Dem Handelsblatt liegt seit einigen Jahren einmal monatlich oder auch in größeren Zeitabständen die von „China Daily“ herausgegebene deutschsprachige Beilage „China Watch“ bei. Foto: ICT

Es ist nicht mehr nachvollziehbar: Während die eigene Korrespondentin die Hetze chinesischer Staatsmedien wie „China Daily“ gegen ausländische Journalisten beklagt, verbreitet das Handelsblatt Propaganda ebendieser Medien. Handelsblatt China-Korrespondentin Dana Heide weist auf Twitter seit Tagen darauf hin, dass sie und andere ausländische Journalisten beispielsweise im Zuge ihrer Berichterstattung über die Flutkatastrophe in Henan sowohl online und auf sozialen Netzwerken, als auch teilweise während ihrer Berichterstattung vor Ort massiv angegriffen werden. Fast zeitgleich verbreitet ihr Arbeitgeber erneut eine bezahlte Beilage von „China Daily“.

Kürzlich forderte die Henan Communist Youth League ihre 1,6 Millionen Follower auf Chinas größtem sozialen Netzwerk Weibo auf, den möglichen Aufenthaltsort des BBC-Reporters Robin Brant zu nennen, nachdem er längst schon zum Ziel einer viralen Online-Hasskampagne geworden war. Dies bestätigte unter anderem auch der Foreign Correspondents Club of China (FCCC). Robin Brant hatte in einem Beitrag die Maßnahmen der Lokalregierung nach der Flut hinterfragt, als unter anderem mindestens zwölf Menschen in einer überfluteten U-Bahn ertrunken waren.

Die gefährlichen Auswirkungen dieser Hetzjagd bekam Mathias Bölinger von der Deutschen Welle (DW) besonders stark zu spüren, weil er auf der Straße mit Robin Brant verwechselt wurde. Lea Sahay von der Süddeutschen Zeitung (SZ) beschreibt in ihrem Bericht vom 27. Juli 2021, wie Bölinger während eines Interviews mit Flutopfern von einer aufgebrachten Menschenmenge beschimpft wurde, dass er ein „übler Kerl“ sei, der aufhören solle, „China zu verunglimpfen“. Eine Person habe versucht, Bölinger sein Handy aus der Hand zu reißen und er sei mehrfach gefragt worden, ob er der BBC-Reporter Brant sei. Mehrere ausländische Journalisten, die nach Zhengzhou in der Provinz Henan gereist waren, um über die Folgen der Flut zu berichten, bei der mindestens 58 Menschen starben, wurden ebenfalls angegriffen und bedroht.

Am 28. Juli 2021 twitterte Dana Heide: „Die Hetze gegen ausländische Journalisten in China geht weiter. China Daily ist ein Staatsmedium, es untersteht der Propagandaabteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. Es ist nicht das erste Mal, dass es gezielt gegen einzelne Journalisten hetzt.“ Nur einen Tag zuvor war das Handelsblatt mit der neuesten Ausgabe der von „China Daily“ herausgegebenen deutschsprachigen Beilage „China Watch“ erschienen.

Während die eigene China-Korrespondentin und ihre Kollegen zum Ziel einer Hetz-Kampagne von „China Daily“ werden, unterstützt die Verlagsgruppe des Handelsblatts dieses chinesische Staatsmedium also erneut dabei, Propaganda und Narrative der Kommunistischen Partei (KP) Chinas zu verbreiten und lässt sich das als Anzeigen-Werbung bezahlen. Umso mehr muss man die Courage und den Mut von Dana Heide herausheben, öffentlich und mit deutlichen Worten Stellung zur Hetz-Kampagne von „China Daily“ zu beziehen.

Die Verlagsführung des Handelsblatts sollte sich dringend bewusst machen, wie schwierig und gefährlich die Situation für ihre Korrespondentin und andere internationale Journalisten angesichts der Hetzkampagne chinesischer Staatsmedien ist. Ebenso sollte die Verlagsführung hinterfragen, welchen Eindruck in diesem Zusammenhang eine Kooperation mit „China Daily“ nach außen vermittelt.

Die International Campaign for Tibet (ICT) hatte zuletzt im Juni 2021 an die Anzeigenkunden des Handelsblatts appelliert, sich für eine Beendigung der Zusammenarbeit des Blattes mit der von der KP Chinas kontrollierten „China Daily“ einzusetzen, nachdem zuvor alle Anfragen an die Geschäftsführung der Zeitung unbeantwortet blieben. Nach Auffassung von ICT stellt eine stille Komplizenschaft des Handelsblatts mit der chinesischen KP-Propaganda die Seriosität und Glaubwürdigkeit deutscher Medien in Frage und schadet damit dem Image der Zeitungsverlage.

Die vermeintlich erfolgreiche Armutsbekämpfung in der Volksrepublik ist ein Narrativ, das die KP Chinas derzeit besonders häufig über die von ihr gesteuerten Staatsmedien in Deutschland verbreiten lässt. So erschien am 4. März 2021 eine ganzseitige Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), die auf den ersten Blick von vier Privatpersonen unter Angabe einer Adresse in Peking geschaltet wurde. Eine genauere Recherche offenbart, dass es sich dabei durchweg um Mitarbeiter der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua handelt. Offenbar ist sich also auch die Verlagsführung der FAZ nicht zu schade dafür, für eine bezahlte und überaus obskure Anzeige als Handlanger der chinesischen KP-Propaganda zu dienen.

Aus Sicht von ICT sind die Anzeige in der FAZ und die Inhalte der Handelsblatt-Beilage „China Watch“ beispielhaft dafür, wie die Realität der Herrschaft der Kommunistischen Partei immer wieder bewusst verfälscht wird. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass Internierungslager in Xinjiang und Programme zur Zwangsansiedlung von Tibetern als erfolgreiche staatliche Kampagnen zur „Armutsbekämpfung“ und „Weiterbildung“ dargestellt werden. Über die massiven Eingriffe in Religionsfreiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit und in viele andere Rechte wird indes – kaum überraschend – geschwiegen.

ICT hatte unter anderem auch am Internationalen Tag der Pressefreiheit auf zweifelhafte Formen der Zusammenarbeit deutscher Sendeanstalten und Zeitungen mit chinesischen Staatsmedien hingewiesen. Mit einem Gastbeitrag im Tagesspiegel vom 26. Juli 2021 hatte außerdem China-Expertin Mareike Ohlberg eindrucksvoll darauf aufmerksam gemacht, wie die KP Chinas versucht, mit Hilfe westlicher Influencer das Bild des Landes zu beschönigen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der Tagesspiegel derselben Verlagsgruppe wie das Handelsblatt angehört.

Während Handelsblatt und Tagesspiegel also durchaus immer wieder seriös und kritisch über China berichten und dabei auch Menschenrechtsverletzungen oder die Einflussnahme chinesischer Staatsmedien auf westliche Journalisten und Influencer ansprechen, findet die eigene Verlagsleitung  offenbar nichts Verwerfliches daran, weiterhin mit „China Daily“ zu kooperieren. Dabei dürfte spätestens jetzt endgültig klar geworden sein, wie widersinnig jede Zusammenarbeit mit Staatsmedien der KP Chinas erscheint und dass sie keinesfalls mit journalistischer Ethik, Pressefreiheit und unseren demokratischen Werten vereinbar ist.

Autor: Telis Koukoullis, International Campaign for Tibet

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