Vor allem Kinder und
ländliche Regionen im
Visier der Behörden
Quelle: HRW/Zhidoi PSB/WeChat
Berlin, 13.09.2022. Der chinesische Überwachungsstaat dringt in Tibet immer tiefer in die Privatsphäre der Menschen ein. Nun liegen neue Belege für die offenbar massenhafte und systematische Sammlung von Gendaten der tibetischen Bevölkerung vor. Dies geht aus einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) hervor, der sich auf offizielle Verlautbarungen der chinesischen Behörden sowie Berichte der Staatsmedien stützt.
Demnach habe etwa die Stadtverwaltung von Tibets Hauptstadt Lhasa im April 2022 mitgeteilt, dass Kindern in Kindergärten und anderen Anwohnern systematisch Blut entnommen worden sei, um ihre DNA zu speichern. Und in einer tibetischen Gemeinde im Norden von Tibet hätten die chinesischen Behörden DNA-Proben von allen Jungen ab dem fünften Lebensjahr genommen.
Dem Bericht von HRW zufolge könnten die Menschen sich nicht weigern, ihre DNA zur Verfügung zu stellen. Die chinesischen Behörden hätten in Tibet vor allem Kinder und ländliche Regionen im Visier. Offenbar solle von allen Bewohnern dieser Gebiete DNA gesammelt werden, dies gelte auch für Menschen, die dort nur vorübergehend ansässig seien.
Die chinesische Regierung habe die Tibeter bereits zuvor einer umfassenden Unterdrückung unterworfen, so Sophie Richardson, die China-Direktorin von Human Rights Watch: Jetzt nähmen die Behörden den Menschen ohne ihre Zustimmung ihr Blut ab, um ihren Überwachungsapparat zu verstärken. Die systematische Sammlung von Gendaten laufe in Tibet vermutlich schon seit mindestens drei Jahren, so der Bericht.
So gehe aus Dokumenten über die Auftragsvergabe der Behörden hervor, dass die Polizei der sogenannten Autonomen Region Tibet (TAR) bereits im Juli 2019 Angebote von Auftragnehmern für den Aufbau einer regionalen DNA-Datenbank eingeholt habe. Offenbar hätten sich die Beamten damit auf eine umfassende Sammelaktion vorbereitet. Im November 2019 habe die Polizei der Präfektur Nyingtri zudem den Aufbau einer DNA-Datenbank für ihre Region angekündigt.
Die zwangsweise Entnahme von DNA-Proben aus einer ganzen Region oder Bevölkerung zur Aufrechterhaltung der Sicherheit stelle eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung dar, so HRW, „da sie nicht als notwendig oder verhältnismäßig gerechtfertigt werden“ könne. Peking lasse jedoch Gendaten von allen Personen sammeln, „unabhängig davon, ob sie in irgendeiner Weise mit einer strafrechtlichen Untersuchung in Verbindung stehen“.
Insbesondere die Privatsphäre von Kindern sei von entscheidender Bedeutung, „um ihre Sicherheit, Handlungsfähigkeit und Würde zu gewährleisten“. Die Einschränkung der Privatsphäre eines Kindes sei nur zulässig, „wenn sie den Standards der Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht“. Dies ist in Tibet zweifelsohne nicht der Fall.