Berlin, 11. April 2019. Der Tibeter Lodoe Gyatso wurde von einem chinesischen Gericht zu 18 Jahren Haft verurteilt, weil er Anfang des vergangenen Jahres in der tibetischen Hauptstadt Lhasa für den Weltfrieden demonstriert hatte. Die Verurteilung Lodoe Gyatsos wird von den chinesischen Behörden offenbar als „Staatsgeheimnis“ betrachtet. Der Mittfünfziger hatte am 28. Januar 2018 ein Video veröffentlicht, in dem er ankündigte, im Rahmen seiner „Kampagne für den Weltfrieden“ einen friedlichen Einzelprotest durchzuführen. Das Video wurde u.a. von „Voice of America“ (VOA) und „Radio Free Asia“ weiterverbreitet. Lodoe Gyatso war erst wenige Monate zuvor aus chinesischer Haft entlassen worden. Nachdem er am 28. Januar 2018 in traditioneller tibetischer Kleidung nahe dem Potala-Palast seine Demonstration begonnen hatte, wurde er von chinesischen Polizisten verhaftet. Auch seine Frau Gakyi soll tibetischen Quellen zufolge zu zwei Jahren Haft verurteilt worden sein.
Nach Angaben eines Verwandten im indischen Dharamsala soll Lodoe Gyatso im Oktober oder November des vergangenen Jahres zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden sein, ohne dass man seine Angehörigen darüber informiert habe. Ein Mitarbeiter des Mittleren Volksgerichts der Präfektur Nagchu weigerte sich, mit dem US-Sender VOA über den Fall zu sprechen, da es sich dabei um ein „Staatsgeheimnis“ handele. Lodoe Gyatsos Neffe Ngawang Thapa, Mitglied des tibetischen Exilparlaments im nordindischen Dharamsala, sagte der International Campaign for Tibet (ICT), sein Onkel habe während seiner Demonstration in Lhasa lediglich nach „Weltfrieden“ und „Frieden in Tibet“ gerufen. Keinesfalls habe er die Freiheit oder Unabhängigkeit Tibets verlangt. In dem Video, das er vor seiner Demonstration angefertigt hatte, verweist Lodoe Gyatso auf eine Jahrtausende alte tibetische Tradition des Gewaltverzichts, wofür beispielhaft die Vision des Dalai Lama stehe.
Lodoe Gyatsos erster politischer Protest datiert auf das Jahr 1995. Er fand im berüchtigten Drapchi-Gefängnis von Lhasa statt, wo Gyatso bereits seit zwei Jahren einsaß. Ein Gericht hatte ihn zu 15 Jahren Haft verurteilt, nachdem er einen bewaffneten Angreifer im Kampf getötet hatte. Im Gefängnis kam er in Kontakt mit politischen Gefangenen, deren Gedanken ihn zu einem Protest innerhalb der Gefängnismauern inspirierten. Seine Forderung nach Unabhängigkeit für Tibet trug ihm schwere Folterungen und die Verurteilung zur Todesstrafe ein. Seine Haftbedingungen wurden als unmenschlich geschildert. Später wurde die Todesstrafe nach internationalem Druck auf die chinesische Regierung in Gefängnishaft umgewandelt. Lodoe Gyatso konnte das Gefängnis erst im Jahr 2013 wieder verlassen. Zwei weitere Protestaktionen in den Jahren 2015 und 2016 führten jedoch zu erneuten Verhaftungen. Erst 2017 kam er wieder auf freien Fuß. Wo er derzeit festgehalten wird, ist nicht bekannt, Lodoe Gyatsos Familie ist in großer Sorge um ihn.
Die International Campaign for Tibet fordert die unverzügliche und bedingungslose Freilassung von Lodoe Gyatso, da er lediglich für seine friedliche Meinungsäußerung in Haft genommen wurde. Auch seine Frau Gakyi müsse umgehend und bedingungslos freigelassen werden, da ihre Verhaftung offenbar alleine deswegen erfolgte, weil sie die Ehefrau von Lodoe Gyatso ist. Darüber hinaus, so ICT, müssten die chinesischen Behörden den Aufenthaltsort von Lodeo Gyatso und Gakyi bekanntgeben und ihnen Zugang zu rechtlicher Vertretung sowie, falls notwendig, medizinischer Betreuung gestatten. Auch ihren Familienangehörigen müsse Zugang zu den Inhaftierten gewährt werden.
Zusätzliche Informationen können Sie unserem Bericht „After 20+ years in jail, Tibetan sentenced to 18 more years after demonstrating for world peace” entnehmen.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.