Peking verhöhnt
das Konzept der
Zivilgesellschaft
Foto:Screenshot UN Web TV
Wenn heute und morgen vor dem Sozialausschuss der Vereinten Nationen (CESCR) in Genf die Politik der chinesischen Regierung überprüft wird, stehen auf der Rednerliste auch circa 20 angebliche Nichtregierungsorganisationen aus der Volksrepublik China. Als sogenannte gesellschaftliche „Stakeholder“ haben sie zuvor Berichte eingereicht und gaukeln vor, für die chinesische Zivilgesellschaft zu sprechen.
Nichts könnte indes falscher sein. In Wahrheit stellt der Auftritt dieser Organisationen eine Verhöhnung des Konzepts einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft dar. Ihnen ist in Genf eine ganz andere Rolle zugewiesen; sie sind ausschließlich dazu da, die chinesische Regierung zu loben. Peking verspottet mit diesem Vorgehen die gesamte Idee einer Beteiligung der Zivilgesellschaft. Die Existenz einer wahrhaft freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ist jedoch in China so lange nicht vorstellbar, wie die Kommunistische Partei an ihrem totalitären Herrschaftsanspruch festhält.
„Gongos“ verdrängen kritische Beobachter
Aus Sicht des KP-Regimes bietet das massierte Auftreten der falschen NGOs mehrere Vorteile. Dieser liegt darin, dass die im Fachjargon gerne auch als „Gongos“ (Governmental-Non-Governmental Organisations) bezeichneten Organisationen „den Vorwürfen der Menschenrechtler widersprechen und dadurch legitime Redner verdrängen. Denn je mehr Gongos sich um Redezeit in den informellen Briefings durch die Zivilgesellschaft bewerben, desto weniger Zeit bleibt den kritischen Beobachtern“, wie Marcel Grzanna auf „China Table“ schreibt.
Zudem steht zu befürchten, dass die vermutlich in einigen Monaten folgende abschließende Beurteilung der chinesischen Stellungnahmen durch den Sozialausschuss von den Propagandaaussagen der „Gongos“ beeinflusst werden könnte.
Doch sind zur Überprüfung Chinas vor dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) zum Glück nicht nur Regime-Vertreter und falsche Repräsentanten einer angeblichen Zivilgesellschaft geladen. Für die International Campaign for Tibet ist Geschäftsführer Kai Müller nach Genf gereist, um dort ein Ende der rücksichtslosen Assimilationspolitik in Tibet zu fordern. Als NGO-Beobachter nimmt er an der Sitzung des Ausschusses teil.
Fokus auf chinesische Zwangsinternate in Tibet
Für ICT stehen dabei insbesondere die chinesischen Zwangsinternate im Fokus, mittels derer Peking versucht, Tibets Jugend ihrer traditionellen Sprache und Kultur zu entfremden. Auch der tibetische Erziehungswissenschaftler Dr. Gyal Lo (im Bild rechts neben ICT-Geschäftsführer Kai Müller) ist nach Genf gereist, um dem Thema die gebührende Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Dr. Gyal Lo gilt als der weltweit wichtigste Zeuge für Pekings Internatssystem in Tibet. Seine Enthüllungen haben wesentlich dazu beigetragen, die Weltöffentlichkeit über Ausmaß und Umfang dieser beispiellosen Assimilationskampagne zu informieren.
Bereits im Vorfeld der CESCR-Sitzung hat ICT in einem gemeinsam mit der Loyola Law School verfassten Bericht an den Ausschuss ernsthafte Bedenken hinsichtlich der chinesischen Bildungspolitik in Tibet geäußert, die zur Trennung bis zu einer Million tibetischer Kinder von ihren Familien und ihrer Kultur geführt hat.