Xi Jinping will Medien beherrschen

Quelle: Xinhua

Wichtige Grundsätze hat sich die Robert Bosch Stiftung auf die Fahnen geschrieben: Das „Gemeinwohl und die Entwicklung der Bürgergesellschaft“ wolle sie mit ihrer Arbeit fördern, heißt es etwa auf der Stiftungswebseite. Zugleich sei ihr Handeln „dem demokratischen Gemeinwesen verpflichtet“. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich dies mit dem von ihr organisierten „Medienforum China-Deutschland“ verträgt. Denn der chinesische Kooperationspartner dieser seit 2010 jährlich abgehaltenen Veranstaltung ist die Zeitung „Global Times“, das auf Englisch erscheinende Propagandasprachrohr der herrschenden Kommunistischen Partei Chinas.

Deutsche und internationale Korrespondenten bezeichnen die Zeitung regelmäßig als „Parteiblatt“ (Johnny Erling), „Propagandablatt“ (Kai Strittmatter), „Communist Party-controlled“ „nationalist newspaper“ (Associated Press) oder „Mouthpiece of the Communist party“ (The Guardian). Für die Robert Bosch Stiftung hingegen handelt es sich bei der Global Times lediglich um „eine der auflagenstärksten chinesischen Tageszeitungen“. Auf der Webseite der Stiftung ist die heutige Geschäftsführerin Uta-Micaela Dürig im Gespräch mit Global Times-Chefredakteur Hu Xijin abgebildet, der politisch dem autoritären „leftist camp“ um Xi Jinping zugerechnet wird. Ebenfalls prominent hervorgehoben findet sich dort der „Star-Moderator des chinesischen Staatsfernsehens, Bai Yansong“. Doch gerade Institutionen wie die Global Times, das Staatsfernsehen CCTV oder die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua stehen unter totaler Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas.

Erst vor kurzem wurde dies durch „Hausbesuche“ von Staats- und Parteichef Xi Jinping noch einmal unterstrichen, die in den chinesischen wie auch den ausländischen Medien viel Beachtung fanden. Xi betonte dabei erneut die führende Rolle der KP in der chinesischen Nachrichtenproduktion. Alle Medien hätten sich dem unterzuordnen, besonders die staatlichen Medien müssten „für die Partei sprechen“, so Xi. Daher verwundert es nicht, dass die Volksrepublik China in der „Rangliste der Pressefreiheit“ von „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) derzeit Platz 176 von 180 belegt. Xi Jinping selbst galt ROG bereits kurz nach seinem Amtsantritt als „Feind der Pressefreiheit“.

Diese Politik hat sich inzwischen weiter verfestigt: So findet im staatlichen chinesischen Fernsehen – mit CCTV ein regelmäßiger Gast des Medienforums der Robert Bosch Stiftung – seit einiger Zeit eine moderne Form des Prangers statt. Menschenrechtsaktivisten, Blogger, Buchhändler und Journalisten werden dort vorgeführt und „gestehen“ angebliche Rechtsverstöße, die ihnen offensichtlich unter Druck abverlangt wurden. Darunter der schwedische Menschenrechtsaktivist Peter Dahlin, der Hongkonger Buchhändler Gui Minhai, der Journalist Wang Xiaolu, der Anwalt Zhou Shifeng und die Journalistin und Whistleblowerin Gao Yu, die lange für die Deutsche Welle tätig war.

Viele Beobachter fühlen sich durch Xi Jinpings Medienpolitik an die Kulturrevolution erinnert. Medien werden genutzt, um Andersdenkende einzuschüchtern und sind Instrument der Unterdrückung. CCTV, Xinhua und Global Times sind als staatlich kontrollierte Medien ohne Zweifel wesentlicher Bestandteil dieser Repression. Sie sehen sich offenbar alles andere als dem „demokratischen Gemeinwesen“ verpflichtet, sondern tragen aktiv dazu bei, entsprechende Entwicklungen in China schon im Keim zu ersticken. Das „Medienforum China-Deutschland“ läuft Gefahr, das Signal zu senden, dass die inakzeptable Komplizenschaft dieser Medien in China mit einem autoritären Regime von der deutschen Seite hingenommen wird und in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, es handele sich hierbei um ganz normale Medien, etwa vergleichbar mit dem NDR oder der Stuttgarter Zeitung, die zuletzt am Forum von deutscher Seite teilgenommen haben. Das Medienforum betreibt damit in seiner jetzigen Form schlicht Etikettenschwindel, wenn es gleichgeschaltete Staatsmedien mit explizitem Propaganda- und Repressionsauftrag auf eine Stufe stellt mit demokratisch kontrollierten und unabhängigen Medien. Mit schleichenden, aber möglicherweise fatalen Folgen auch für unsere Gesellschaft: Rechtsstaatliche Kategorien werden abgeschliffen und mit neuem Inhalt angefüllt, der nichts mehr mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gemein hat, deren Kernbestandteile Meinungs- und Pressefreiheit sind.

Bleibt der von den Teilnehmern des Medienforums reklamierte Mehrwert der Veranstaltung, der darin bestehe, in der Lage zu sein, „Beziehungen zu knüpfen und Krisen zu vermeiden“. Das ermögliche der „direkte Kontakt zu den chinesischen Medienvertretern“. In Anbetracht der realen und dramatischen Verschlechterungen der politischen Lage in China, in Bezug auf die Medien und darüber hinaus in der gesamten Gesellschaft muss indes die Frage erlaubt sein, was das Medienforum konkret zu einer Verbesserung der politischen Lage in China beigetragen haben kann. Welchen konkreten Nutzen hatte zum Beispiel das Medienforum im Jahre 2014, in Rahmen dessen auch über den „Umgang mit Minderheiten“ gesprochen wurde, wenn schon 2014 jedem Beobachter der Lage etwa in Tibet klar sein musste, dass sich die Situation der „Minderheiten“ drastisch verschlechtert und unter Xi Jinping nicht zum Guten gewendet hatte. Im Gegenteil. Was bringen die angeblich „offenen, selbstkritischen und leidenschaftlichen Diskussionen“ des Medienforums, wenn realiter eine totalitäre, menschenrechtswidrige und anti-pluralistische Politik umgesetzt wird und man hiervon in Peking auch kein Jota abweichen will? Und ist es nicht naiv zu glauben, die entsandten chinesischen Vertreter können ohne offiziellen Auftrag oder zumindest ohne Überwachung frei sprechen? Und wurde sich auf deutscher Seite die Frage gestellt, welchen Zweck die KP mit der Teilnahme von ihr gesteuerter und überwachter Medien an dem Forum verfolgt?

Wenn sich die Robert Bosch Stiftung für das „Gemeinwohl und die Entwicklung der Bürgergesellschaft“ einsetzen möchte, wenn ihr Handeln auch in China „dem demokratischen Gemeinwesen verpflichtet“ sein soll, dann darf sie nicht damit fortfahren, über ihre Kooperation mit der Global Times Instrumenten einer repressiven Machtpolitik ein Forum zu bieten, dann muss sie diese Kooperation beenden. Um damit den Eindruck zu vermeiden, dass sie die Komplizenschaft der Medien in China mit einem autoritären Regime einfach hinnimmt. Und um dem Eindruck entgegenzuwirken, es handele sich bei ihren chinesischen Kooperationspartnern und Gästen um Vertreter ganz normaler Medien. Doch auch die führenden deutschen Journalisten und Chefredakteure, die bislang durch ihre Teilnahme dem „Medienforum China-Deutschland“ zu so viel Anerkennung verholfen haben, sollten sich fragen, ob sie dies eigentlich mit ihrem Berufsethos in Einklang bringen können. Es ist an der Zeit, sich deutlich abzugrenzen von den „Feinden der Pressefreiheit“.

Autor: Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet

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