Tibet: Überlebende von Selbstverbrennungen werden Opfer von Gewalt und „Verschwindenlassen“ / Behörden halten Angehörige im Unklaren / ICT-Bericht dokumentiert zahlreiche Einzelfälle
Berlin, 19. März 2015. Ein neuer Bericht der International Campaign for Tibet (ICT) dokumentiert den Umgang der chinesischen Behörden mit den Überlebenden von Selbstverbrennungen. Viele von ihnen werden Opfer von "Verschwindenlassen"; ihre Angehörigen bleiben oft monatelang im Unklaren darüber, ob sie überhaupt noch am Leben sind. Häufig sind die Überlebenden in behördlichem Gewahrsam gewaltsamer Behandlung ausgesetzt oder werden medizinisch nicht angemessen behandelt. In einigen Fällen scheint das Interesse der Behörden an Geheimhaltung deutlich größer zu sein als die Sorge um das körperliche Wohlergehen der schwerverletzten Überlebenden von Selbstverbrennungen. In weiteren Fällen schlugen Polizisten nach dem Löschen der Flammen gar auf die Menschen ein.
Der Bericht "Tibetan survivors of self-immolation: repression and disappearance" wertet zwanzig Fälle aus Tibet aus, in denen die Menschen ihre Selbstverbrennung überlebt haben; hinzukommen drei weitere Fälle aus dem Exil. Insgesamt haben in Tibet und China seit dem Beginn der Serie im Februar 2009 137 Selbstverbrennungen von Tibeterinnen und Tibetern stattgefunden, die zum überwiegenden Teil zum Tode führten. Der ICT-Bericht belegt, wie die überlebende Minderheit teilweise extremer physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt ist.
ICT-Geschäftsführer Kai Müller sagte: "Die Selbstverbrennungen von Tibetern sind ein ausgesprochen sensibles Thema für die chinesischen Behörden. Daher ist ihr Umgang mit den Überlebenden von äußerster Geheimhaltung geprägt. Diese werden komplett abgeschottet", so Müller. ICT sei sehr besorgt über diese Fälle von "Verschwindenlassen". Auch komme es vor, dass den Überlebenden eine angemessene medizinische Versorgung ganz oder teilweise verweigert werde. In vier Fällen sei es zur Amputation von Gliedmaßen gekommen. Ob dies medizinisch unausweichlich war, ist nicht geklärt.
Der ICT-Geschäftsführer: "Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, sich dafür einzusetzen, dass die Aufenthaltsorte der überlebenden Opfer von Selbstverbrennungen bekannt gemacht und die Einzelheiten ihrer medizinischen Versorgung offen gelegt werden." Die schlechte Behandlung der Überlebenden von Selbstverbrennungen in Tibet geht einher mit einer Repressionswelle gegen all diejenigen, die aus Behördensicht mit den Selbstanzündungen in Verbindung gebracht werden können. Betroffen von Strafaktionen der Behörden sind sowohl Freunde und Angehörige, als auch ganze Gemeinschaften.
Unseren englischsprachigen ICT-Bericht „Tibetan survivors of self-immolation: repression and disappearance“ können Sie hier herunterladen:
http://www.savetibet.de/fileadmin/user_upload/content/berichte/ICT-Bericht_Survivors_of_self-immolation_032015.pdf

Kontakt:
Kai Müller
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit mehr als 20 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.
Berlin, 16. März 2011. Der 21 Jahre alte tibetische Mönch Phuntsog aus dem Kloster Kirti in Ngaba (chin.: Aba) in der chinesischen Provinz Sichuan hat sich heute Morgen öffentlich angezündet und ist anschließend seinen Verletzungen erlegen. Augenzeugen in Kontakt mit tibetischen Exil-Quellen zufolge soll die Polizei die Flammen gelöscht und auf Phuntsog eingeschlagen haben. Kurz danach sei der Mönch gestorben. Die Selbstverbrennung Phuntsogs fiel zusammen mit dem dritten Jahrestag der blutigen Niederschlagung des friedlichen Protests im Kloster Kirti im Jahre 2008. Dabei waren mindestens zehn Tibeter von chinesischen Sicherheitskräften erschossen worden.

Der Tod Phuntsogs führte anschließend zu einer großen Demonstration, an der sich mehrere Hundert Mönche und weitere Tibeter beteiligten, wie dieselben Quellen berichten. Diesen Protestzug habe die Polizei gewaltsam gestoppt und dabei eine unbekannte Anzahl von Mönchen verhaftet sowie protestierende Tibeter geschlagen. Der Leichnam Phuntsogs wurde unterdessen ins Kloster Kirti zurückgebracht. Wie ein tibetischer Mönch im nordindischen Dharamsala sagte, seien die Mönche in Kirti „eher bereit zu sterben, als Phuntsogs Leiche den chinesischen Behörden zu übergeben“. Inzwischen soll das Kloster von chinesischem Militär umstellt sein, offenbar seien auch einige Telefonverbindungen unterbrochen worden.

Die Selbstverbrennung Phuntsogs ist bereits die zweite im Kloster Kirti seit dem Frühjahr 2008. Im Februar 2009 hatte sich der Mönch Tapey ebenfalls in Brand gesetzt, nachdem eine Gebetszeremonie innerhalb des Klosters von den chinesischen Behörden untersagt worden war. Tapey überlebte, wurde allerdings anschließend inhaftiert. Wo er derzeit festgehalten wird, ist unbekannt. Nach Einschätzung der International Campaign for Tibet (ICT) ist der aktuelle Vorfall in hohem Maße erschütternd. Phuntsogs Selbstverbrennung zeige auf drastische Art die Verzweiflung der Tibeter über die kompromisslose Linie Pekings in ihrer Heimat.

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