US-Botschafter Keith Harper im UN-Menschenrechtsrat

Quelle: UN Web TV

Es war ein Novum, was US-Botschafter Keith Harper unmittelbar nach dem Bericht des Hochkommissars für Menschenrechte Zeid am 10. März während der 31. Sitzung des UNO-Menschenrechtsrates verlas. Zwölf Staaten kritisierten in einer gemeinsamen Erklärung die „anhaltend problematische Menschenrechtsbilanz“ Chinas. Die Staatengruppe[1] zeigt sich in dieser ersten gemeinsamen Erklärung gegenüber China seit Bestehen des Menschenrechtsrates überhaupt besorgt über die Verhaftungswelle von Anwälten und Menschenrechtsverteidigern, über die „ungeklärten“ Entführungen von chinesischen Staatsbürgern und Ausländern nach China sowie über das Vorführen von Anwälten, Journalisten und Bloggern in den staatlichen Medien, die dort offensichtlich zur Abgabe von Geständnissen gezwungen wurden. Chinas Botschafter Fu Cong ging auf diese Vorwürfe in seiner Replik vor dem Menschenrechtsrat nicht ein, sondern beschuldigte die USA, ebenso Japan, der “Heuchelei” sowie Verbrechen wie Mord und Vergewaltigung. Während internationale Medien diese scharfe Rhetorik aufgriffen, wird Fu Cong in den staatlichen chinesischen Medien lediglich mit Verweis auf eine notwendige „Entpolitisierung“ des UNO-Menschenrechtsrates zitiert. Die Vorwürfe seien lediglich ein Vorwand, um China zu kritisieren und sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen, äußert sich ein Sprecher des Pekinger Außenamtes in derselben Meldung.

Obwohl bemerkenswert kommt die gemeinsame Erklärung der zwölf Staaten indes nicht überraschend. Unmittelbar nach Beginn der Frühjahrssitzung des Menschenrechtsrates am 29. Februar war bekannt geworden, dass sich eine Gruppe von Staaten[2] und die EU schon im Januar mit mehreren, offenbar abgestimmten Schreiben an die chinesische Regierung gewandt hatten. Gegenstand dieser Schreiben waren Berichten zufolge die geplanten oder vor kurzem verabschiedeten Gesetze über Cybersecurity und über ausländische NGOs sowie über „Anti-Terrorismus“ (Bericht der International Campaign for Tibet). Gemeinsame Erklärung und die Schreiben an die chinesische Regierung sind ganz offensichtlich Ausweis der Unzufriedenheit nicht nur über die gebrochenen Versprechen der chinesischen Regierung – etwa bei der so wichtigen und bis dato ausgebliebenen Ratifikation des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte -, sondern auch über das systematische Anziehen der Repressionsschraube in der Volksrepublik China seit Amtsantritt Xi Jinpings. Peking hat dabei offenbar auch aus Sicht westlicher Staaten rote Linien überschritten: erstmals werden ausländische Staatsbürger Repressionen unterzogen, eine bisher nur aus der Kulturrevolution gekannte Bloßstellung und Selbstbezichtigung von Andersdenkenden wird in den Staatsmedien propagiert und Menschenrechtsaktivisten werden mit neuer Härte verfolgt und inhaftiert. In Tibet ist sowohl in der sogenannten Autonomen Region Tibet (Bericht von Human Rights Watch) als auch in den tibetischen Gebieten außerhalb der Autonomen Region (Bericht der International Campaign for Tibet) eine massive Überwachung und Präsenz der Partei selbst in entlegensten Gegenden zu beobachten, was einem totalitären Zugriff der Partei auf die Tibeter gleichkommt. Konsequenterweise hat auch der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte Zeid Ra’ad Al Hussein bereits mehrere Male die Menschenrechtslage in China kritisiert, zuletzt in seinem aktuellen Jahresbericht und zuvor in mehreren Erklärungen wie am 16. Februar 2016.

Trotz massiven Drucks aus Peking gut besucht: der Dalai Lama diskutierte auf Einladung der US- und kanadischen Vertretung im Rahmen eines „Side-Events“ zum UNO-Menschenrechtsrat in Genf über die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Förderung von Menschenrechten. Moderiert wurde die Veranstaltung von der stellvertretenden UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte Kate Gilmore. Foto: ICT

Wer als Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen das Auftreten der chinesischen Regierung zumindest beim UNO-Menschenrechtsrat verfolgen konnte, den darf die deutliche Frustration auch auf Seiten von Staatenvertretern, die den ungewöhnlichen diplomatischen Schritten offenbar zugrunde liegt, nicht verwundern. Im November 2015 etwa hatte die chinesische Delegation mit ernüchternden Aussagen (Bericht der International Campaign for Tibet) vor dem UNO-Ausschuss gegen Folter für tiefe Enttäuschung gesorgt. Das für viele Beobachter aggressive Auftreten der chinesischen Regierung vor öffentlichen UNO-Gremien mag einen Eindruck davon geben, wie sich etwa bilateral geführte Menschenrechtsdialoge gestalten.

Abzuwarten bleibt, ob die gemeinsamen Initiativen, die entweder in der Öffentlichkeit umgesetzt oder bekannt gemacht worden sind, eine Abkehr von dem Primat stiller und (mitunter zu) vorsichtiger Diplomatie in Sachen Menschenrechte in China bedeuten. Richtig ist zunächst die Beschreibung der Menschenrechtslage in der Volksrepublik China, die sich auf fast allen Gebieten seit Amtsantritt Xi Jinping dramatisch verschlechtert hat. Richtig ist ferner, dass der chinesischen Politik – auch im Sinne der Prävention weiterer Repressionen – mit Verweis auf internationale Menschenrechtsnormen und Prinzipien widersprochen wird. Die Repressionen Pekings gegenüber Chinesen, Tibetern, Uiguren oder Mongolen dürfen nicht akzeptiert werden als ein zulässiges Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung. Die gemeinsame Erklärung war in dieser Hinsicht ein notwendiges Stopsignal an die chinesische Regierung. Dieses Vorgehen muss konsequent und glaubwürdig fortgesetzt werden. Nur dann besteht überhaupt die Chance, dass Xi Jinping dieses Stopsignal beachtet.

[1] Australien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Island, Irland, Japan, Niederlande, Norwegen, Schweden, Großbritannien und die Vereinigten Staaten. Auffallend ist das Fehlen Frankreichs in dieser Gruppe.

[2] Vereinigte Staaten, Kanada, Deutschland, Japan.

Autor: Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet

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