Tibet-Politik

Treffen zwischen Präsidenten Hu und dem offiziellen Panchen Lama: Intensivierung der Kampagne Beijings zur Anerkennung des ‚falschen Panchen‘
4. Februar 2005
Gestern traf Chinas Parteisekretär und Präsident Hu Jintao in der Großen Halle des Volkes auf Gyaltsen Norbu, den von Beijing zum XI. Panchen Lama bestimmten Jungen. Das Treffen verdeutlicht die hohe Priorität, welche der Anerkennung des Jungen als XI. Panchen Lama eingeräumt wird. Die meisten Tibeter akzeptieren den Jungen nicht als rechtmäßigen Panchen Lama und bewahren damit ihre Treue zu Gendun Choekyi Nyima, dem vom Dalai Lama anerkannten Jungen. Dieser wurde 1995 von den Chinesen entführt.
Präsident Hu nutze die Gelegenheit des Treffens für eine seltene Stellungnahme: Er versicherte, der Tibetangelegenheit besondere Aufmerksamkeit zu schenken und betonte seine persönliche Verbindung zum X. Panchen Lama. Dieser wurde unter den Tibeter für seine Unterstützung der tibetischen Kultur und Sprache hoch geschätzt. Berichten zufolge habe Hu zu Gyaltsen Norbu gesagt: “Ich hatte mehrfachen Kontakt zum X. Panchen Lama. Ich war sogar an seiner Seite, als er starb. Ich erzähle Ihnen dies in der Hoffnung, dass Sie dem Beispiel Seiner Heiligkeit folgen und zu einem weiteren Vorbild der Liebe für das Land und der eigenen Wurzeln werden.”
Das Treffen mit Hu verdeutlicht die Unzufriedenheit über eine anhaltende Kampagne Chinas, welche die Anerkennung des Jugendlichen als legitime religiöse und patriotische Figur stärken soll. Das Treffen folgte auf eine Versammlung in der Provinz Qinghai vergangenen November, auf welcher hochrangige tibetische religiöse Führungspersonen dazu gedrängt wurden, den offiziellen Panchen stärker zu unterstützen. Den buddhistischen Führern wurde mit nicht näher genannten Strafen gedroht, sollten sie diesen Anordnungen nicht Folge leisten. Ihnen wurde auch mitgeteilt, dass die mangelhafte Kooperationsbereitschaft des tibetischen Volkes während eines Besuchs Gyaltsen Norbus in der Region im Jahre 2003 die Behörden verärgert habe. (Reuters, 24. Januar und Associated Press, 23. Januar)
Wie Xinhua gestern (3. Februar) berichtete, erkundigte sich Hu, der ehemalige Parteisekretär der Autonomen Region Tibet, bei Gyaltsen Norbu nach seinen Fortschritten in seiner religiösen und akademischen Ausbildung. Er ermutigte ihn, von seinem Vorgänger, dem X. Panchen Lama, zu lernen, ein “lebender Buddha voller Liebe zu seinem Land und seiner Religion” zu sein.
Der X. Panchen Lama starb am 28. Januar 1989 im Alter von 50 Jahren im Kloster Tashilhunpo, dem traditionellen Sitz der Panchen Lamas in Shigatse, fünf Tage nachdem Hu Jintao, damals Parteisekretär für die Autonome Region Tibet, im Kloster angekommen war. Der X. Panchen Lama wurde besonders durch seine “70.000 Zeichen Petition” bekannt, die er Mao Zedong 1962 übergab. Es handelte sich um eine ausdrucksstarke kritische Analyse der chinesischen Politik und Praxis in Tibet besonders während der Jahre 1959-61. Mao reagierte hart auf die Petition. Der X. Panchen Lama verbrachte die folgenden 14 Jahre im Gefängnis oder unter Hausarrest. Ein Jahrzehnt später übte er erneut vernichtende Kritik an der Politik der Partei. 1989 forderte er in Shigatse sogar, dass dem Dalai Lama erlaubt würde, mit ihm bezüglich der Parteipolitik zusammenzuarbeiten. Nur wenige Tage nach seiner Rede starb er plötzlich, angeblich in Folge eines Herzinfarktes. Trotz der deutlichen Kritik in seinen Reden wird der X. Panchen Lama heute von der Partei als “Patriot” beschrieben.
Für die Tibeter selbst stellt die Loyalität zu Gedhun Choekyi Nyima, dem vom Dalai Lama im Mai 1995 als Reinkarnation des X. Panchen Lama anerkannten Jungen, eine Art dar, ihre Treue zum Dalai Lama auszudrücken. In Tibet wird Gyaltsen Norbu oft als “Panchen Zuma” – wörtlich übersetzt “falscher Panchen” – bezeichnet.
Gelegentlich zeigen Tibeter ihre wahre Loyalität, indem sie lediglich ein sehr kleines Foto von Gyaltsen Norbu neben einem großen, gerahmten Portrait des X. Panchen Lama aufstellen. Der Besitz von Abbildungen Gendun Choekyi Nyimas wird als Bedrohung der Einheit Chinas und der nationalen Sicherheit Tibets behandelt. Gendun Choekyi Nyima, der vom Dalai Lama als der XI. Panchen Lama anerkannt wurde, wird von den chinesischen Behörden an einem unbekannten Ort festgehalten.
Die chinesischen Medien begannen in den späten neunziger Jahren, Gyaltsen Norbu als patriotischen religiösen Führer zu propagieren, nachdem die offizielle Presse lange über den Jungen geschwiegen hatte. Die Berichterstattung setzte im Juni 1999 mit seinem streng bewachten Besuch des offiziellen Sitzes der Panchen Lamas, dem Kloster Tashilhunpo in Shigatse, und in Lhasa ein.
Obwohl Gyaltsen Norbu von Xinhua im Artikel zum Treffen zwischen Hu und dem Jungen als „weitgehend öffentlichkeitsscheu“ beschrieben wird, erschien er in den letzten Jahren bei einer Reihe von Auftritten in tibetischen Regionen und in Beijing, die große Medienbeachtung fanden. Während seines letzten Besuchs in der Provinz Qinghai im Nordwesten Chinas, dem traditionell tibetischen Gebiet Amdo, im August 2003 traf er die Mutter des X. Panchen Lama, Sonam Drolma, in der Präfektur Haidong. Ein Nebenartikel, der am 13. August 2003 von Xinhua auf Chinesisch veröffentlicht wurde, beschrieb seinen Besuch. Er wurde von der offiziellen Nachrichtenagentur fünf Stunden nach seiner Veröffentlichung aus nicht genannten Gründen zurückgezogen. Berichtet wurde von „herzlichen Gesprächen“ und dass er sich “gemeinsam mit der Familie fotografieren“ ließ. Wie die People’s Daily berichtete, habe der Junge auf einer Abschiedsfeier während seines Besuchs gesagt, er wünsche dem Volk von Qinghai ein solides Leben, eine prosperierende Wirtschaft und Einheit unter den verschiedenen ethnischen Minderheiten. Den Minderheiten wünsche er, auf dem Pfad zum Sozialismus chinesischer Art unter der Führung der Kommunistischen Partei Chinas voranzukommen (People’s Daily, 13. August 2003). Diese Stellungnahme veranschaulicht das Ziel der Behörden, sich für parteipolitische Zwecke religiöser Führungspersönlichkeiten – egal ob offiziell ausgewählt oder nicht – zu bedienen.

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