Tibet-Politik

Aktuell: Chinesische Behörden verbieten Teilnahme an buddhistischen Feierlichkeiten
10. Januar 2007
Laut einer Mitteilung der Zeitung „La sa wan bao“ („Abendnachrichten“) in Lhasa ist u.a. tibetischen Mitgliedern der Kommunistischen Partei, Regierungsbeamten, pensionierten ehemaligen Behördenmitarbeitern sowie allen Studenten im Dezember 2006 verboten worden, an Feierlichkeiten des „Gaden Ngachoe“ Festes teilzunehmen, mit dem dem buddhistischen Lehrer Tsongkhapa gedacht werden sollte. Tsongkhapa hatte im 14. Jahrhundert die Gelugpa Schule im tibetischen Buddhismus gegründet. 1
Die Stellungnahme, die am 12. Dezember 2006 veröffentlicht wurde, führt aus, dass eine Teilnahme an religiösen Aktivitäten nicht erlaubt sei, da es für die Regierung und die Partei notwendig sei, „die Ausbildung, die Führung und die Verwaltung der breiten Masse und der Kader zu stärken.“
Die öffentliche Bekanntmachung der Anordnung in einer Tageszeitung ist ein weiterer Beleg für ein sich seit Amtsantritt des neuen Parteisekretärs in der Tibetischen Autonomen Region (TAR) verschärfendes politisches Klima in Tibet. Parteisekretär Zhang Qingli gilt als Hardliner und Verfechter „ideologischer Reformen“. Die Anordnung (vollständige Übersetzung unten) erklärt: „Jeder muss die Forderungen der Regierung und der Partei gewissenhaft befolgen.“ Die chinesische Regierung vertritt die Auffassung, dass Tibeter ihre Religion frei ausüben können.
Tibeter zünden am Todestag von Tsongkhapa traditionellerweise Butterlampen und Kerzen auf den Dächern der Klöster und ihrer Häuser an, um den Tod und den Eintritt ins Nirvana (Beendigung der Reinkarnation) des Schülers Tsongkhapa zu kennzeichnen, der im Ganden Kloster in Lhasa am 25. Tag des 10. tibetischen Monats im Jahre 1419 gestorben war. 2
Das Verbot, an Feierlichkeiten eines wichtigen buddhistischen Festtages teilzunehmen, dokumentiert das Bestreben der derzeitigen Führung, fast alle traditionellen religiösen Praktiken in der Region zu unterbinden und die politische Kontrolle über die Religionsausübung in der Gesellschaft und in den Klöstern zu erweitern. In den letzen Monaten ist die Feindseligkeit von offizieller chinesischer Seite gegenüber dem Dalai Lama merklich gewachsen.
Im letzten Jahr intensivierte der Parteisekretär der Region, Zhang Qingli die „patriotischen Umerziehungsmaßnahmen“ und forcierte die „ideologische Reform“ in der Region. Er erklärte, dass die Partei einen „Kampf bis zum Tod“ gegen den Dalai Lama und seine Unterstützer führen müsse. 3 Zhang Qingli war vor seiner Ernennung als Parteisekretär Leiter der „Produktions- und Baueinheiten“ in Xinjiang (auch Ost-Turkestan), die die Zuwanderung von Han-Chinesen in die Autonome Region von Xinjiang Uyghur (offiziell „XUAR“) fördern. Zhang war bereits hier für seine Hardline-Rhetorik in Hinblick auf eine „Spaltung des Landes“ und „ideologischer Reformen“ bekannt geworden. Am 26. Mai 2006 wurde er zum Parteisekretär der TAR ernannt. Leitende Regierungsbeamte in Tibet haben seither verkündet, den Kampf gegen Separatisten und die Verwaltung religiöser Angelegenheiten verstärken und besonders den anhaltenden Einfluss des Dalai Lamas zurückdrängen zu wollen. 4 Beinahe zeitgleich mit der Eröffnung der Bahnlinie nach Lhasa im Juli 2006 war infolgedessen die Anordnung an einige Regierungsangestellte ergangen, lange Schmähschriften über den Dalai Lama zu verfassen, was zu großem Unmut und Verzweiflung führte.
Das Verbot, desTodestags von Tsongkhapa zu gedenken, folgt Spannungen und Unruhen im vergangenen Jahr in den drei großen Klöstern in Lhasa (Drepung, Sera und Ganden, Tsongkhapas Sterbeort), die im Zusammenhang mit der Intensivierung der „patriotischen Umerziehungskampagnen“, die seit der Amtszeit von Zhang Qingli zugenommen haben, anhalten.
Im November 2005 nahmen Mönche des Klosters Drepung an einem friedlichen Protest gegen die Intensivierung der „patriotischen Erziehung“ in ihrem Kloster teil. Fünf von ihnen wurden in Folge der Geschehnisse aus dem Kloster ausgeschlossen. Der Druck, den Dalai Lama verleumden zu müssen, führte offensichtlich zum Selbstmord eines ca. dreißigjährigen Mönches aus dem Kloster Drepung, Ngawang Janchub. Die Vorkommnisse in Drepung fanden während eines Besuches des Sonderberichterstatters für Folter, Manfred Nowak, in Lhasa statt. Dr. Nowak war offensichtlich über die Proteste während seines Besuches nicht informiert.
Im Ganden Kloster war während eines Besuches des von den Chinesen ernannten Panchen Lama, Gyaltsen Norbu (der auch als „Falscher Panchen“ unter den Tibetern bekannt ist) im Oktober 2005 Unruhen unter der Klosterbevölkerung ausgebrochen.
Fünf Monate später wurden drei Mönche infolge eines weiteren Vorfalls inhaftiert und zwei verbüßen derzeit Gefängnisstrafen, nachdem sie eine Statue der Gottheit Dorje Shugden im Kloster zerstört hatten. Der Dalai Lama hat sich in der Vergangenheit gegen die Verehrung dieser Gottheit ausgesprochen. Laut Berichten aus Tibet wollten die Mönche, die die Statue zerstört hatten, Gerüchten entgegentreten, dass dort die Shugden Gottheit angebetet würde. Die gleichen Gerüchte wurden offensichtlich über das Kloster Sera verbreitet, von dem Einheimische behaupteten, dass die Mönche dort Dorje Shugden anbeteten und die Lehren des Tsongkhapa zerstören würden.
Einem Bericht Radio Free Asias vom 18. November 2006 zufolge wurde im Juli 2006 eine Gebetszeremonie im Sera Kloster in Lhasa von der Polizei unterbrochen und der vorstehende Geistliche, Jangchub Gyaltsen, ausgeschlossen und ein Jahr streng überwacht.
ICT zeigt sich besorgt über die neuerliche massive Einschränkung der freien Religionsausübung im Dezember 2006: „Die Gaden Ngachoe Feierlichkeiten sind eine jahrhunderte alte tibetische Tradition und ein wesentlicher Bestandteil tibetischer kultureller Identität. Das Verbot, an ihnen teilzunehmen, schürt massiv weitere Vorbehalte und Ablehnung unter den Tibetern gegenüber der Hardline-Politik der chinesischen Behörden.“
Übersetzung
Übersetzung der Meldung von „La sa wan bao“ („Abendnachrichten“) vom 12. Dezember 2006
Ankündigung
In Kürze wird das traditionelle religiöse Festival Gaden Ngachoe [der Jahrestag des Todes von Tsongkhapa] stattfinden. Alle Organe der Partei und der Stadtverwaltung von Lhasa, Angehörige von Wirtschaftsbetrieben und Volkskollektive müssen die Bildung, die Leitung und die Verwaltung der breiten Massen und der Kader verstärken. Allen Mitgliedern der Kommunistischen Partei, Regierungsbeamten, pensionierten ehemaligen Behördenmitarbeitern und Kadern, Kadern von Wirtschaftsbetrieben und Arbeitern der Arbeitseinheiten und Kollektive und allen Studenten wird es nicht erlaubt, an Feiern des Ganden Nagchoe Festival teilzunehmen. Jeder muss die Forderungen der Regierung und der Partei gewissenhaft befolgen.
Besondere Ankündigung
[herausgegeben von]
Das Büro des Parteikomitees der Kommunistischen Partei Chinas der Stadt Lhasa
Das Büro der Volksregierung der Stadt Lhasa
12. Dezember 2006
Fußnoten
1 Der Dalai Lama gehört der Gelugpa Schule („Gelber Hut“) des tibetischen Buddhismus an, die von Tsongkhapa, dem mit Gaden Ngachoe gedacht wird, gegründet worden war. Als Tsongkhapa im Dezember 1419 im Alter von 60 Jahren starb, hinterließ er 18 Bände seiner Lehren, die nun die Basis der Gelugpa Tradition darstellen.

2 Die Feierlichkeiten fanden am 25.12.2006 statt. Sie sind auch als Fest der „fünf Opfergaben“ bekannt.

3 Parteisitzung am 16. Mai 2006, so berichtet von Xinhua am 21. Juni 2006 (chinesisch). Zhangs Amtszeit als geschäftsführender Parteisekretär begann im Herbst 2005. Siehe auch „Xinjinang Communist Party Official Promoted to Acting Secretary of the Tibet Autonomous Region“, CECC,http://www.cecc.gov, 21. Juni 2006.

4 Siehe auch ICT-Bericht vom 30. Juni 2006: „Einweihung der neuen Bahnlinie nach Lhasa – Peking verschärft politische Re-pression in Tibet“, http://www.savetibet.org/de/news/news.php?id=251.

Weitere Informationen

ICT-Bericht: Einweihung der neuen Bahnlinie nach Lhasa – Peking verschärft politische Repression in Tibet
ICT Bericht
30. Juni 2006
http://www.savetibet.org/de/news/news.php?id=251
‚Xinjiang Communist Party official Promoted to Acting Secretary of the Tibet Autonomous Region‘
Congressional-Executive Commission on China (CECC)
21. Juni 2006
http://www.cecc.gov
17. Geburtstag des „gestohlenen Kindes“ Tibets: Repression und Kontrolle von Religion und Gesellschaft nehmen zu – Zeigen von Gebetsfahnen in Region Tibets mit Verbot belegt
ICT Bericht
25. April 2006
http://www.savetibet.org/de/news/news.php?id=235
International Campaign for Tibet. Verbindlich ist der Wortlaut des Originals: “Tibetans banned from marking traditional Buddhist anniversary, ICT-Bericht vom 9. Januar 2007, http://www.savetibet.org/news/newsitem.php?id=1077

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