Tibet-Politik

Aktuell: Tibetische Nonne erschossen – Schicksal weiterer Tibeter unklar
6. Oktober 2006
Eine tibetische Nonne im Alter von Mitte zwanzig ist nach übereinstimmenden Berichten am 30. September auf dem Nangpa-la Pass von Angehörigen bewaffneter chinesischer Einheiten erschossen worden und mindestens ein anderer Tibeter könnte auf seinem Weg ins Exil nach Nepal getötet worden sein.
Tibeter, die sich gemeinsam mit der Nonne auf der Flucht befanden, bezeugen, dass ihr Körper verschiedene Schusswunden aufwies. Die Leiche musste zurückgelassen werden, da befürchtetet wurde, noch vor der Einreise in nepalesisches Gebiet verhaftet zu werden. Berichtet wurde ferner, dass bis zu sieben weitere Tibeter getötet worden sein könnten, nachdem eine Gruppe von Flüchtlingen von chinesischen bewaffneten Einheiten beschossen worden war. Dies konnte noch nicht bestätigt werden. Der Vorfall ereignete sich auf dem vereisten Nangpa Pass auf einer Höhe von 5716 Metern, einige Kilometer entfernt vom Gipfel des Cho Oyu entfernt. Er wurde von einer Reihe von Bergesteigern in ihrem Basislager am Cho Oyu beobachtet, die zusahen, wie die Soldaten sich hinknieten, zielten und auf Tibeter schossen, unter denen sich auch Kinder im Alter von zehn Jahren befanden.
Einer der Bergstiger, der den Cho Oyu bestiegen hatte, der sich 20 Kilometer westlich des Mount Everest an der Grenze zwischen Tibet und Nepal befindet, erklärte, dass die Schießerei am Morgen des 30. Septembers stattgefunden hatte: „Ich sah eine Reihe von Tibetern, die auf den Nangpa La Pass zuliefen – ein normales Bild. Dann, ohne Warnung wurde geschossen. Immer und immer wieder. Dann liefen die Leute bergauf. Offensichtlich hatte man der chinesischen Armee den Tipp gegeben über die bevorstehende Flucht gege-ben und deshalb kam sie unter Waffen. Während die Tibeter wegliefen, sahen wir zwei von ihnen zu Boden fallen. Auch mit dem Fernglas konnten wir es überprüfen: zwei Personen waren am Boden und standen nicht mehr auf.“
Ein britischer Bergführer sagte ICT, dass andere Bergsteiger sahen, wie einer der Tibe-ter, der hingefallen war, wieder aufstand. Möglich ist daher, dass einer der beiden überlebt hat, obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, ob die Person nicht später ihren Verletzun-gen erlag. Die Bergsteiger wollen namentlich nicht genannt werden, solange sie sich noch auf chinesischem Gebiet befinden.
43 aus einer Gruppe von mehr als 70 Tibetern, die aus Tibet flohen, konnten offensichtlich der Schießerei entgehen und sicher in nepalesisches Gebiet einreisen, wo sie sich jetzt auf dem Weg ins tibetische Flüchtlingsaufnahmezentrum in Katmandu befinden. Die meisten der Gruppe sind im Alter von zehn bis 30 Jahren und kommen aus der Region Kham in Osttibet. Tibeter aus der Gruppe erklärten, dass sie weitere Todesfälle befürchteten. Unklar ist, wo sich die restlichen 30 Tibeter der Gruppe derzeit aufhalten. Aus tibetischer Quelle hieß es, dass diese Tibeter vermutlich von chinesischen Sicherheitsbeamten aufgegriffen und zurück nach Tibet transportiert wurden. Chinesische Militärfahrzeuge, auch Krankenwagen, wurden auf der Straße in der Nähe des Vorfalls gesehen.
Der britische Bergführer, der den Cho Oyu zu der Zeit bestieg, sagte zu ICT: „Es könnten um die 60 Bergsteiger gewesen sein, die den Vorfall im Basislager beobachtet haben. Sie konnten die Soldaten, die sich in der Nähe des Base Camps befanden, sehen, wie sie sich hinknieten, zielten und auf die Gruppe, die komplett wehrlos war, immer und immer wieder schossen. Wir konnten nicht sehen, was das Ziel war, aber wir sahen, dass es sich um Men-schen handelte. Einige Stunden später, als eine Yakkarawane aus Nepal kam, wurde nicht geschossen. Sie konnten klar ihre Ziele voneinander unterschieden. Es war ein sehr scho-ckierender Vorfall für alle auf dem Berg.“
Der Nangpa Pass auf einer Höhe von 5716 Metern ist die Haupthandelsroute zwischen Tibet und Nepal und wird normalerweise als Fluchtroute von Tibetern benutzt, die ins Exil fliehen wollen. Tibetische Flüchtlinge, die von Tibet nach Nepal fliehen wurden auch schon zuvor auf chinesischer und nepalesischer Seite der Grenze beschossen. Der vorliegende Fall ist der besorgniserregendste seit mehreren Jahren.
Die Schüsse waren vermutlich von der „Bewaffneten Volkspolizei“ (PAP) abgegeben worden, einer paramilitärischen Einheit, die für innere Sicherheit, Grenzüberwachung und den Schutz staatlicher Einrichtungen wie Gefängnisse verantwortlich ist. Die PAP ist die Ein-heit, die die Bergpässe patrouilliert, über die Tibeter ins Exil fliehen.
Zwischen 2000 und 3000 Tibeter fliehen jährlich über den Himalaja nach Nepal und In-dien, um den Repression in Tibet zu entfliehen oder auch nur in der Nähe des Dalai Lamas zu sein. Man geht davon aus, dass ein Drittel Kinder sind, die zum Studieren in tibetische Schulen ins Exil geschickt werden. Viele andere sind Mönche und Nonnen, die eine religiöse Ausbildung anstreben, die ihnen in Tibet von den chinesischen Behörden verwehrt wird.
Yak-Karawanen und Tibeter, die aus Tibet fliehen, werden oft von Bergsteigern am Cho Oyu Basislager gesehen, besonders zur Hochsaison der Bergsteiger. ICT wurde ein ähnli-cher Vorfall im Oktober 2003 berichtet. Auch damals wurde eine Gruppe von 34 tibetischen Flüchtlingen von chinesischen Grenzsoldaten beschossen, als sie den Nangpa la überque-ren wollte. Einer der Tibeter der Gruppe sagte ICT, dass nur 17 Personen der aus 34 Men-schen bestehenden Gruppe über den Nangpa la fliehen konnten, während die anderen von Sicherheitsbeamten festgenommen wurden. Unklar war, ob die 17, die nicht den Pass über-querten, beschossen wurden. (Vgl.: http://www.savetibet.org/news/newsitem.php?id=552 )
Im Jahre 2002 kursierten mehrere Augenzeugenberichte von Bergsteigern, die chinesi-sche Grenzbeamte beobachteten, als diese auf tibetische Flüchtlinge schossen und die Flie-henden bis ins nepalesische Gebiet verfolgten. Nepalesische Polizeibeamte in Namche Ba-zaar, einer Handelsstadt südlich des Nangpa La, berichteten ICT, dass sie bei ihren Kon-trollgängen an der Grenze mindestens ein Dutzend leerer Patronenhülsen südlich in Khan-jung auf der nepalesischen Seite des Passes gefunden haben. Die Chinesen wurden für die-ses Vergehen von den nepalesischen Behörden nicht öffentlich gerügt.
Zur Zeit des bewaffneten Übergriffs befanden sich etwa zehn große Expeditionsteams am Cho Oyu, mit im Durchschnitt zehn Mitgliedern und dazu nepalesischen Sherpas und Trägern. Ein Augenzeuge schätzte, dass rund 100 Personen die Schießerei gesehen haben könnten. Viele Bergsteiger wollten jedoch zum Vorfall nicht aussagen, solange sie nicht in Sicherheit und sich nicht mehr auf chinesischem Gebiet befänden. Der Vertreter des Tou-renanbieters Sjogren erklärte, dass auf die Bergsteiger am Cho Oyu Basiscamp Druck von kommerziellen Tourenveranstaltern ausgeübt worden war: „Es war von Gerüchten die Rede, dass diese Leute Schmuggler gewesen wären und es wurde gesagt, dass man den Mund halten müsste solange man sich in China befände. Wir glauben, dass es absolut keinen Grund dafür gibt, als Bergsteiger aus dem Westen Angst vor den chinesischen Behörden haben zu müssen, wenn man etwas sagt; es ist sehr unwahrscheinlich, dafür belangt zu werden. Natürlich gibt es das wirtschaftliche Risiko, dass gewisse Tourenveranstalter in der Zukunft Probleme bei der Visaerteilung bekommen könnten, aber offen gesagt, nicht einmal das ist wahrscheinlich.“ Nach dem Vorfall hätten chinesische Sicherheitskräfte starke Prä-senz am Basislager gezeigt.
Die Risiken für die Tibeter über Nepal nach Indien zu fliehen, haben sich in den letzten zwei Jahren drastisch erhöht, da die chinesische Regierung einen immer stärkeren Einfluss auf die nepalesische Regierung ausübt. Im Jahr 2005 wurden das Büro des Vertreters des Dalai Lamas in Katmandu und das tibetische Flüchtlingshilfszentrum geschlossen. Beide spielen für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Tibeter im Exil in Nepal eine entschei-dende Rolle. Aufgrund der prekären politischen Situation und den bedenklichen Sicherheits-bedingungen sind von UNHCR geschützte Personen wie Tibeter, die ins Exil fliehen, ständig bedroht, ihr Recht auf Schutz zu verlieren. Abschiebungen im Widerspruch zum völkerrechtlichen Refoulement-Verbot sind in der Vergangenheit mehrfach beobachtet worden.
Tibeter sind auf beiden Seiten der Grenze Gefahren ausgesetzt. Auf der nepalesischen Seite gehen sie ein immer höheres Risiko ein, zurückgeschickt zu werden. Gegen Ende des Jahres 2005 zeigte sich die nepalesische Polizei strikter im Umgang mit Tibetern, die durch die nepalesischen Grenzgebiete nach Katmandu reisten. Im Oktober 2000 starb ein tibetischer Mönch auf dem Weg ins Krankenhaus, nachdem ein nepalesischer Polizist auf ihn geschossen hatte.
Die International Campaign for Tibet fordert den UNHCR auf, den Schutz der in Nepal angekommenen Gruppe tibetischer Flüchtlinge zu gewährleisten, da die Gefahr der Ab-schiebung nach China besteht, wo ihnen Menschenrechtsverletzungen drohen.
Die chinesischen bewaffneten Einheiten haben widerrechtlich und in unverhältnismäßiger Weise Gewalt angewandt. Internationales Recht erlaubt den Gebrauch von Schusswaffen durch Grenzbeamte nur als letzten Mittel und im Falle akuter Lebensgefahr. Die Interna-tional Campaign for Tibet ruft die Staatengemeinschaft und einzelne Staaten dazu auf, offiziell ihre Missbilligung gegenüber der chinesischen Regierung ausdrücken und ihren massiven Bruch international anerkannter Menschenrechte zu verurteilen, der zum Tod mindestens einer Tibeterin führte.
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