicklungsprojekte. Wir waren beeindruckt von der Hingabe und der Kompetenz, die viele tibetische Beamte an den Tag legten. Während wir ihre Anstrengungen, Tibet ökonomisch zu entwickeln, unterstützten und bewunderten, machten wir sie auf die große Notwendigkeit aufmerksam, Tibets ausgeprägtes kulturelles religiöses und sprachliches Erbe zu erhalten. Die Beamten berichteten uns über den hohen Stellenwert, den sie dem Schutz der empfindlichen Umwelt Tibets zukommen lassen. Wir nutzten diese Gelegenheit, unsere Gedanken über dieses Thema auszutauschen.
Unter den tibetischen Beamten, die wir trafen, war Herr Ngapo Ngawang Jigme, Vizepräsident der Politischen Konsultativ-Konferenz des chinesischen Volkes (CPPCC); Herr Ragdi, der Vorsitzende des Kongresses des Volkes der Autonomen Region Tibet und stellvertretender Parteisekretär; Herr Legchok, Vorsitzender der Regierung der Autonomen Region Tibet und stellvertretender Parteisekretär; Herr Samdup, Leiter der Abteilung der Vereinten Arbeitsfront der Autonomen Region Tibet und Herr Atrin, Vizepräsident der Politischen Konsultativ-Konferenz des chinesischen Volkes der Provinz Sichuan.
Neben den Zusammenkünften mit Regierungsbeamten machten wir die zutiefst bewegende Erfahrung, unsere Gebete im Jokhang-Tempel und im Potala darbringen zu können. Wir konnten auch den Norbu Lingka, Ganden, Tashi Lhunpo und Palkhor Choeten in Gyangtse besichtigen. Wir konnten einige Gebiete von Chengdu, Shanghai und Beijing besuchen. Wir waren zutiefst beeindruckt von dem Fortschritt und der Entwicklung, die hier stattgefunden haben. Wir besuchten auch einige heilige buddhistische Orte in diesen Gebieten. Da der Aufenthalt in Tibet sehr kurz war, bot sich kaum Gelegenheit, mit einfachen Tibetern in Kontakt zu treten.
In Beijing trafen wir Herrn Wang Zhaoguo, Vizepräsident der CPPCC und Leiter der Abteilung der Zentralen Vereinten Arbeitsfront, und Herr Li De Zhu, Minister der staatlichen Kommission für Ethnische Angelegenheiten und stellvertretender Leiter der Abteilung der Vereinten Arbeitsfront. Sie wiederholten die bekannte Position der chinesischen Regierung zu dem Dialog mit Seiner Heiligkeit dem Dalai Lama. Wir konnten unsere Meinungen offen und in einer herzlichen Atmosphäre austauschen. Wir ergriffen die Gelegenheit, um die Hoffnung Seiner Heiligkeit des Dalai Lama, die Tibetfrage durch Verhandlungen im Geiste der Versöhnung und des Dialoges, darzustellen.
Die chinesischen Führer folgten unseren Erklärungen mit großem Interesse. Dass sie sich in einen freien und spontanen Gedankenaustausch einbinden ließen, schätzten wir besonders. Nachdem ich in den frühen achtziger Jahren die Gelegenheit hatte, chinesische Führer in Beijing zu treffen, beeindruckte uns auf dieser Reise die weitaus größere Flexibilität, welche die derzeitige Führung in ihrer geistigen Haltung zum Ausdruck brachte.
Unser Gastgeber bei diesem Besuch war die Abteilung der Vereinten Arbeitsfront der Chinesischen Kommunistischen Partei (CCP). Viele weitere Behörden, einschließlich der Regierung der Autonomen Region Tibet, der Regierungen von Sichuan und Shanghai waren an der Organisation unseres Besuches beteiligt. Wir möchten ihnen allen unsere aufrichtige Wertschätzung für ihre Gastfreundschaft und Hilfe aussprechen.
Wir bemühten uns sehr, die Grundlage für den Beginn eines neuen Kapitels in unserer Beziehung zu schaffen. Wir sind uns voll bewusst, dass diese Aufgabe nicht durch einen einzigen Besuch vollendet werden kann. Auch sind kontinuierliche beharrliche Anstrengungen und Unterstützung von vielen Seiten notwendig. Herr Kelsang Gyaltsen und ich schätzen die starke Unterstützung und die umfassende Zusammenarbeit zutiefst, die wir vom Kalon Tripa, Professor Samdhong Rinpoche, und der Kashag erhalten haben. Wir informierten sie eingehend über unsere Reise.
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