Erneut Selbstverbrennung in Nordosttibet / Vierter Fall in einer Woche
26. Oktober 2012. Erneut kam es heute in Nordosttibet zur Selbstverbrennung eines Tibeters. Schauplatz des Geschehens war zum vierten Mal innerhalb einer Woche der Landkreis Sangchu (chin.: Xiahe) in der Tibetisch Autonomen Präfektur Kanlho (chin.: Gannan), die verwaltungsmäßig zur Provinz Gansu gehört. Wie Exilquellen mit direkten Kontakten in die Region berichten, setzte sich der 24-jährige Nomade Lhamo Tseten am heutigen Nachmittag Ortszeit in der Ortschaft Amchok selbst in Brand. Die Selbstanzündung soll vor dem örtlichen Militärstützpunkt und der Ortschaftsverwaltung von Amchok stattgefunden haben. Lhamo Tseten soll an Ort und Stelle gestorben sein, so die Quellen weiter. Er hinterlässt eine Frau und eine zweijährige Tochter. Lhamo Tsetens Selbstverbrennung fand statt, obwohl die staatlichen Behörden ihr Aufgebot an Sicherheitskräften in der Region nach den vorangegangenen Selbstanzündungen deutlich verstärkt hätten. Mit der Selbstverbrennung von Lhamo Tseten steigt deren Gesamtzahl seit Februar 2009 auf nunmehr 59. Es war die siebte Selbstverbrennung im Oktober, sechs davon fanden in derselben nordosttibetischen Präfektur Kanlho statt.
"Die erneute Selbstverbrennung in Nordosttibet stellt eine dramatische Zuspitzung in der Region dar. Die chinesischen Behörden müssen endlich auf die Tibeter zugehen, die Repressionen einstellen und in einen echten Dialog mit dem Dalai Lama treten", forderte Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet Deutschland (ICT).
Lhamo Tseten stammte aus dem Dorf Kad, etwa fünf Kilometer von Amchok entfernt und in der Nähe der Baustelle eines neuen Flughafens, den die Behörden derzeit in der Region errichten. Der Flughafen, dessen Bau vor drei Jahren beschlossen wurde, ist wiederholt Gegenstand von Auseinandersetzungen mit der lokalen Bevölkerung gewesen, unter anderem wohl auch, weil er in der Nähe eines von Tibetern als heilig angesehenen Bergs liegt. Aus Amchok stammende Tibeter berichteten, dass es 2010 wegen der starken Proteste zu einem Baustopp gekommen sei. Nach der Stationierung starker Verbände von Militär und paramilitärischer Polizei sei der Bau im vergangenen Jahr wieder aufgenommen worden, die Fertigstellung soll in ein oder zwei Jahren anstehen, so tibetische Quellen. In diesem Jahr soll ein Tibeter aus Amchok von der Polizei erschossen worden sein, nachdem man ihm vorgeworfen hatte, auf der Flughafenbaustelle gestohlen zu haben. Diese Vorwürfe wurden jedoch nicht bewiesen. Im vergangenen Dezember war ein ebenfalls aus Amchok stammender Tibeter in Labrang von der Polizei zu Tode geprügelt worden, nachdem er mit seinem Motorrad im nahe gelegenen Labrang angehalten worden war. Er soll in seinen Zwanzigern gewesen sein.
Den aktuellen ICT-Bericht inklusive eines Fotos von Lhamo Tseten finden Sie hier.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit mehr als 20 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel, London und Berlin sowie Rechercheteams in Dharamsala, Indien, und Kathmandu, Nepal.
Der Tod Phuntsogs führte anschließend zu einer großen Demonstration, an der sich mehrere Hundert Mönche und weitere Tibeter beteiligten, wie dieselben Quellen berichten. Diesen Protestzug habe die Polizei gewaltsam gestoppt und dabei eine unbekannte Anzahl von Mönchen verhaftet sowie protestierende Tibeter geschlagen. Der Leichnam Phuntsogs wurde unterdessen ins Kloster Kirti zurückgebracht. Wie ein tibetischer Mönch im nordindischen Dharamsala sagte, seien die Mönche in Kirti „eher bereit zu sterben, als Phuntsogs Leiche den chinesischen Behörden zu übergeben“. Inzwischen soll das Kloster von chinesischem Militär umstellt sein, offenbar seien auch einige Telefonverbindungen unterbrochen worden.
Die Selbstverbrennung Phuntsogs ist bereits die zweite im Kloster Kirti seit dem Frühjahr 2008. Im Februar 2009 hatte sich der Mönch Tapey ebenfalls in Brand gesetzt, nachdem eine Gebetszeremonie innerhalb des Klosters von den chinesischen Behörden untersagt worden war. Tapey überlebte, wurde allerdings anschließend inhaftiert. Wo er derzeit festgehalten wird, ist unbekannt. Nach Einschätzung der International Campaign for Tibet (ICT) ist der aktuelle Vorfall in hohem Maße erschütternd. Phuntsogs Selbstverbrennung zeige auf drastische Art die Verzweiflung der Tibeter über die kompromisslose Linie Pekings in ihrer Heimat.
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