Tibet-Politik
Kommentare eines chinesischen Schriftstellers zu Tenzin Delek Rinpoches Prozess
Wang Lixiong
6. Dezember 2002
Folgendes schrieb Wang Lixiong, einer der wichtigsten Tibet-Forscher in China. Am 5. Dezember wurde der Text von einem Freund unter www.hjclub.com/textbody/113131.asp ins Internet gestellt, doch offensichtlich wurde er viel früher verfaßt. Hier folgt die vom DIIR gemachte Übersetzung aus dem Chinesischen.
„Ein lebender Buddha, der von der Bevölkerung der Gegend hoch verehrt wird, soll der Kopf sein, der hinter sieben Terrorakten steht. Hier handelt es sich um den wichtigsten Fall des Jahres, der vom Public Security Bureau der TAP Ganze Sichuan zu lösen ist.
Der Name des lebenden Buddha ist Ahan Zhaxi (Pinyin Transkription von Ngawang Tashi), sein Ordensname ist Tenzin Delek. Er ist auch als Aten Phuntsok bekannt. In den Achtzigern wurde er in Indien als ein lebender Buddha anerkannt. Aber die chinesische Regierung hat ihn nie als einen reinkarnierten Lama betrachtet und bezieht sich nur unter dem Namen Ahan Zhaxi auf ihn. Bis jetzt hat das Gericht noch keine endgültige Entscheidung in seinem Fall getroffen. Dennoch hat die Präfektur Ganze bereits mit einer Verleumdungs- und Verfolgungskampagne gegen ihn begonnen.
Der Hintergrund dieses Falles ist folgender: Am 3. April wurde auf dem Hauptplatz der Stadt Chengdu ein Sprengstoffattentat verübt. Ein entfernter Verwandter von Ahan legte den Sprengsatz. Dieser Mann war früher einmal Ahans Gehilfe. Er bezeugte, Ahan habe ihn mit der Ausführung des Attentats beauftragt. Daraufhin nahm die Polizei Ahan am 7. April fest und stellte ihn zur Rede. Im Laufe der Vernehmungen bekannte sich Ahan dazu, daß er das Bombenattentat, ebenso wie sechs frühere, noch ungelöste Fälle in Ganze ausgeheckt habe. Die Sache wäre damit zu Ende gewesen, hätte nicht die Bevölkerung von Ganze den Behörden vorgeworfen, eine einseitige Geschichte in Umlauf gebracht zu haben.
Ich war schon etliche Male in der TAP Ganze und kenne Ahan Zhaxi seit langem. Ich sah auch mit eigenen Augen, welch enormes Ansehen er bei der tibetischen Bevölkerung des südlichen Ganze genießt. Ahan begab sich oftmals zu den Nomaden und Bauern, um geistliche Belehrungen zu geben. Er war an einer ganze Reihe von charitativen Aktivitäten beteiligt, darunter der Gründung von Schulen für Waisenkinder, der Unterstützung von alten alleinstehenden Leuten, dem Bau von Straßen und Brücken, dem Umweltschutz und Kampagnen gegen das Rauchen, Trinken, Glücksspiel, Raufen usw. Diejenigen, die durch den Einfluß seiner Lehren ihre Laster aufgegeben haben, blicken nun auf ihn wie auf einen Vater, der ihnen ein neues Leben geschenkt hat. Ich besuchte Ahan in der Vergangenheit und war tief beeindruckt von seinem spartanischen Lebensstil. Für sich selbst nahm er nur sehr wenig von den Gaben, die seine Schüler ihm brachten. Als ich die Geschichte hörte, daß er hinter den Bombenattentaten stecken soll, konnte ich sie natürlich nicht glauben, und diejenigen, die ihn verehren, noch weniger.
Da Ahan mit den lokalen Behörden und dem Public Security Bureau niemals auf gutem Fuß stand, mußte er schon zweimal fliehen und sich bei tibetischen Freunden verstecken. Das gab Anlaß zu einer Petition, die Tausende von Leuten aus der Gegend mit ihrer Unterschrift oder ihrem Daumenabdruck versahen. Sie sandten eine Delegation nach Peking, die den Schutz der Zentralregierung für Ahan erbat. Das hatte zur Folge, daß die Behörden vor Ort die Finger von ihm lassen mußten. Nun hat ihnen das Sprengstoffattentat genau die Gelegenheit geliefert, auf die sie schon so lange gewartet hatten, nämlich die Möglichkeit, gegen ihn vorzugehen. Eine große Anzahl der dort lebenden Leute sieht das zynisch: Ist dies nicht ein eindeutiger Fall, wo einem unschuldigen Menschen ein Verbrechen angehängt wird? Auf der einen Seite sind die Behörden nun in der Lage, Ahan zu demütigen, auf der anderen kann das Public Security Bureau nun endlich in diesen schon so lange ungelösten Fällen auf ein Resultat seiner Ermittlungen verweisen. So wurden also zwei Fliegen mit einem Streich erwischt. Daß Ahan die gegen ihn erhobenen Anklagen zugegeben hat, ist nicht schwer zu verstehen, wenn man nur ein bißchen Ahnung von der kommunistischen Ermittlungstätigkeit hat, wo es keine große Sache ist, durch körperliche und psychische Folter Geständnisse zu erpressen. Die Geschichte der chinesischen kommunistischen Partei wimmelt nur so von Fällen, in denen Unschuldige für schuldig erklärt wurden. Wie will man auch nur irgend jemand davon überzeugen, daß sich solches nicht auch jetzt wiederholt hat?
Ich kann natürlich nicht mit absoluter Sicherheit behaupten, daß Ahan fälschlicherweise für schuldig erklärt wurde. Obwohl ich ihm in der Vergangenheit persönlich begegnet bin, können wir doch nur das Äußere einer Person wahrnehmen, aber nicht ihr Inneres. Ich bin dennoch fest davon überzeugt, daß dies ein Fall von Manipulation hinter den Kulissen ist. Ich meine, Ahan sollte die Möglichkeit und das Recht bekommen, sich öffentlich zu rechtfertigen. Außerdem sollte den Leuten das Recht gegeben werden, in dieser Angelegenheit einen Verdacht zu äußern, Fragen zu stellen, und nachzuforschen. Im Namen seiner Vorgesetzten richtete der Chef des Verwaltungsbezirks Nyagchu folgende Drohung an die Bevölkerung: „Wer immer sich zugunsten von Ahan ausspricht, wird als ebenso schuldig wie Ahan selbst behandelt werden". Selbst wenn Ahan wirklich schuldig sein sollte, werden all diese Tausende von Menschen unter diesen Umständen niemals diese Entscheidung für richtig halten. Darüber hinaus wird dieser Vorfall als ein Paradebeispiel für die Unterdrückung der Tibeter durch die chinesische Regierung in die Geschichte eingehen."
Übersetzt und herausgegeben von der Abteilung für Information und Internationale Beziehungen, Dharamsala.
6. Dezember 2002
Folgendes schrieb Wang Lixiong, einer der wichtigsten Tibet-Forscher in China. Am 5. Dezember wurde der Text von einem Freund unter www.hjclub.com/textbody/113131.asp ins Internet gestellt, doch offensichtlich wurde er viel früher verfaßt. Hier folgt die vom DIIR gemachte Übersetzung aus dem Chinesischen.
„Ein lebender Buddha, der von der Bevölkerung der Gegend hoch verehrt wird, soll der Kopf sein, der hinter sieben Terrorakten steht. Hier handelt es sich um den wichtigsten Fall des Jahres, der vom Public Security Bureau der TAP Ganze Sichuan zu lösen ist.
Der Name des lebenden Buddha ist Ahan Zhaxi (Pinyin Transkription von Ngawang Tashi), sein Ordensname ist Tenzin Delek. Er ist auch als Aten Phuntsok bekannt. In den Achtzigern wurde er in Indien als ein lebender Buddha anerkannt. Aber die chinesische Regierung hat ihn nie als einen reinkarnierten Lama betrachtet und bezieht sich nur unter dem Namen Ahan Zhaxi auf ihn. Bis jetzt hat das Gericht noch keine endgültige Entscheidung in seinem Fall getroffen. Dennoch hat die Präfektur Ganze bereits mit einer Verleumdungs- und Verfolgungskampagne gegen ihn begonnen.
Der Hintergrund dieses Falles ist folgender: Am 3. April wurde auf dem Hauptplatz der Stadt Chengdu ein Sprengstoffattentat verübt. Ein entfernter Verwandter von Ahan legte den Sprengsatz. Dieser Mann war früher einmal Ahans Gehilfe. Er bezeugte, Ahan habe ihn mit der Ausführung des Attentats beauftragt. Daraufhin nahm die Polizei Ahan am 7. April fest und stellte ihn zur Rede. Im Laufe der Vernehmungen bekannte sich Ahan dazu, daß er das Bombenattentat, ebenso wie sechs frühere, noch ungelöste Fälle in Ganze ausgeheckt habe. Die Sache wäre damit zu Ende gewesen, hätte nicht die Bevölkerung von Ganze den Behörden vorgeworfen, eine einseitige Geschichte in Umlauf gebracht zu haben.
Ich war schon etliche Male in der TAP Ganze und kenne Ahan Zhaxi seit langem. Ich sah auch mit eigenen Augen, welch enormes Ansehen er bei der tibetischen Bevölkerung des südlichen Ganze genießt. Ahan begab sich oftmals zu den Nomaden und Bauern, um geistliche Belehrungen zu geben. Er war an einer ganze Reihe von charitativen Aktivitäten beteiligt, darunter der Gründung von Schulen für Waisenkinder, der Unterstützung von alten alleinstehenden Leuten, dem Bau von Straßen und Brücken, dem Umweltschutz und Kampagnen gegen das Rauchen, Trinken, Glücksspiel, Raufen usw. Diejenigen, die durch den Einfluß seiner Lehren ihre Laster aufgegeben haben, blicken nun auf ihn wie auf einen Vater, der ihnen ein neues Leben geschenkt hat. Ich besuchte Ahan in der Vergangenheit und war tief beeindruckt von seinem spartanischen Lebensstil. Für sich selbst nahm er nur sehr wenig von den Gaben, die seine Schüler ihm brachten. Als ich die Geschichte hörte, daß er hinter den Bombenattentaten stecken soll, konnte ich sie natürlich nicht glauben, und diejenigen, die ihn verehren, noch weniger.
Da Ahan mit den lokalen Behörden und dem Public Security Bureau niemals auf gutem Fuß stand, mußte er schon zweimal fliehen und sich bei tibetischen Freunden verstecken. Das gab Anlaß zu einer Petition, die Tausende von Leuten aus der Gegend mit ihrer Unterschrift oder ihrem Daumenabdruck versahen. Sie sandten eine Delegation nach Peking, die den Schutz der Zentralregierung für Ahan erbat. Das hatte zur Folge, daß die Behörden vor Ort die Finger von ihm lassen mußten. Nun hat ihnen das Sprengstoffattentat genau die Gelegenheit geliefert, auf die sie schon so lange gewartet hatten, nämlich die Möglichkeit, gegen ihn vorzugehen. Eine große Anzahl der dort lebenden Leute sieht das zynisch: Ist dies nicht ein eindeutiger Fall, wo einem unschuldigen Menschen ein Verbrechen angehängt wird? Auf der einen Seite sind die Behörden nun in der Lage, Ahan zu demütigen, auf der anderen kann das Public Security Bureau nun endlich in diesen schon so lange ungelösten Fällen auf ein Resultat seiner Ermittlungen verweisen. So wurden also zwei Fliegen mit einem Streich erwischt. Daß Ahan die gegen ihn erhobenen Anklagen zugegeben hat, ist nicht schwer zu verstehen, wenn man nur ein bißchen Ahnung von der kommunistischen Ermittlungstätigkeit hat, wo es keine große Sache ist, durch körperliche und psychische Folter Geständnisse zu erpressen. Die Geschichte der chinesischen kommunistischen Partei wimmelt nur so von Fällen, in denen Unschuldige für schuldig erklärt wurden. Wie will man auch nur irgend jemand davon überzeugen, daß sich solches nicht auch jetzt wiederholt hat?
Ich kann natürlich nicht mit absoluter Sicherheit behaupten, daß Ahan fälschlicherweise für schuldig erklärt wurde. Obwohl ich ihm in der Vergangenheit persönlich begegnet bin, können wir doch nur das Äußere einer Person wahrnehmen, aber nicht ihr Inneres. Ich bin dennoch fest davon überzeugt, daß dies ein Fall von Manipulation hinter den Kulissen ist. Ich meine, Ahan sollte die Möglichkeit und das Recht bekommen, sich öffentlich zu rechtfertigen. Außerdem sollte den Leuten das Recht gegeben werden, in dieser Angelegenheit einen Verdacht zu äußern, Fragen zu stellen, und nachzuforschen. Im Namen seiner Vorgesetzten richtete der Chef des Verwaltungsbezirks Nyagchu folgende Drohung an die Bevölkerung: „Wer immer sich zugunsten von Ahan ausspricht, wird als ebenso schuldig wie Ahan selbst behandelt werden". Selbst wenn Ahan wirklich schuldig sein sollte, werden all diese Tausende von Menschen unter diesen Umständen niemals diese Entscheidung für richtig halten. Darüber hinaus wird dieser Vorfall als ein Paradebeispiel für die Unterdrückung der Tibeter durch die chinesische Regierung in die Geschichte eingehen."
Übersetzt und herausgegeben von der Abteilung für Information und Internationale Beziehungen, Dharamsala.
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