Pressemitteilung

Tibet: Hunderte buddhistische Pilger inhaftiert / Massives Truppenaufgebot in Lhasa / „Klima der Angst“ beherrscht tibetisches Neujahrsfest

Berlin, 22. Februar 2012. Angst ist das beherrschende Gefühl in Lhasa zu Beginn des tibetischen Neujahrsfests am heutigen Mittwoch, 22. Februar. Einem neuen Bericht der International Campaign for Tibet (ICT) zufolge soll seit Tagen schon ein massives Truppenaufgebot das Bild im historischen Zentrum der Stadt prägen. Ein weiteres Anzeichen für ein Übergreifen der harten Linie der staatlichen Behörden und der Anti-Dalai-Lama-Kampagne von Osttibet nach Lhasa und Zentraltibet ist die Verhaftung Hunderter tibetischer Pilger. Sie waren nach ihrer Rückkehr von einer bedeutenden buddhistischen Zeremonie im indischen Bodhgaya von den Behörden festgenommen worden. Das Kalachakra hatte unter dem Vorsitz des Dalai Lama vom 31. Dezember bis zum 10. Januar im Bundesstaat Bihar stattgefunden. Geschätzte 7.000 – 8.000 Pilger sollen dafür aus Tibet an den Ort gereist sein, an dem der Überlieferung zufolge Buddha seine Erleuchtung erlebt hat. Bereits in Bodhgaya hatten Gerüchte die Runde gemacht, unter den Pilgern befänden sich zahlreiche Informanten der chinesischen Regierung. Ab Ende Januar, als die Tibeter wieder in ihre Heimat zurückzukehren begannen, häuften sich Berichte von Festnahmen. Die exakte Zahl der Inhaftierten ist nicht bekannt, sie dürfte jedoch in die Hunderte gehen, manche Quellen gehen von mehr als 500 aus. Und immer sind noch nicht alle Pilger aus Indien zurückgekehrt.

Die tibetischen Pilger werden in verschiedenen Haftzentren festgehalten, eines davon befindet sich in einer Schule, ein anderes in einem Armeelager. Einige der Haftzentren befinden sich in der Nähe des Flughafens, dort dürften vor allem  diejenigen inhaftiert sein, die mit dem Flugzeug aus Indien zurückgekehrt sind. Offenbar sind viele Familien in den Haftzentren voneinander getrennt worden, unter den Festgehaltenen befinden sich auch viele ältere Menschen. Viele der Inhaftierten müssen für ihren erzwungenen Aufenthalt in den Haftzentren pro Tag mehrere Hundert Yuan bezahlen und werden zudem der so genannten „rechtlichen Erziehung“ unterzogen. Ein Tibeter aus Lhasa, der jetzt im Exil lebt, sagte, die Inhaftierungen bedeuteten „unerträglichen psychologischen und finanziellen Druck“ für die tibetischen Familien und die Gemeinden. In einem Bericht von Human Rights Watch über die Inhaftierungen wird die Erwartung geäußert, die Länge der Haft könnte für die meisten Betroffenen zwischen 20 Tagen und drei Monaten betragen.

Einige Tibeter sind auf ihrem Rückweg „verschwunden“. Eine Quelle aus Osttibet berichtete der ICT von einer Verwandten, von der es wochenlang kein Lebenszeichen mehr gegeben hatte, nachdem sie von Nepal kommend die Grenze nach Tibet überschritten hatte. Erst nach einem Monat wurde bekannt, dass sie in der Nähe von Lhasa inhaftiert ist. An den Grenzen zur Autonomen Region Tibet (TAR) wird das Gepäck der Rückkehrer aus Indien streng durchsucht. Religiöse Objekte wie Gebetsketten und Bilder des Dalai Lama werden von den Behörden rigoros konfisziert. Offenbar sind auch chinesische Buddhisten davon nicht ausgenommen.

 

Seit zwei Wochen sollen staatliche Funktionäre den tibetischen Bewohnern der Altstadt von Lhasa „Besuche“ abstatten. Es gibt Berichte, dass dabei gezielt Familien ins Visier genommen wurden, deren Angehörige als Pilger nach Bodhgaya gereist waren. Offenbar kursieren Befürchtungen, die Behörden planten, tibetische Wohnungen nach Fotografien des Dalai Lama und ähnlichen Gegenständen zu durchsuchen. Der bereits erwähnte Tibeter aus Lhasa berichtet, die Menschen hätten deshalb damit begonnen alle Gegenstände, die für „verdächtig“ gehalten werden könnten, zu verbrennen oder wegzuwerfen. Lhasa ist zu Beginn des tibetischen Neujahrsfests für ausländische Besucher geschlossen.

Unseren aktuellen Bericht (pdf, englisch) mit ausführlichen Informationen finden Sie hier zum Herunterladen, oder im Anhang dieser E-Mail.

 

 

Kontakt:

 

Kai Müller

Geschäftsführer / Executive Director

International Campaign for Tibet Deutschland e.V.

Schönhauser Allee 163

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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit mehr als 20 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie Rechercheteams in Dharamsala, Indien, und Kathmandu, Nepal.

 

 

 

Berlin, 16. März 2011. Der 21 Jahre alte tibetische Mönch Phuntsog aus dem Kloster Kirti in Ngaba (chin.: Aba) in der chinesischen Provinz Sichuan hat sich heute Morgen öffentlich angezündet und ist anschließend seinen Verletzungen erlegen. Augenzeugen in Kontakt mit tibetischen Exil-Quellen zufolge soll die Polizei die Flammen gelöscht und auf Phuntsog eingeschlagen haben. Kurz danach sei der Mönch gestorben. Die Selbstverbrennung Phuntsogs fiel zusammen mit dem dritten Jahrestag der blutigen Niederschlagung des friedlichen Protests im Kloster Kirti im Jahre 2008. Dabei waren mindestens zehn Tibeter von chinesischen Sicherheitskräften erschossen worden.

Der Tod Phuntsogs führte anschließend zu einer großen Demonstration, an der sich mehrere Hundert Mönche und weitere Tibeter beteiligten, wie dieselben Quellen berichten. Diesen Protestzug habe die Polizei gewaltsam gestoppt und dabei eine unbekannte Anzahl von Mönchen verhaftet sowie protestierende Tibeter geschlagen. Der Leichnam Phuntsogs wurde unterdessen ins Kloster Kirti zurückgebracht. Wie ein tibetischer Mönch im nordindischen Dharamsala sagte, seien die Mönche in Kirti „eher bereit zu sterben, als Phuntsogs Leiche den chinesischen Behörden zu übergeben“. Inzwischen soll das Kloster von chinesischem Militär umstellt sein, offenbar seien auch einige Telefonverbindungen unterbrochen worden.

Die Selbstverbrennung Phuntsogs ist bereits die zweite im Kloster Kirti seit dem Frühjahr 2008. Im Februar 2009 hatte sich der Mönch Tapey ebenfalls in Brand gesetzt, nachdem eine Gebetszeremonie innerhalb des Klosters von den chinesischen Behörden untersagt worden war. Tapey überlebte, wurde allerdings anschließend inhaftiert. Wo er derzeit festgehalten wird, ist unbekannt. Nach Einschätzung der International Campaign for Tibet (ICT) ist der aktuelle Vorfall in hohem Maße erschütternd. Phuntsogs Selbstverbrennung zeige auf drastische Art die Verzweiflung der Tibeter über die kompromisslose Linie Pekings in ihrer Heimat.

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