Tibet-Politik
Eliot Pattison: Warum ich über Tibet schreibe
6. Oktober 2005
Warum Tibet?
Wann immer ich das Vergnügen habe, vor Publikum aus meinen Büchern zu lesen, wird mir hinterher eine Frage gestellt, die kurz gesagt so lautet: Warum Tibet? Oder genauer: Warum lassen Sie Ihre Bücher in einem so fremden, weit entfernten Land spielen? Manche Leser nehmen an, ich habe schlichtweg einen so exotischen Schauplatz gewählt, um meinen Kriminalromanen eine besondere Farbe und Atmosphäre zu verleihen.
Die Antwort darauf ist aber weit komplexer. Die Realitäten im modernen Tibet und den dramatischen Kampf des tibetischen Widerstands in all seinen Facetten darzustellen ist mir ebenso wichtig, wie einen faszinierenden Kriminalroman zu schreiben. Von all den Attributen, die mir verliehen werden, bin ich auf keines stolzer als jenes, das besagt, ich sei Teil des tibetischen Widerstands. Meine Gefühle gehen tief.
Ich schreibe über Tibet, nicht weil ich Buddhist bin, sondern weil ich kein Buddhist bin und weil die elementaren Schätze Tibets weit über Religion und Philosophie hinausgehen und Dinge lehren, die vom Rest der Welt unbedingt gelernt werden müssen. Sich auf die Seite Tibets zu schlagen bedeutet nicht, zum Buddhismus überzutreten – es bedeutet ein Bekenntnis zu Mitgefühl, Selbsterkenntnis, Menschenrechten und politischer Gleichheit.
Ich schreibe über Tibet, um jenen, die nicht dorthin reisen können, einen Eindruck zu vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn man einen bewaffneten Polizisten sieht, der über einen betenden Mönch herfällt.
Ich schreibe über Tibet, weil ich, nachdem ich Millionen von Kilometern um unseren Planeten gereist bin, keine perfekteres Objektiv kenne, um uns selbst und die Welt, die wir erschaffen haben, zu untersuchen.
Ich schreibe über Tibet, weil ich in einem Krieg zwischen Mönchen, die Gebetsperlen tragen, und Soldaten, die Maschinengewehre tragen, immer auf der Seite der Mönche stehen will.
Ich schreibe über Tibet, weil ich mich für das schäme, was frühere Generationen den Indianern und anderen eingeborenen Stämmen angetan haben. Ich weiß, daß ähnliches nun in Tibet geschieht, vor unseren Augen, und ich möchte nicht, daß meine Nachkommen sich für das schämen, was wir dort geschehen lassen.
Ich schreibe über Tibet, weil es auf der Erde kein eindeutigeres Symbol gibt für den Kampf einer seelenlosen Bürokratie und sinnentleerter globaler wirtschaftlicher Zwänge gegen Tradition, Spiritualität und ethnische Identität.
Ich schreibe über Tibet, weil man sich unten in der Welt nach Helden und Heiligen sehnt, während es so viele unbesungene auf dem Dach der Welt gibt.
Ich schreibe über Tibet, weil ich in einer Stunde neben einem stillen Mönch mehr höre als in den hundert Stunden, in denen ich den westlichen Medien lausche.
Ich schreibe über Tibet, weil dort der Samen des Gegengifts gegen die geplagte Welt zu finden ist, die wir geschaffen haben.
Ich schreibe über Tibet, weil Tibet ein Mönch ist, der vor einer Dampfwalze sitzt, und wenn genügend viele Menschen auf der ganzen Welt neben diesem Mönch sitzen, können wir die Dampfwalze aufhalten.
Das Credo des Ideologen, der die Invasion Tibets befahl, lautete: Politische Macht kommt aus dem Lauf eines Gewehres. In dieser und in vielen anderen Hinsichten hat Tibet uns eine neue Wahrheit gezeigt, denn der tibetische Widerstand hat das Gegenteil bewiesen.
Eliot Pattison
Eliot Pattison (56) ist Journalist, Rechtsanwalt und erfolgreicher Bestseller-Autor. Seine Tibet-Krimis reißen nicht nur mit – sie geben auch einen hervorragenden Einblick in das Leben und das Leid des tibetischen Volkes. Er ist oft nach Tibet und China gereist und lebt mit seiner Familie in Oley, Pennsylvania. Bisher sind vier Romane um den Ermittler Shan erschienen: "Der fremde Tibeter", "Das Auge von Tibet", "Das tibetische Orakel" (alle im Aufbau Taschenbuch Verlag) sowie im Verlag Rütten & Loening "Der verlorene Sohn von Tibet". Mehr Informationen
6. Oktober 2005
Warum Tibet?
Wann immer ich das Vergnügen habe, vor Publikum aus meinen Büchern zu lesen, wird mir hinterher eine Frage gestellt, die kurz gesagt so lautet: Warum Tibet? Oder genauer: Warum lassen Sie Ihre Bücher in einem so fremden, weit entfernten Land spielen? Manche Leser nehmen an, ich habe schlichtweg einen so exotischen Schauplatz gewählt, um meinen Kriminalromanen eine besondere Farbe und Atmosphäre zu verleihen.
Die Antwort darauf ist aber weit komplexer. Die Realitäten im modernen Tibet und den dramatischen Kampf des tibetischen Widerstands in all seinen Facetten darzustellen ist mir ebenso wichtig, wie einen faszinierenden Kriminalroman zu schreiben. Von all den Attributen, die mir verliehen werden, bin ich auf keines stolzer als jenes, das besagt, ich sei Teil des tibetischen Widerstands. Meine Gefühle gehen tief.
Ich schreibe über Tibet, nicht weil ich Buddhist bin, sondern weil ich kein Buddhist bin und weil die elementaren Schätze Tibets weit über Religion und Philosophie hinausgehen und Dinge lehren, die vom Rest der Welt unbedingt gelernt werden müssen. Sich auf die Seite Tibets zu schlagen bedeutet nicht, zum Buddhismus überzutreten – es bedeutet ein Bekenntnis zu Mitgefühl, Selbsterkenntnis, Menschenrechten und politischer Gleichheit.
Ich schreibe über Tibet, um jenen, die nicht dorthin reisen können, einen Eindruck zu vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn man einen bewaffneten Polizisten sieht, der über einen betenden Mönch herfällt.
Ich schreibe über Tibet, weil ich, nachdem ich Millionen von Kilometern um unseren Planeten gereist bin, keine perfekteres Objektiv kenne, um uns selbst und die Welt, die wir erschaffen haben, zu untersuchen.
Ich schreibe über Tibet, weil ich in einem Krieg zwischen Mönchen, die Gebetsperlen tragen, und Soldaten, die Maschinengewehre tragen, immer auf der Seite der Mönche stehen will.
Ich schreibe über Tibet, weil ich mich für das schäme, was frühere Generationen den Indianern und anderen eingeborenen Stämmen angetan haben. Ich weiß, daß ähnliches nun in Tibet geschieht, vor unseren Augen, und ich möchte nicht, daß meine Nachkommen sich für das schämen, was wir dort geschehen lassen.
Ich schreibe über Tibet, weil es auf der Erde kein eindeutigeres Symbol gibt für den Kampf einer seelenlosen Bürokratie und sinnentleerter globaler wirtschaftlicher Zwänge gegen Tradition, Spiritualität und ethnische Identität.
Ich schreibe über Tibet, weil man sich unten in der Welt nach Helden und Heiligen sehnt, während es so viele unbesungene auf dem Dach der Welt gibt.
Ich schreibe über Tibet, weil ich in einer Stunde neben einem stillen Mönch mehr höre als in den hundert Stunden, in denen ich den westlichen Medien lausche.
Ich schreibe über Tibet, weil dort der Samen des Gegengifts gegen die geplagte Welt zu finden ist, die wir geschaffen haben.
Ich schreibe über Tibet, weil Tibet ein Mönch ist, der vor einer Dampfwalze sitzt, und wenn genügend viele Menschen auf der ganzen Welt neben diesem Mönch sitzen, können wir die Dampfwalze aufhalten.
Das Credo des Ideologen, der die Invasion Tibets befahl, lautete: Politische Macht kommt aus dem Lauf eines Gewehres. In dieser und in vielen anderen Hinsichten hat Tibet uns eine neue Wahrheit gezeigt, denn der tibetische Widerstand hat das Gegenteil bewiesen.
Eliot Pattison
Eliot Pattison (56) ist Journalist, Rechtsanwalt und erfolgreicher Bestseller-Autor. Seine Tibet-Krimis reißen nicht nur mit – sie geben auch einen hervorragenden Einblick in das Leben und das Leid des tibetischen Volkes. Er ist oft nach Tibet und China gereist und lebt mit seiner Familie in Oley, Pennsylvania. Bisher sind vier Romane um den Ermittler Shan erschienen: "Der fremde Tibeter", "Das Auge von Tibet", "Das tibetische Orakel" (alle im Aufbau Taschenbuch Verlag) sowie im Verlag Rütten & Loening "Der verlorene Sohn von Tibet". Mehr Informationen
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