Tibet-Politik

Aktuell: Tibetische Kinder nach Schüssen am Nangpa-Pass von chinesischen Behörden in Gewahrsam genommen
10. Oktober 2006
Mindestens zehn Kinder aus der Gruppe der Tibeter, die am 30. September an der tibetisch-nepalesischen Grenze unter Beschuss genommen waren worden, wurden von chinesischen Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen. Dies besagen Augenzeugenberichte von Bergsteigern, die den Vorfall am Berg Cho Oyu verfolgt haben. Ungefähr eine halbe Stunde, nachdem eine 25 Jahre alte tibetische Nonne von Sicherheitskräften getötet worden war, wurde eine Gruppe von Kindern einzeln durch das Basislager am Cho Qyu abgeführt, berichten weitere Augenzeugen.
Tibetische Quellen berichten, dass ein tibetischer Junge ebenfalls getötet worden ist, als die Gruppe unter Feuer genommen wurde.
Ein britischer Bergsteiger und verschiedene andere Augenzeugen sprachen von einer angespannten und „einschüchternden“ Atmosphäre nach der Schießerei, als die bewaffneten Sicherheitskräfte das Lager am Cho Oyu „übernahmen“, das sich rund 20 Kilometer westlich vom Mount Everest an der tibetisch-nepalesischen Grenze befand. Andere Berichte aus der Gegend des rund 5.800 Meter hohen Nangpa-Passes besagen, dass die Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze verstärkt wurden und dabei in den letzten 24 Stunden verstärkt chinesisches Militär auf dem Weg in tibetische Grenzstadt Tingri beobachtet werden konnte.
Der britische Bergsteiger Steve Lawes, in seiner Heimat Polizeibeamter, befand sich unter den Bergsteigern und Sherpas am Basislager des Cho Oyu und verfolgte sowohl die Schüsse auf die Flüchtlinge als auch die sich anschließende Festnahme der tibetischen Kinder, die sich unter einer Gruppe von rund 70 Flüchtlingen befanden, die über den vereisten Nangpa-Pass ins nepalesische Exil fliehen wollten. Lawes sagte weiter aus, dass ungefähr eine halbe Stunde nachdem er und die Gruppe die Schüsse beobachtet hätten, eine Gruppe von etwa zehn bis zwölf Kindern, vermutlich im Alter von sechs bis zehn Jahren alt, von drei mit Sturmgewehren bewaffneten Soldaten durch das Basislager abgeführt wurden. „Die Kinder gingen einzeln, um die zwei Meter entfernt von mir. Sie sahen uns nicht – sie schauten sich nicht um wie Kinder das wohl normalerweise tun würden, sie waren zu verängstigt. In diesem Augenblick wimmelte es im Basislager von Soldaten. Sie hatten das Lager so ziemlich übernommen and die Atmosphäre war sehr einschüchternd. Wir unterließen alles, was zu mehr Gewalt hätte führen können.“
Die Schüsse fielen gegen 10.30 Uhr. Lawes weiter: „Ich sah eine Gruppe von 20 bis 30 Menschen zu Fuß auf dem Weg zum Nangpa-Pass. Dann hörten wir, die wir im Basislager waren, zwei Schüsse, die vielleicht Warnschüsse gewesen sind. Die Gruppe begann dann, den Gletscher zu überqueren und es gab weitere Schüsse. Wir befanden uns in etwas weniger als 300 Meter Entfernung zu den Chinesen, die das Feuer eröffnet hatten. Diesmal waren es garantiert keine Warnschüsse: die Soldaten hatten ihre Sturmgewehre angelegt, zielten und schossen auf die Gruppe. Eine Person stürzte zu Boden, stand wieder auf, fiel dann aber wieder hin. Wir hatten ein Teleskop bei uns, aber die Soldaten nahmen dieses weg. Kurze Zeit später benutzten sie es, um nach der Leiche zu sehen.“ Lawes und seinen Begleitern zufolge inspizierten rund zwanzig Minuten später zwei Militärangehörige die Leiche, ließen sie aber dort weitere 36 Stunden liegen, bevor sie von anderen Sicherheitskräften entfernt wurde. Neuere Berichte sprechen auch davon, dass ein tibetischer Junge ebenfalls getötet worden ist. Im Augenblick können aber keine weiteren Todesfälle bestätigt werden.
Mehrere Bergsteiger bestätigten, dass das Basislager nach dem Vorfall vom Militär besetzt wurde. Ein amerikanischer Bergsteiger, der wegen der Präsenz seines Unternehmens in China anonym bleiben möchte, sagte: „Die Soldaten waren sehr junge Kerle, nicht sehr erfahren und manche von ihnen nur etwa 19 oder 20 Jahre alt. Die meisten Bergsteiger versuchten Abstand zu wahren, die Atmosphäre war sehr angespannt."
Der Nangpa-Pass wird normalerweise als Fluchtstrecke von Tibetern benutzt, die von Nepal aus ins indische Exil weiterreisen wollen. Zuvor war schon öfters auf Tibeter geschossen worden, die aus Tibet über diese Route fliehen, und dies auf beiden Seiten der Grenzen, sowohl von chinesischen als auch nepalesischen Sicherheitskräften. Im November 1998 wurde ein fünfzehnjähriger Tibeter in der Nähe der Grenze im Gebiet Saga erschossen, das zur Präfektur Shigatse in der sog. Autonomen Region Tibet (TAR) gehört. Dies ist jedoch das erste Mal, dass ein Tibeter vor den Augen einer derartig großen Gruppe ausländischer Bergsteiger erschossen wurde. Im Augenblick ist Hochsaison für Bergsteiger und es befanden sich mehrere hunderte Menschen auf dem Weg zum Berg Cho Oyu. Neben einigen Sherpas und Trägern waren mindestens 40 Bergsteiger Zeuge des Vorfalls.
Offenbar begaben sich nach der Schießerei chinesische Militäreinheiten, darunter auch medizinisches Personal in das betreffende Gebiet. Zeugen berichteten, dass einige aus der Gruppe der Tibeter, denen es nicht gelungen war, die Grenze zu erreichen, in den Fahrzeugen der Beamten mitgenommen und in umliegende tibetische Grenzstädte zurückgefahren wurden.
An der Schießerei ist allem Anschein nach die Bewaffnete Volkspolizei beteiligt gewesen; eine paramilitärische Einheit, die in den achtziger Jahren aus der Volksbefreiungsarmee heraus gegründet worden war und verantwortlich ist für innere Sicherheit, Grenzüberwachung und den Schutz von staatlichen Einrichtungen, einschließlich der Gefängnisse. Die Volkspolizei ist die wichtigste Instrument für die Kontrolle der Hochgebirgspässe, über die Tibeter nach Nepal zu entkommen versuchen, und steht sowohl unter Kontrolle eines Regierungsministeriums als auch der Partei . Basen der Volkspolizei in der Region sind alle befestigt, verfügen über Gefängnistrakte und werden notfalls von der Volksbefreiungsarmee benutzt. Laut Quellen in der Region seien nach dem Vorfall eine große Zahl von Militäreinheiten in die Region entsandt worden.
Der UNHCR hat offenbar die Reise eines Mitarbeiters des tibetischen Flüchtlingshilfszentrum in Nepal am 9. Oktober unterstützt, um die Flüchtlinge zum Flüchtlingshilfszentrum in Kathmandu zu begleiten. Tibeter, die in den letzten zwei Jahren über die nepalesische Grenze nach Katmandu reisten, standen wegen Chinas politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu Nepal, unter erhöhtem Risiko, aufgegriffen und wieder nach China ausgewiesen zu werden.
Deutsche Übersetzung des ICT-Berichtes „Tibetan children in Chinese custody after shooting at Nangpa-Pass“ vom 9. Oktober 2006. Verbindlich ist das englische Original.
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