Genf/Berlin. 16.02.2023. Bei der heute zu Ende gegangenen Anhörung Chinas im UN-Sozialausschuss haben die Ausschussmitglieder die umfangreiche Ansiedlungspolitik der chinesischen Regierung und die Zwangsinternate für tibetische Kinder thematisiert, über die vor kurzem unabhängige UN-Menschenrechtsexperten Alarm geschlagen haben. Auch auf Nachfragen hin konnte die chinesische Delegation, der weder Tibeter noch Uiguren angehörten, keine Antworten auf wichtige Fragen des Ausschusses geben, etwa ob von einschneidenden Maßnahmen der Behörden betroffene Tibeter Zugang zu Gerichten haben, ohne Verfolgung fürchten zu müssen. Kritik wurde ebenfalls laut angesichts der massiven Einmischung Pekings in die freie Religionsausübung in Tibet.

„Der UN-Sozialausschuss hat kritische Fragen gestellt, auf die die chinesische Regierung offensichtlich keine zufriedenstellenden Antworten geben konnte oder wollte. Entweder wurden Fragen nicht beantwortet, Probleme geleugnet oder die mittlerweile große Zahl an unabhängigen Berichten über Rechtsverstöße als unwahr abgetan. Doch die chinesische Regierung kann sich dieser Kritik, gerade auch an ihrer Politik in Tibet, nicht mehr entziehen. Die internationale Gemeinschaft sollte die Politik Pekings in Tibet ebenso wie der UN-Sozialausschuss mit Nachdruck thematisieren“, erklärte Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet (ICT), nach Ende der Ausschusssitzung.

Auf Nachfrage der Ausschussmitglieder hin bestätigte die chinesische Delegation, dass bis 2019 allein auf Grundlage des „Große-Höhen“-Umsiedlungsprogramms 260.000 Tibeter umgesiedelt wurden. Im Juni 2022 hatten chinesische Staatsmedien berichtet, dass allein in den darauffolgenden Monaten weitere 17.000 Tibeter im Rahmen dieses Programmes umgesiedelt werden sollten. Zusätzlich zu diesem Ansiedlungsprogramm existieren jedoch weitere Umsiedlungsprogramme, von denen viele weitere Tibeter betroffen sind, so ICT, was zur großer Sorge Anlass gebe, da keine Informationen über Widersprüche oder Klagen von Betroffenen existieren und auch in der Sitzung nicht genannt werden konnten. ICT-Geschäftsführer Kai Müller: „Effektiv haben Tibeter keine Wahl und müssen der Umsiedlung zustimmen, weil sie wissen, dass ihnen andernfalls Verfolgung und massive Nachteile drohen. Chinas Gerichte sind nicht unabhängig, rechtsstaatliche Prinzipien und internationale Menschenrechtsstandards werden systematisch missachtet.“

Das spanische Ausschussmitglied kritisierte insbesondere einen Kommentar der chinesischen Delegation, demzufolge die tibetische Sprache nicht geeignet sei, um wissenschaftliche Terminologie auszudrücken. ICT-Geschäftsführer Kai Müller: „Bei allen Nebelkerzen, die die chinesische Regierung erneut auch in diesem UN-Gremium warf, sind solche Behauptungen entlarvend und legen den diskriminierenden Charakter der chinesischen Politik offen, der die tibetische Kultur als rückständig ansieht.“

Mit Blick auf die Zwangsinternate für tibetische Kinder bestätigte die chinesische Delegation die Existenz dieser Einrichtungen für Tibeter, leugnete aber den Zwangscharakter dieser Schulen und die Tatsache, dass tibetische Sprache und Kultur durch diese Schulen zurückgedrängt werden. Die UN-Experten wiederholten indes die große Besorgnis anderer UN-Experten in Bezug auf die Erosion der tibetischen Sprache „im Streben nach einem einheitlichen Lehrplan und der nationalen gemeinsamen Sprachpolitik“, die zur Ersetzung von Tibetisch durch Chinesisch als Unterrichtsmedium in Schulen in ganz Tibet, auch in Kindergärten, geführt habe.

Das belgische Ausschussmitglied rief die chinesische Regierung dazu auf, ihre Politik der „ethnischen Einheit“ zu überdenken, die kontraproduktiv sei und eine Verletzung von Menschenrechten darstelle. Er stellte weiterhin die Frage, ob die chinesische Regierung den vielfältigen glaubhaften Vorwürfen in Bezug auf ihre Politik gegenüber Tibetern und Uiguren nachgehe, etwa mit unabhängigen Untersuchungsausschüssen. Darauf ging die chinesische Delegation nicht ein.

Bis zu einer Million tibetische Kinder werden in Zwangsinternaten systematisch ihrer Sprache und Kultur entfremdet. Bis zu zwei Millionen tibetische Nomaden, Bauern und Bewohner ländlicher Regionen Tibets sind in den letzten Jahren zwangsangesiedelt worden. Die chinesische Regierung greift massiv in die freie Religionsausübung ein und verfolgt Tibeterinnen und Tibeter, die sich friedlich gegen diese Politik wenden.

Der UN-Sozialausschuss wird am 6. März 2023 seine „Concluding Observations“ veröffentlichen, die Empfehlungen und Feststellungen des Ausschusses in Bezug auf die Umsetzung des UN-Sozialpaktes durch die chinesische Regierung enthalten werden.

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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.

 

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