Pressemitteilung: Tibet: Kollektivstrafen im Umfeld von Selbstverbrennungen / Behörden wollen Angehörige, Klöster und Dorfgemeinschaften bestrafen / ICT: „Eklatanter Verstoß gegen Menschenrechte“
Berlin, 25. Februar 2014. Die Behörden des Landkreises Dzoege (chin.: Ruo’ergai) in der Autonomen Präfektur Ngaba haben eine Anordnung erlassen, die für den Fall neuer Selbstverbrennungen Kollektivstrafen gegen Familien, Klöster und Dorfgemeinschaften vorsieht. Die osttibetische Region, die im Jahr 1955 verwaltungsmäßig der Provinz Sichuan zugeschlagen wurde, war in den vergangenen Jahren Schauplatz von insgesamt neun Selbstanzündungen. Konkret ist unter anderem vorgesehen, dass

  • Familienangehörige und Verwandte von Menschen, die sich selbst angezündet haben, nicht in den öffentlichen Dienst aufgenommen werden und keine staatlichen Unterstützungsleistungen mehr empfangen können,
  • Dörfer, die Schauplatz von Selbstverbrennungen waren, jegliche Unterstützung durch die Regierung verlieren und von der Vergabe von öffentlichen Darlehen ausgeschlossen werden,
  • Klöster, in denen Selbstverbrennungen stattfinden, ein „Pfand“ zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (ca. 1.200 bis 60.000 €) zahlen müssen.

Ferner drohen die Behörden mit „Rechtserziehung“ für Dorfbewohner und Klöster, wobei Betroffene bei „relativ geringfügigen Fällen“, so die Anordnung, zwangsweise an fünfzehntägigen „Kursen“ teilnehmen müssen, die „außerhalb“ stattfänden. Schließen lässt dies darauf, dass offenbar bei von den Behörden als „schwere Fälle“ angesehene Vorfälle eine weit umfangreichere „Rechtserziehung“ nach sich ziehen und zu diesem Zwecke Personen gegen ihren Willen über einen längeren Zeitraum festgehalten werden sollen. So wurden schon im April 2011 rund 300 Mönche aus dem Kloster Kirti in Ngaba nach der Selbstverbrennung eines Mönches für mehrere Monate an einen unbekannten Ort verbracht, wo sie „patriotischer Erziehung“ unterzogen wurden (siehe International Campaign for Tibet, 26. Mai 2011: „Crackdown shows no sign of easing“, https://savetibet.de/fileadmin/user_upload/content/berichte/Aktuelle_Berichte/ICT_Bericht_28062011.pdf). Eine gesetzliche Grundlage für derartige Zwangsmaßnahmen nennt die Anordnung nicht.
Dem Dokument zufolge sollen Familien und Dörfer in Dzoege ferner öffentlich als „unzuverlässig“ gebrandmarkt werden, sofern sich Angehörige oder Dorfbewohner selbst anzünden. Das insgesamt 16 Punkte umfassende Dokument war bereits am 8. April des vergangenen Jahres auf Chinesisch und Tibetisch veröffentlicht worden. Wegen des Versuchs einer umfassenden Informationssperre durch die chinesischen Behörden gelangte es jedoch erst jetzt an die Öffentlichkeit.
Nach Auffassung der International Campaign for Tibet (ICT) stellen die Maßnahmen in Dzoege eine neue Qualität der Repressionen in Tibet dar. Während schon Ende 2012 der Oberste Gerichtshof mit einer „Meinung“ einen offenbar völlig neuen Straftatbestand geschaffen hatte, um vermeintliche „Anstifter“ von Selbstverbrennungen mit hohen Strafen belangen zu können (siehe Dui Hua, Human Rights Journal, 5. Dezember 2012: „China Outlines Criminal Punishments for Tibetan Self-Immolations“, http://www.duihuahrjournal.org/2012/12/china-outlines-criminal-punishments-for.html), richten sich die jetzt bekannt gewordenen Maßnahmen gegen das weitere familiäre Umfeld und ganze Gemeinschaften. ICT-Geschäftsführer Kai Müller sagte dazu: „Die Kriminalisierung des Umfelds von Selbstverbrennungen und die Bestrafung von Familien und ganzen Dörfern stellt einen eklatanten Verstoß gegen fundamentale Menschenrechte dar. Wir fordern ein sofortiges Ende dieser Maßnahmen und stattdessen eine Politik, die die Ursachen der Selbstverbrennungen beseitigt.“
Einen detaillierten Bericht mit einer Übersetzung des chinesischsprachigen Originaldokuments finden Sie hier: https://savetibet.de/fileadmin/user_upload/content/berichte/Aktuelle_Berichte/ICT_Bericht_24022014.pdf.
Die Originaldokumente in chinesischer und tibetischer Sprache finden Sie hier (Flickr): http://www.flickr.com/photos/118672071@N02/12766538965/, http://www.flickr.com/photos/118672071@N02/12767965055/.
Pressekontakt:
Kai Müller
Geschäftsführer
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Schönhauser Allee 163
D-10435 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 27879086
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E-Mail: presse(at)savetibet.de

Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit mehr als 20 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel, London und Berlin sowie Rechercheteams in Dharamsala, Indien, und Kathmandu, Nepal.

Berlin, 16. März 2011. Der 21 Jahre alte tibetische Mönch Phuntsog aus dem Kloster Kirti in Ngaba (chin.: Aba) in der chinesischen Provinz Sichuan hat sich heute Morgen öffentlich angezündet und ist anschließend seinen Verletzungen erlegen. Augenzeugen in Kontakt mit tibetischen Exil-Quellen zufolge soll die Polizei die Flammen gelöscht und auf Phuntsog eingeschlagen haben. Kurz danach sei der Mönch gestorben. Die Selbstverbrennung Phuntsogs fiel zusammen mit dem dritten Jahrestag der blutigen Niederschlagung des friedlichen Protests im Kloster Kirti im Jahre 2008. Dabei waren mindestens zehn Tibeter von chinesischen Sicherheitskräften erschossen worden.

Der Tod Phuntsogs führte anschließend zu einer großen Demonstration, an der sich mehrere Hundert Mönche und weitere Tibeter beteiligten, wie dieselben Quellen berichten. Diesen Protestzug habe die Polizei gewaltsam gestoppt und dabei eine unbekannte Anzahl von Mönchen verhaftet sowie protestierende Tibeter geschlagen. Der Leichnam Phuntsogs wurde unterdessen ins Kloster Kirti zurückgebracht. Wie ein tibetischer Mönch im nordindischen Dharamsala sagte, seien die Mönche in Kirti „eher bereit zu sterben, als Phuntsogs Leiche den chinesischen Behörden zu übergeben“. Inzwischen soll das Kloster von chinesischem Militär umstellt sein, offenbar seien auch einige Telefonverbindungen unterbrochen worden.

Die Selbstverbrennung Phuntsogs ist bereits die zweite im Kloster Kirti seit dem Frühjahr 2008. Im Februar 2009 hatte sich der Mönch Tapey ebenfalls in Brand gesetzt, nachdem eine Gebetszeremonie innerhalb des Klosters von den chinesischen Behörden untersagt worden war. Tapey überlebte, wurde allerdings anschließend inhaftiert. Wo er derzeit festgehalten wird, ist unbekannt. Nach Einschätzung der International Campaign for Tibet (ICT) ist der aktuelle Vorfall in hohem Maße erschütternd. Phuntsogs Selbstverbrennung zeige auf drastische Art die Verzweiflung der Tibeter über die kompromisslose Linie Pekings in ihrer Heimat.

Kontakt:

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