Spanisches Gericht ordnet Ausstellung von Haftbefehlen gegen ehemalige chinesische Politiker an / Hintergrund: Verbrechen in Tibet / Jiang Zemin und Li Peng prominenteste Beschuldigte
Berlin, 20. November 2013. Spaniens nationaler Strafgerichtshof hat am 18. November die Ausstellung von Haftbefehlen gegen fünf ehemalige chinesische Poltiker angeordnet, unter ihnen der frühere Staats- und Parteichef Jiang Zemin (87) und der frühere Ministerpräsidenten Li Peng (85). Hintergrund des Gerichtsbeschlusses ist die Rolle, die die fünf Beschuldigten während ihrer Amtszeit in Tibet gespielt haben. Bereits im Oktober hatte das Gericht die Klageerhebung gegen Hu Jintao wegen Völkermordes in Tibet zugelassen. Hu Jintao war Jiang Zemins Nachfolger an der Spitze von Staat und KP in China. In einem weiteren Beschluss ordnete das Gericht am Montag ebenfalls an, Hu Jintao über die gegen ihn erhobene Anklage zu informieren und im über die chinesische Botschaft in Spanien eine Liste mit Fragen bezüglich seiner Rolle in Tibet zukommen zu lassen.
Der Gerichtsbeschluss kam selbst für die spanischen Experten überraschend, die die auf dem Prinzip der so genannten „universellen Rechtssprechung“ geführten Tibet-Verfahren vorangetrieben haben. Danach ist die Strafverfolgung auch in Fällen möglich, in denen kein direkter Bezug zum eigenen Staat existiert, wenn also zum Beispiel der Tatort im Ausland liegt. Allerdings muss die dem Verfahren zugrunde liegende Straftat von erheblicher Schwere sein. In Frage kommen hier vor allem Delikte wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schwere Kriegsverbrechen. Gegenüber der International Campaign for Tibet (ICT) verglichen die Juristen die Bedeutung des Gerichtsbeschlusses mit der Verhaftung des ehemaligen chilenischen Machthabers Augusto Pinochet in London im Jahr 1998. Auch dieser war eine Klage vor einem spanischen Gericht vorausgegangen.
Das Gericht ordnete die Ausstellung von Haftbefehlen gegen insgesamt fünf ehemalige chinesische Funktionäre an, die in Tibet eine maßgebliche Rolle gespielt haben:

  • Jiang Zemin, früherer Staats- und Parteichef,
  • Li Peng, ehemaliger Ministerpräsident während der Verhängung des Kriegsrechts in Tibet in den späten 80er und frühen 90er Jahren (sowie der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tiananmen-Platz in Peking),
  • Qiao Shi, früherer chinesischer Sicherheitschef, verantwortlich für die Bewaffnete Volkspolizei während der Kriegsrechtsperiode in Tibet,
  • Chen Kuiyuan, KP-Sekretär der Autonomen Region Tibet (TAR) von 1992 bis 2001, bekannt für seine harte Haltung gegenüber der tibetischen Kultur und Religion, und
  • Peng Peiyun, Ministerin für Familienplanung in den 1990er Jahren.

Die Beschlüsse des spanischen Gerichts dürften ein starkes Signal in Richtung der chinesischen Führung senden und könnten bedeuten, dass sowohl die darin genannten als auch weitere Spitzenpolitiker von Auslandsreisen Abstand nehmen, da sie dann befürchten müssten, zur Befragung über die ihnen vorgeworfenen Verbrechen festgehalten zu werden. Zudem könnten ihre Auslandskonten vorsorglich eingefroren werden. In seiner Entscheidung zu Hu Jintao hatte das Gericht am 9. Oktober verfügt, die Anklage gegen den ehemaligen Staats- und Parteichef würde in dem Moment erfolgen, „wenn seine diplomatische Immunität ausläuft“. (ICT-Bericht “China’s former leader Hu Jintao indicted for policies in Tibet by Spanish court”, 11. Oktober 2013, http://tinyurl.com/pmjbe72).
Den Beschluss gefällt hat das Appellationsgericht (Abteilung 4 von Spaniens nationalem Strafgerichtshof, der Audiencia Nacional) mit Zuständigkeit für Delikte wie Terrorismus, Drogenhandel, Piraterie oder Geldwäsche. Hervorgehoben wird darin die „politische und strafrechtliche Verantwortung“ der genannten chinesischen Politiker für ihre Politik in Tibet unter Bezug auf die dem Gericht während der vergangenen acht Jahre vorgelegten Beweise. Diese beinhalten Zeugenaussagen früherer politischer Gefangener und internationaler Experten, die Dokumentation von Folterungen und Tötungen sowie Berichte von ICT und weiteren Organisationen. Ein Bericht der ICT, der dem Madrider Gericht im Dezember 2012 vorgelegt wurde, führt im Detail aus, wie die Befehlskette in Tibet funktionierte, wie die Verhängung des Kriegsrechts Folter und ein Klima des Terrors zur Folge hatte und die systematisch betriebene so genannte „patriotische Erziehung“ nach sich zog, die von den Tibetern verlangte, den Dalai Lama zu verunglimpfen. Des Weiteren erklärt ICT darin, wie Chinas KP auf allen Ebenen den Kurs der staatlichen Verwaltung bestimmt. Das Gericht befand, dass die vorgelegten Beweise spezifisch genug seien und für die Ausstellung von Haftbefehlen ausreichten.
Internationale Haftbefehle werden von der Polizei via Interpol oder innerhalb der EU als Europäische Haftbefehle verfolgt. Letztlich handelt es sich dabei um Auslieferungsersuchen im Falle einer Festnahme im Ausland. In früheren Fällen hatten die chinesischen Behörden dagegen vor spanischen Gerichten und bei Regierung protestiert, um die Niederschlagung der Verfahren zu bewirken. Das Gericht hat zudem die Anwälte, die im Auftrag der spanischen Nichtregierungsorganisation Comite de Apoyo al Tibet (CAT) die Verfahren angestrengt hatten, aufgefordert eine Liste von Fragen an Hu Jintao zu erstellen, die diesem in Zusammenhang mit einer Anklage wegen Völkermordes in Tibet gestellt werden können.

Pressekontakt:
Kai Müller
Geschäftsführer
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit mehr als 25 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel, London und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien. ICT ist gemeinnützig und finanziert sich aus Spenden.

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