«Ich glaube, es ist
möglich, dass wir eine
hellere Zukunft haben. »

 

Foto: MIKA-Fotografie | Berlin

Für die Verleihung des ICT-Menschenrechtspreises „Schneelöwe“ am 16. März 2024 konnten wir Professor Dr. Jhy-Wey Shieh, den Botschafter Taiwans in Deutschland, als Hauptredner gewinnen. Am Rande der Veranstaltung fand Prof. Shieh die Zeit für ein längeres Interview, in dem es selbstverständlich auch um Tibet ging.

ICT: Wie sah ihre erste Begegnung mit Tibet aus?

Prof. Shieh: Ich habe schon in Taiwan einige Tibeter kennengelernt und ich wusste, dass der Satz, Tibet sei ein Teil von China, eine totale Lüge war. Später habe ich dann auch hier in Deutschland immer wieder Tibeter kennengelernt. Wir haben uns oft gegenseitig unsere Solidarität zum Ausdruck gebracht, weil wir eines wissen: Die Wurzel des Übels für das besetzte Tibet wie für das bedrohte Taiwan, das ist das chinesische kommunistische Regime.

Immer wenn die Tibeter, aber auch die Hongkonger, die Uiguren, die chinesischen Dissidenten, sagen, komm Professor Shieh, wir gehen gemeinsam auf die Straße, bin ich mitgegangen. Meistens habe ich dann eine Rede gehalten. Und am Ende habe ich immer auf Englisch gesagt: „United we stand, divided we fall“.

Wie viele Tibeter leben in Taiwan?

Ich schätze, das sind ungefähr 1000, so ganz genau weiß man das nicht. Viele von ihnen haben in den letzten Jahren kämpfen müssen wegen ihres Aufenthalts in Taiwan. Inzwischen ist das Problem aber mehr oder weniger gelöst. Nachdem die Hongkonger in so großer Zahl gekommen sind, hat man ein Flüchtlingsgesetz eingeführt.

Welche Bedeutung hat das Thema Tibet in Taiwan?

Wir Taiwaner haben es nicht leicht gehabt, bevor wir diese Demokratie auf die Beine stellen konnten. Von daher gibt es in Taiwan viele Menschen, die diese Demokratie und die Freiheit schützen. Menschen, die diese Erfahrung haben, haben immer ohne mit der Wimper zu zucken, sofort gesagt, wir und die Tibeter, wir sitzen im selben Boot.

Wie beurteilen Sie die Zukunftsperspektiven Tibets? Sehen Sie eine Möglichkeit, von außen Einfluss zu nehmen?

Das ist eine schwierige Frage. Vor 5 Jahren hätte ich eher schwarzgesehen, vor allem nach 2019, als die Protestbewegung der mutigen Hongkonger niedergeschlagen wurde, ohne dass der Westen sich großartig dafür eingesetzt hat. In den letzten Jahren jedoch haben sich die Kommunisten ins eigene Fleisch geschnitten, indem China sich sehr arrogant benommen hat.

Diese Wolfskrieger-Attitüde, hat viele, die Anrainerstaaten in Asien, aber auch die europäischen Staaten sehr alarmiert und beunruhigt. Ich bin fast 70, ich hoffe, ich wünsche mir und ich glaube, es ist es ist möglich, dass wir eine hellere Zukunft haben werden. Die Tibeter, die Hongkonger, die Taiwaner, die Chinesen und Dissidenten werden am Ende des Tunnels mit Sicherheit das Licht erblicken können.

Wie bewerten Sie die deutsche Haltung zur Tibet Frage bzw. wie sollte sich Deutschland Ihrer Meinung nach verhalten in dieser Hinsicht?

Ich würde sagen, Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt als ein Land erwiesen, das versucht, das Unrecht draußen in der Welt zu bekämpfen. Das muss man den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg hoch anrechnen. Aber, es gibt auch Punkte, wo Deutschland sich noch ein bisschen mehr bemühen könnte. Gut, den Dalai Lama hat man einmal eingeladen, danach aber nicht mehr. Warum, war der Dalai Lama plötzlich zum Terroristen geworden?

Man hat immer Angst davor, dass die Chinesen sich abwenden würden, wenn man etwas tut, was ihnen missfällt. Aber das ist verkehrt, die Chinesen sind mindestens genauso abhängig von Deutschland, von den USA, von Frankreich, von Japan, was Technologie anbelangt, zum Beispiel, was Wirtschaftsinvestitionen anbelangt. Es ist ja gar nicht so, wie es von China aus immer so dargestellt wird: Ihr seid abhängig von uns.

Diese Angst, dass die Chinesen sich so ärgern würden, dass sie sich abwenden und nicht mehr zurückkommen, diese Angst braucht man überhaupt nicht zu haben. Die kommen schon zurück, weil sie uns brauchen.

Was würden Sie sich wünschen, welche Haltung Deutschland gegenüber Taiwan einnimmt?

Es gibt eine sogenannte Ein-China-Politik und das Verhältnis zu Taiwan hat man in Deutschland immer dieser Ein-China-Politik untergeordnet. Eine Zeitlang war das vielleicht zu rechtfertigen, solange Taiwan eine Diktatur war, brauchte man kein schlechtes Gewissen haben, dieses Land nicht so sehr ernst zu nehmen. Das ist aber schon lange nicht mehr der Fall, der Status quo ist nicht mehr so wie vor 1987. Dennoch hat sich nicht viel geändert.

Das Kriegsrecht in Taiwan wurde aufgehoben und man begab sich auf den Weg in Richtung Demokratisierung und Freiheit. Das britische Magazin „Economist“ hat eine Untersuchung gemacht, und stellen sie sich vor, Taiwan war 2023 top, Nummer eins in Asien, und hat den 10. Platz von 165 Staaten belegt. Deutschland liegt hinter uns, und diese Demokratie wird trotzdem wie ein Anhängsel behandelt unter dieser Ein-China-Politik. Zum Beispiel darf ich mich nicht einmal Repräsentant von Taiwan nennen, sondern manchmal sogar von „Chinese Taipei“. Dass wir uns nicht Taiwan nennen dürfen, das sind Zugeständnisse, die nicht mit dem Völkerrecht zu rechtfertigen sind.

 

 

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