Tibet-Politik

Aktuell: Ist die Volksrepublik China ein guter Kandidat für den UN-Menschenrechtsrat?
11. April 2006
Washington/Amsterdam/Berlin. Am 27. März dieses Jahres schlossen sich zum letzten Mal die Türen hinter der UN-Menschenrechtskommission. Die viel kritisierte Einrichtung wird einem neuen Menschenrechtsrat Platz machen. Die International Campaign for Tibet (ICT) ist der Überzeugung, dass das neue Gremium einen substantiellen Beitrag zum Schutz universeller Menschenrechte leisten kann, obwohl seine Ausgestaltung letztlich nicht den Wünschen und Hoffnungen vieler Nichtregierungsorganisationen und Regierungen entspricht. Dessen ungeachtet hat ICT schwerwiegende Bedenken insbesondere in Hinblick auf eine mögliche Wahl der Volksrepublik China in den Menschenrechtsrat.
Im neuen Menschenrechtsrat werden 47 der 191 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen vertreten sein. Kandidaten müssen sich am 9. Mai 2006 zur Wahl stellen und jeweils mindestens 96 Stimmen der Generalversammlung erhalten, um in den Menschenrechtsrat gewählt zu werden. Durch diesen Wettbewerb ist sichergestellt, dass Kandidatenländer ihren Respekt für Menschenrechte dokumentieren und damit ihre Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten rechtfertigen müssen. Einige UN-Mitgliedsstaaten haben bereits Erklärungen abgegeben, welche Politik sie im Falle ihrer Wahl in den Menschenrechtsrat vertreten werden.
Der Menschenrechtsrat wird anders als die Kommission direkt an die UN-Generalversammlung berichten und wenigstens drei Mal im Jahr zusammenkommen. Alle Mitglieder des Menschenrechtsrates unterliegen einem „Universal Periodic Review“, im Rahmen dessen die Menschenrechtslage des betroffenen Mitgliedsstaates untersucht wird.
Trotz dieser konkreten Verbesserungen wird die Wirksamkeit des Menschenrechtsrates erst beurteilt werden können, wenn er seine tatsächliche Arbeit aufgenommen hat. ICT ist sich dabei bewusst, dass die Arbeitsergebnisse des Rates in den meisten Fällen die Interessen der Mitgliedsstaaten und nicht die ihrer Bürgerinnen und Bürger widerspiegeln werden. Wenn Mitgliedsstaaten die Aufgaben des Menschenrechtsrates aber ernst nehmen, dann kann das Gremium ohne Zweifel dazu beitragen, die Lebensumstände von Millionen von Menschen zu verbessern. Findet allerdings eine Politisierung statt, ähnlich wie sie vor allem in den vergangenen zehn Jahren bei der Menschenrechtskommission zu beobachten war, dann wird auch der Menschenrechtsrat keinen substantiellen Fortschritt in der internationalen Menschenrechtspolitik darstellen. UN-Generalsekretär Kofi Annan äußerte hierzu, die Wirksamkeit des neuen Rates „hängt natürlich davon ab, wie ernst er von den UN-Mitgliedsstaaten genommen wird.“
Die Volksrepublik China hat ihre Kandidatur für den Menschenrechtsrat angekündigt. Die bisherige Politik Pekings gibt allerdings keinen Anlass zu der Annahme, die chinesische Staatsführung nehme Menschenrechtsfragen ernst. Tatsächlich war es unter anderem der Unnachgiebigkeit Chinas zu verdanken, dass die Menschenrechtskommission in vielen Fällen keine wirksame Menschenrechtsarbeit leisten konnte und somit an Bedeutung verlor. ICT, andere Nichtregierungsorganisationen und auch zahlreiche Regierungen haben über die Jahre hinweg zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen in Tibet dokumentiert. Die Vereinten Nationen haben diese Berichte zum Anlass genommen, China aufzufordern universelle Menschenrechte in Tibet zu achten, entsprechende Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden und die Verantwortlichen zu bestrafen. Ein ums andere Mal hat die Volksrepublik China derartige Aufforderungen selbst allerhöchster UN-Vertreter jedoch schlicht ignoriert.
In den Jahren 2002 und 2005 appellierte der Hochkommissar für Menschenrechte (UNCHR) als ranghöchster Menschenrechtsvertreter der Vereinten Nationen an die chinesische Regierung, unabhängigen Beobachtern freien Zugang zum jungen tibetischen Panchen Lama Gedhun Choekyi Nyima zu ermöglichen. Der Junge wurde 1995 im Alter von sechs Jahren von chinesischen Sicherheitsbehörden entführt und ist seither nicht mehr gesehen worden. Peking lehnte die Aufforderung des UNCHR ab. Ende 2005 konnte der UN-Sonderberichterstatter für Folter die Volksrepublik China und Tibet besuchen, nachdem über zehn Jahre lang über die Natur seines Besuches gestritten worden war. Als der Sonderberichterstatter schließlich in Peking eintraf, wurde er von der chinesischen Regierung mit großen Worten empfangen. Sein beklemmender Bericht über den systematischen und weitverbreiteten Gebrauch von Folter insbesondere auch in Tibet wurde freilich von China zurückgewiesen.
Obwohl die Volksrepublik China ihrem Interesse an einem Sitz im neuen Menschenrechtsrat Ausdruck verliehen hat, haben ihre Vertreter noch keine Erklärung darüber abgegeben, ob sie universelle Menschenrechte achten und schützen wollen, wie einige andere Kandidatenländer dies bereits getan haben. Wenn die Volksrepublik China sich als ein verantwortliches Mitglied der Vereinten Nationen präsentieren will, dann muss sie ihre Absichten offen legen. Daher ruft ICT die Volksrepublik China dazu auf, öffentlich ihre Achtung vor universellen Menschenrechten und ihren Respekt für den Geist des Menschenrechtsrats zu erklären. Darüber hinaus ruft ICT die chinesische Regierung dazu auf, öffentlich darzulegen, wie sie die Empfehlungen der Vereinten Nationen umzusetzen gedenkt, wenn das Land einen Sitz im Menschenrechtsrat erhält.
Die Vereinten Nationen haben ihre Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, ihre Stimme nur für solche Kandidatenländer abzugeben, die die „höchsten Standards in der Förderung und bei dem Schutz von Menschenrechten einhalten“. ICT unterstützt diese Aufforderung und ruft die UN-Mitgliedsstaaten dazu auf, die schlechte Menschenrechtssituation in China zur Kenntnis zu nehmen und Chinas Kandidatur für einen Sitz im Menschenrechtsrat sorgfältig zu bewerten. In dieser entscheidenden Phase für die zukünftige Arbeit des Gremiums müssen alle Mitgliedsstaaten dafür Sorge tragen, dass China Geist und Regeln des Rates beachtet und die Empfehlungen der Vereinten Nationen in Hinblick auf die Menschenrechtssituation in China umsetzt.
In einem Schreiben an die chinesische Regierung und ihre Vertretung bei den Vereinten Nationen hat ICT die Volksrepublik China dazu aufgefordert,
– alle Hürden für eine Ratifizierung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte von 1966 zu beseitigen;
– ihre uneingeschränkte Kooperationsbereitschaft mit allen UN-Vertretern zu erklären, die von den chinesischen Behörden Auskünfte einholen oder das Land besuchen wollen;
– den Empfehlungen der Vereinten Nationen und ihrer Vertreter Folge zu leisten. Insbesondere muss China den Empfehlungen der Kommission für die Rechte des Kindes aus dem Jahre 2005 folgen, unabhängigen Beobachtern einen freien Zugang zum entführten Panchen Lama zu ermöglichen. Ferner muss die Volksrepublik den Empfehlungen des Sonderberichterstatters für Folter aus dem laufenden Jahr nachkommen, alle politischen Gefangenen feilassen und alle Straftatbestände abschaffen, die Verurteilungen aus politischen Gründen zulassen.
– sich dem „Universal Periodic Review“ ohne Vorbehalte zu unterziehen;
– die zentrale Rolle von Nichtregierungsorganisationen bei der Arbeit des Menschenrechtsrates anzuerkennen.
Die International Campaign for Tibet wird die Wahl des Menschenrechtsrates sorgfältig beobachten. Die Organisation wird nach wie vor aktiv bei der Dokumentierung von Menschenrechtsverletzungen in Tibet mitwirken. Eine Herausforderung für das neue Gremium wird es ungeachtet seiner Zusammensetzung sein, mit konkreten Taten zu untermauern, dass Menschenrechte fundamentale und universelle Rechte aller Völker, einschließlich der Tibeter, sind.

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