Systematischer Versuch,
die tibetische Kultur
auszulöschen

 

Quelle: Tibet Rights Collective/Twitter

Berlin, 11.04.2023. In der Volksrepublik China vollzieht sich derzeit eine dramatische Kursverschärfung mit bedrohlichen Konsequenzen für Tibeter, Uiguren, Mongolen und letztlich alle Angehörigen der 55 vom Staat offiziell so bezeichneten ethnischen „Minderheiten“-Gruppen. Personifiziert wird sie von dem KP-Funktionär Pan Yue, der im vergangenen Herbst auch zum Vollmitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ernannt wurde.

Von nichts geringerem als „Chinas Plan zur Assimilierung Tibets“ sprach unlängst bereits das Magazin „Newsweek“ in einem ausführlichen Artikel. Tibet sei heute ein effektiver Polizeistaat; Peking verfolge dort das Ziel, die junge Generation langfristig zu kontrollieren, um sie mit der Ideologie der Kommunistischen Partei zu indoktrinieren. Systematisch versuche das KP-Regime, die tibetische Identität auszulöschen.

Dazu hat China in Tibet ein Internatssystem aufgebaut, in dem etwa 1 Million tibetische Kinder untergebracht sind. Erst Anfang Februar äußerte sich eine Gruppe von Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen darüber höchst besorgt. Denn die jungen Tibeter werden aus ihren Elternhäusern entfernt und in einem Umfeld unterrichtet, das auf die dominante Han-chinesische Kultur ausgerichtet ist und in dem der Zugang zu ihren eigenen kulturellen, religiösen und sprachlichen Wurzeln stark eingeschränkt ist.

„Infolgedessen verlieren tibetische Kinder den Umgang mit ihrer Muttersprache und die Fähigkeit, sich mit ihren Eltern und Großeltern in der tibetischen Sprache zu verständigen, was zu ihrer Assimilierung und Erosion ihrer Identität beiträgt“, so die unabhängigen Experten, die im Auftrag des UN-Menschenrechtsbüros tätig sind.

KP-Funktionär propagiert „ethnische Verschmelzung“

Bereits seit Juni letzten Jahres ist Pan Yue Leiter der Kommission für ethnische Angelegenheiten des Staatsrats, die für die Politik gegenüber Chinas sogenannten „nationalen Minderheiten“ zuständig ist. Zusammen sollen sie derzeit knapp 9 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen; 91 Prozent der Bevölkerung der Volksrepublik China gehören demnach der dominierenden Gruppe der Han-Chinesen an.

In der Vergangenheit habe die ethnische Politik der KPCh zwischen „Multikulturalismus“ und „Assimilationismus“ geschwankt, schreibt der China-Forscher Aaron Glasserman. Phasen der Anerkennung und sogar Würdigung unterschiedlicher ethnischer Identitäten hätten sich abgewechselt mit solchen der Leugnung und Zerstörung dieser Identitäten. Die Aufnahme von Pan Yue ins Zentralkomitee deutet für ihn darauf hin, „dass der harte Kurs der Xi-Regierung in Richtung Assimilierung wahrscheinlich fortgesetzt und vielleicht sogar noch verstärkt“ wird.

Pan befürworte bereits seit Langem die Nutzung chinesischer Traditionen zur Sicherung der Kontrolle der KPCh. Bereits vor mehr als 30 Jahren habe er eine kreative Anpassung der traditionellen chinesischen Kultur gefordert, um das sozialistische System Chinas zu sichern. Auch die Religion solle zur Stärkung der politischen Kontrolle genutzt werden.

Früh schon habe Pan uneingeschränkt die „ethnische Fusion“ befürwortet. In seiner Dissertation aus dem Jahr 2002 habe er vorgeschlagen, im Laufe des nächsten halben Jahrhunderts 50 Millionen Han aus Ost- und Zentralchina in Westchina anzusiedeln. Nicht zuletzt könne dies aus Sicht der KP-Führung die Bedrohung durch ethnischen Separatismus beseitigen, indem sie die Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen verwische und die „ethnische Verschmelzung“ fördere.

Tradition der chinesischen Kolonisierung

Damit habe Pan an eine „längere Tradition der chinesischen Kolonisierung“ angeknüpft, sagt China-Forscher Glasserman. Besonderes Augenmerk lege Pan auf die Rolle der Religionen. Während einige ausländische Religionen seiner Ansicht nach in die chinesische Kultur integriert werden könnten, gelte dies nicht für den tibetischen Buddhismus und den Islam, die er beide als „unreformiert“, theokratisch und irrational bezeichnet. Pan kritisiere eine aus seiner Sicht „übertriebene Achtung der sprachlichen Vielfalt“ und fordere stattdessen, die ethnische Einheit und Verschmelzung zu stärken. Man solle nicht so viel Wert auf die Minderheitensprachen legen, sondern stattdessen das Standardmandarin fördern.

Besonders negativ sei Pans Sicht auf Chinas System der sogenannten ethnischen Gebietsautonomie, in deren Rahmen den „nationalen Minderheiten“ zumindest auf dem Papier ein gewisses Maß an Mitspracherecht eingeräumt wird. Pan sehe in der Institutionalisierung kultureller und demografischer Unterschiede eine Triebkraft für ethnischen Separatismus und eine Bedrohung der nationalen Sicherheit.

In Pans Ernennung zum Leiter der Kommission für ethnische Angelegenheiten und seiner Aufnahme in das Zentralkomitee erkennt Glasserman eine deutliche Kursbestimmung der chinesischen KP-Führung. Pan sei deutlich der Idee der „ethnischen Fusion“ verpflichtet und treibe diese weiter voran. In einer seiner ersten veröffentlichten Erklärungen nach dem Parteitag vom vergangenen Herbst habe er dazu aufgerufen, „Kontakt, Interaktion und Vermischung“ zwischen den ethnischen Gruppen zu fördern.

Auch die Wirtschaft sei hier gefordert. Private Unternehmen sollten in den Grenzregionen investieren und „eine Plattform und ein Instrument zur Förderung des Kontakts, der Interaktion und der Vermischung aller Nationalitäten zu schaffen“.

Den „kolonialen Charakter dieser Initiative“ nennt Glasserman „verblüffend, aber im Lichte von Pans früheren Schriften auch vertraut“. Journalisten und Chinawissenschaftler müssten sich nun „die erschreckenden Möglichkeiten einer ethnischen Governance“ vorstellen.

KP will in Tibet „Gemeinschaftsbewusstsein der chinesischen Nation“ fördern

Ein weiteres Beispiel für die konkrete Ausformung der chinesischen Assimilationspolitik in Tibet zeigte sich vor Kurzem in Lhasa. Groß berichteten die chinesischen Staatsmedien über die Eröffnung eines „Forschungszentrums für den Aufbau des Gemeinschaftsbewusstseins der chinesischen Nation“ in Tibets Hauptstadt. Das Zentrum solle erforschen, wie ein „Gemeinschaftsbewusstsein“ unter den Tibetern gefördert werden könne. Es solle im tibetischen Volk das fördern, was die Kommunistische Partei Chinas „Nationalbewusstsein“ nennt. Das Zentrum werde auch Schulungsprogramme für tibetische Beamte und Intellektuelle organisieren.

 

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