Tibet-Politik

Bericht der ICT über brutale Behandlung abgeschobener Tibeter
23. Januar 2004
Kathmandu – Es sind weitere Details über Folter und Misshandlung der achtzehn von Nepal gewaltsam nach China abgeschobenen Tibeter bekannt geworden. Ehemalige Zellengenossen aus dem Gefängnis in Shigatse, Autonome Region Tibet (TAR), haben nochmals von Vorfällen berichtet, in denen die achtzehn deportierten mit elektrischen Stöcken geschlagen, wiederholt in die Genitalien getreten und drei bis viermal in der Woche dazu gezwungen wurden, vier bis fünf Stunden nackt im Freien zu stehen.
Ein ehemaliger Häftling erinnert sich, wie ein Gefängniswärter einge der achtzehnköpfigen Gruppe Tibeter schlug und dabei rief: "Denkt darüber nach, warum ihr den Dalai Lama sehen wolltet!"
Ein anderer ehemaliger Häftling desselben Gefängnisses berichtete der International Campaign for Tibet (ICT): "Als sie den elektrischen Schlagstock in meinen Mund steckten, spürte ich es durch den gesamten Körper. Der Schmerz ist so stark, dass man das Bewusstsein verliert."
Ehemalige Gefangene des Gefängnisses in Shigatse berichten, dass sich Mitte Oktober noch zwei der achtzehn deportierten Tibeter im Gefängnis befänden. Dorje, einer der verbleibenden Deportierten, habe sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befunden, der sich zum Zeitpunkt ihrer Entlassung noch weiter verschlechtert habe. Dorje stamme aus Litang, Autonome Präfektur Kandze, in der Provinz Sichuan.
Wie die ICT erfuhr, seien 16 der 18 Verschleppten erst entlassen worden, nachdem Verwandte oder Freunde die örtlichen Behörden bestochen hatten – zusätzlich zu einer Geldstrafe in Höhe von 1,800 Yuan (etwa 220 US$). Die Bestechungsgelder betrugen nach Schätzungen von Quellen der ICT in Shigatse zwischen 400 und 620 US$.
Man war davon ausgegangen, dass die gesamte Gruppe der 18 Deportierten in ein Gefängnis in Shigatse verlegt worden sei, nachdem sie Anfang Juni 2003 elf Tage in einem Gefängnis in Nyalam an der tibetisch-nepalesischen Grenze verbracht hatte. Wie die ICT inzwischen jedoch erfahren hat, verbrachten 4 männliche Gruppenmitglieder etwas über einen Monat in Quarantäne im Nyalam-Gefängnis, da die chinesischen Beamten Berichten zufolge vermuteten, sie litten unter dem SARS Virus.
Direkt nach der Deportation am 31. Mai 2003 trennten chinesische Beamte die vier unter SARS-Verdacht stehenden Tibeter von den übrigen Gruppenmitgliedern und verlegten sie in Einzelhaft. Ein westlicher Menschenrechtsbeobachter, der die Deportation von der nepalesischen Seite der Grenze aus mitverfolgt hatte, berichtete der ICT, dass mindestens ein Duzend in weiße Masken und Kittel gehüllte Beamte unmittelbar auf der gegenüberliegenden Seite der Freundschaftsbrücke auf die Gruppe gewartet habe. Aus einer tibetischen Quelle in Shigatse erfuhr die ICT: "Die vier unter SARS-Verdacht stehenden Tibeter wurden nicht ganz so schlecht behandelt wie die übrigen Gruppenmitglieder, da die Gefängniswächter sie nicht berühren wollten."
Es liegen keine Berichte vor, ob die Gefangenen tatsächlich unter dem SARS-Virus litten. Dies führte zu Vermutungen, dass die chinesischen Behörden den SARS-Verdacht als Vorwand nutzen, um die Haftzeiten einiger Gefangener zu verlängern.
Ehemalige Häftlinge aus Nyalam berichten, dass die vierzehn nicht in Quarantäne gehaltenen Tibeter während ihrer Haft in Nyalam massiven Schlägen und Folter ausgesetzt gewesen seien. Die Deportierten seien geschlagen und mit Elektrostöcken stark gefoltert worden. Ehemalige Gefangene berichteten weiter, dass einige der 18 deportierten Flüchtlinge auch anderen Foltermethoden unterzogen worden seien. Beispielsweise wurden ihnen Nähnadeln zwischen die Fingernägel und das Fleisch gesteckt. Dies sei in einem Fall eingesetzt worden, um einen der achtzehn, der bewusstlos war, wieder zu beleben.
Die Folter endete nicht, als die Deportierten aus Nyalam ins Gefängnis von Shigatse verlegt wurden. Berichte ehemaliger Häftlinge erreichten die ICT, welche die Details der verschiedenen dort verwendeten Foltermethoden beschreiben. Sie umfassen Schläge mit Elektrostäben und Gummischläuchen, erhebliche Schläge und wiederholte Tritte in männliche Genitalien. Gefangene seien auch gezwungen worden, lange Zeitspannen nackt im Freien zu verbringen.
Ein Tibeter, der im vergangenen Jahr lange Zeit im Gefängnis von Shigatse verbracht hatte, nachdem er auf seiner Flucht aus Tibet gefasst wurde, berichtete der ICT: "Die brutalste Person im Gefängnis war ein Tibeter, den sie Phuntsok nennen. Er schlug uns ohne den geringsten Grund. Mir wurde erzählt, dass er vor einigen Jahren einen Gefangenen getötet habe."
Ehemalige Gefangene berichteten der ICT, dass Chinesen meist während den Verhöre anwesend waren, währen die Folterungen meist von ethnischen Tibetern durchgeführt worden seien. Die Identität besonders sadistischer tibetischer Gefängniswärter ist in tibetischen Gemeinden anscheinend bekannt, jedoch seien Repressalien gegen sie selten.
Nachdem sie einen Monat im Nyalam-Gefängnis verbracht hatten, stießen die vier unter SARS-Verdacht stehenden Tibeter im Gefängnis von Shigatse auf den Rest der Gruppe. Das Gefängnis, in das sie gebracht wurden, wird offiziell das „Neue Empfangszentrum Tibets" genannt. In ihm werden Tibeter, die versucht hatten, ins Exil zu fliehen, sowie Tibeter, die nach Tibet zurückgekehrt sind, nachdem sie die Schule oder Familie in Nepal oder Indien besucht hatten, gefangen gehalten. ICT veröffentlichte Informationen über das neue Gefängnis im Dezember 2003. Bilder des neuen Gefängniskomplexes sind bei der International Campaign for Tibet (ICT) erhältlich
Berichten ehemaliger Insassen zufolge seien im Juni 2003 ungefähr 300 Gefangene im "Neuen Empfangszentrum Tibets" inhaftiert gewesen. Bis November sei die Zahl Schätzungen zufolge auf 450-500 angestiegen. Fast alle Gefangene sind Tibeter, die am Nangpa-La-Pass oder in der Nähe der Freundschaftsbrücke nahe Dram, der Hauptgeschäftsroute von Tibet nach Nepal, verhaftet wurden.
Am 28. Dezember 2003 berichtete Chinas staatliche Nachrichtenagentur, dass die Spitze der chinesischen Exekutive, der Ministerpräsident des Staatsrates, Premierminister Wen Jiabao, und der Vorsitzende der Zentralen Armeekomitees, Jiang Zemin, den Ehrentitel einer "vorbildlichen Unterabteilung der Grenzpolizei" an die Unterabteilung der Grenzpolizei von Pali verliehen hat. Dieser untersteht den Kommando des Volkssicherheitsbüros von Shigatse und der Grenzsicherheitstruppen der Autonomen Region Tibet (TAR). Der Bericht hebt besonders hervor, dass dieser Titel anlässlich der Leistungen der Grenzpolizei zum Schutze der Einheit des Mutterlandes und des Friedens in den Grenzregionen verliehen wurde. (Weitere Informationen erhältlich vom Tibetan Information Network)
"Warum zeichnet Chinas Führungsspitze die Verantwortlichen für die Folter von Tibetern aus, die lediglich einen sicheren Hafen gesucht hatten, anstatt eine juristische Untersuchung dieser brutalen Folter einzuleiten?" fragt Dr. Gudrun Henne, Geschäftsführerin der ICT in Berlin.
Hintergrundinformationen
Ungefähr 2.500 tibetische Flüchtlinge fliehen jährlich ins Exil. Sie durchqueren Nepal auf ihrem Weg nach Indien. Menschenrechtsorganisationen und das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge erfahren oft erst durch Flüchtlinge, die einen erfolgreichen zweiten Fluchtversuch unternommen haben, von Verhaftungen der chinesischen Grenzpatrouille oder von der Deportation tibetischer Flüchtlinge durch nepalesische Beamte.
Die Zwangsabschiebung von 18 Tibetern aus Kathmandu nach Tibet im Mai 2003 führte zu internationale Schlagzeilen und zu Kritik an der nepalesischen Regierung. Im August versicherte Nepal angesichts des zunehmenden Drucks, in Zukunft keine Tibeter mehr abzuschieben.
Ehemalige Insassen berichten, dass Flüchtlinge, die auf ihrem Rückweg von Indien nach Nepal gefasst werden, strengerer Behandelung und längeren Strafen ausgesetzt sind als die aus Tibet flüchtenden. Tibeter, die Strafen im „Neuen Empfangszentrum Tibets" oder im Nyari-Gefängnis in Shigatse verbüßt haben, berichten, dass die meisten an der Grenze festgenommenen Personen eine drei- bis fünfmonatige Gefängnisstrafe erhalten, schwer geschlagen und regelmäßig (meist durch Schläge mit Elektroschockstäben) gefoltert werden. Sie müssen Schwerstarbeit, meist im Straßenbau in und um Shigatse, leisten.

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