Berlin, 10. Januar 2012. Auch im neuen Jahr reißt die Serie von Selbstverbrennungen in Tibet nicht ab. Wie die International Campaign for Tibet (ICT) von in Indien lebenden tibetischen Quellen mit direktem Kontakt in die Region erfuhr, haben sich am vergangenen Freitag ein ehemaliger Mönch und ein Mönch des Klosters Kirti im Zentrum von Ngaba in der chinesischen Provinz Sichuan in Ost-Tibet gemeinsam in Brand gesetzt. Die Namen der beiden werden mit Tsultrim und Tennyi angegeben, beide sollen etwa 20 Jahre alt sein. Offenbar setzten sich die beiden im Hof eines Hotels in Brand und rannten – bereits in Flammen stehend auf die Hauptstraße von Ngaba. Offenbar stießen die beiden Tibeter währenddessen laute Rufe aus, in denen sie die Rückkehr des Dalai Lama nach Tibet forderten und ihm ein „10.000 Jahre währendes Leben“ wünschten. Tennyi starb noch am 6. Januar, Tsultrim erlag am Folgetag seinen Verletzungen. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hatte den Vorfall am vergangenen Sonntag bestätigt, allerdings davon gesprochen, dass beide Tibeter ehemalige Mönche gewesen seien.
Zum ersten Mal kam es am vergangenen Sonntag auch zur Selbstverbrennung eines angesehenen buddhistischen Würdenträgers. In Darlag in der zur Provinz Qinghai zählenden Tibetischen Autonomen Präfektur Golog setzte sich Sonam Wangyal selbst in Brand. Berichten zufolge soll er zunächst Kerosin getrunken und anschließend seinen ganzen Körper damit getränkt haben. Als er sich in Brand setzte, soll er laut einer Meldung des tibetischen Programms von Radio Free Asia förmlich explodiert sein. Seine sterblichen Überreste seien dann von der Polizei vom Ort des Geschehens weggebracht und erst nach offenbar massivem Druck zahlreicher Tibeter herausgegeben worden.
Sonam Wangyal war ein hochangesehener Mann in Darlag und soll sich in seinen Vierzigern befunden haben. Er gilt als der höchstrangige buddhistische Geistliche, der sich bislang selbst verbrannt hat. Mit ihm steigt die Zahl der Selbstverbrennungen in Tibet seit dem März 2011 auf insgesamt 15. ICT-Geschäftsführer Kai Müller weist darauf hin, dass nach den Fällen in der Provinz Sichuan und der Autonomen Region Tibet nunmehr auch die Provinz Qinghai Schauplatz einer Selbstverbrennung geworden ist: „Die Ausbreitung der bestürzenden Serie von Selbstverbrennungen macht deutlich, dass die Verzweiflung über die chinesische Politik insbesondere in Bezug auf die Religion weite Teile Tibets erfasst hat.“ Kai Müller weiter: „Die Führung in Peking allein hat es in der Hand, den Druck zu verringern und damit den Menschen Mut zu machen, dass es sich lohnt auf eine friedliche und einvernehmliche Lösung der Tibetfrage zu hoffen. Die internationale Gemeinschaft indes muss begreifen, wie ernst die Situation in Tibet ist. Sie muss gegenüber der chinesischen Regierung mit Nachdruck darauf drängen, dass fundamentale Menschenrechte in Tibet zu beachten sind und die chinesische Regierung in einen ernsthaften Dialog mit den Vertretern des Dalai Lama eintritt.“
Vor wenigen Tagen, am 5. Januar, erlag überdies ein ehemaliger tibetischer Mönch im Krankenhaus von Barkham in der osttibetischen Präfektur Ngaba den Verletzungen, die er sich am 15. Oktober 2011 bei seiner Selbstanzündung zugezogen hatte. Norbu Dramdul war als Junge in das Kloster Kirti in Ngaba eingetreten, im Juni 2010 wurde er von den chinesischen Behörden gezwungen, das Kloster zu verlassen. Seine Leiche wurde nicht an die Familienangehörigen übergeben. Stattdessen erhielten diese einen Teil seiner Asche, die Behörden hatten seine Leiche im Krematorium einäschern lassen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie keine Kenntnis von seine Aufenthaltsort oder seinem Gesundheitszustand gehabt.
Nach Einschätzung von ICT-Geschäftsführer Kai Müller zeigt sich am Fall von Norbu Dramdul besonders anschaulich der Zusammenhang zwischen der Einschränkung der Religionsfreiheit in Tibet und der daraus resultierenden Verzweiflung eines großen Teils der tibetischen Buddhisten. „Es ist kein Zufall, dass den Selbstverbrennungen in Tibet eine immer stärkere Einflussnahme der staatlichen Behörden auf das religiöse Leben der Tibeter vorausgegangen ist. Der erzwungene Ausschluss aus dem Kloster, das Verbot wichtiger religiöser Zeremonien, die so genannte patriotische oder rechtliche (Um-)Erziehung sowie der Druck auf die Mönche und Nonnen, ihren geistlichen Führer öffentlich zu diffamieren, treiben die Menschen in die Verzweiflung“, so Kai Müller.
Ein aktueller Bericht der International Campaign for Tibet vom 9. Januar 2012 kann hier heruntergeladen werden: https://savetibet.de/fileadmin/user_upload/content/berichte/Aktuelle_Berichte/ICT_Bericht_09012012.pdf
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit mehr als 20 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie Rechercheteams in Dharamsala, Indien, und Kathmandu, Nepal.
Der Tod Phuntsogs führte anschließend zu einer großen Demonstration, an der sich mehrere Hundert Mönche und weitere Tibeter beteiligten, wie dieselben Quellen berichten. Diesen Protestzug habe die Polizei gewaltsam gestoppt und dabei eine unbekannte Anzahl von Mönchen verhaftet sowie protestierende Tibeter geschlagen. Der Leichnam Phuntsogs wurde unterdessen ins Kloster Kirti zurückgebracht. Wie ein tibetischer Mönch im nordindischen Dharamsala sagte, seien die Mönche in Kirti „eher bereit zu sterben, als Phuntsogs Leiche den chinesischen Behörden zu übergeben“. Inzwischen soll das Kloster von chinesischem Militär umstellt sein, offenbar seien auch einige Telefonverbindungen unterbrochen worden.
Die Selbstverbrennung Phuntsogs ist bereits die zweite im Kloster Kirti seit dem Frühjahr 2008. Im Februar 2009 hatte sich der Mönch Tapey ebenfalls in Brand gesetzt, nachdem eine Gebetszeremonie innerhalb des Klosters von den chinesischen Behörden untersagt worden war. Tapey überlebte, wurde allerdings anschließend inhaftiert. Wo er derzeit festgehalten wird, ist unbekannt. Nach Einschätzung der International Campaign for Tibet (ICT) ist der aktuelle Vorfall in hohem Maße erschütternd. Phuntsogs Selbstverbrennung zeige auf drastische Art die Verzweiflung der Tibeter über die kompromisslose Linie Pekings in ihrer Heimat.
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