Tibet-Politik
12. April 2003
Washington/Berlin: Die Delegation der Vereinigten Staaten für die 59. Tagung der UN Menschenrechtskommission versäumte es in Genf, mit Ablauf der Frist, eine Resolution einzureichen, die Chinas derzeitige Menschenrechtspolitik verurteilt.
"Die Entscheidung der Vereinigten Staaten ist ein Fehler. China entkommt der angemessenen Kritik für seine abscheuliche Menschenrechtspolitik", betonte Dr. Gudrun Henne, Geschäftsführerin der International Campaign for Tibet – Deutschland.
"Jene tibetischen politischen Gefangenen, deren Freilassungen als positive Geste dargestellt wurden, teilen zweifellos unsere Enttäuschung über diese verstrichene Gelegenheit, China für Missbrauch und Misshandlung zur Rechenschaft zu ziehen", sagte Mary Beth Markey, Geschäftsführerin des US-amerikanischen Büros der International Campaign for Tibet.
Das Außenministerium verwies auf den "begrenzten" Fortschritt Chinas in Menschenrechtsfragen, wobei es die Freilassung einiger bekannter politischer Gefangener wie Takna Jigme Sangpo und Ngawang Sangdrol nannte. Chinas Menschenrechtspolitik wurde in derselben Erklärung jedoch weiterhin als insgesamt armselig bezeichnet.
Letzte Woche veröffentlichte das Außenministerium seinen jährlichen Menschenrechtsbericht für das Jahr 2002. Der Bericht über China äußerte sich betont kritisch gegenüber Chinas Menschenrechtspolitik des letzten Jahres. Seit der Beendigung der letzten Sitzung des bilateralen Menschenrechtsdialogs zwischen den USA und China im Dezember 2002 haben Verwaltungsbeamte wiederholt Chinas "Rückschritte" in Menschenrechtsfragen festgestellt.
"Das Versäumnis der Vereinigten Staaten, eine Resolution einzubringen, wird den bilateralen Dialog nicht stärken, es wird vielmehr die Verhandlungsposition der USA schwächen und unsere Möglichkeiten, tatsächliche Verbesserungen der Menschenrechtslage in Tibet und China zu erreichen, verringern", kritisierte Markey.
Die USA wurden mit ihrer Bereitschaft, in der Kommission eine Resolution einzubringen, zunehmend isoliert. Europäische Länder, die in der Vergangenheit eine China-Resolution eingebracht oder unterstützt hatten, wurden von der Taktik und dem Druck Chinas eingeschüchtert oder haben die Kommission absichtlich verlassen, um einen geschlossenen bilateralen Menschenrechtsdialog mit China zu führen. "Ich habe keine Zweifel, dass China die erfolgreiche Entschärfung amerikanischer Drohungen in der Kommission als Sieg verzeichnen wird", fuhr Markey fort.
Es ist das erste Mal seit dem Massaker auf dem Tiananmen Platz im Jahre 1989, dass die USA bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen keine Resolution zu China eingebracht haben – mit Ausnahme des letzten Jahres, als die USA nicht in die Kommission gewählt worden war.
Das US-amerikanische Außenministerium deutete an, die diesjährige Entscheidung aufgrund der "Überlegung, wie man China am ehesten zur Einhaltung der Menschenrechte ermutigen könne", getroffen zu haben. Dies stellt eine deutliche Abweichung von der bisherigen Politik des Ministeriums, seine Entscheidung am tatsächlichen Fortschritt der Menschenrechtssituation vor Ort festzumachen, dar.
Der sino-amerikanische bilaterale Menschenrechtsdialog wird weithin als einer der substantiellsten Dialoge angesehen, nicht zuletzt wegen der Bereitschaft der US-Regierung, bei der jährlichen Sitzung der UNO Menschenrechtskommission eine China-Resolution in Erwägung zu ziehen.