Berlin, 28.01.2021. Die International Campaign for Tibet (ICT) begrüßt die Haftentlassung des bekannten tibetischen Menschenrechtsverteidigers und Sprachaktivisten Tashi Wangchuk, bleibt aber weiterhin besorgt um sein Wohl. Der 35-Jährige verbrachte fünf Jahre im Gefängnis von Dongchuan (Provinz Qinghai) nachdem er die chinesische Sprach- und Bildungspolitik in Tibet kritisiert und der New York Times ein Interview über seine Arbeit gegeben hatte.
Auch wenn Wangchuk aus der Haft entlassen wurde, hatten seine Anwälte wohl noch keine Möglichkeit, mit ihm direkt zu sprechen. Liang Xiaojun, einer seiner Rechtsanwälte, twitterte heute: „Ich habe erfahren, dass die Justizbehörden des Landkreises Tridhu (Chenduo) in der Provinz Qinghai Tashi Wangchuk nach Yushul (Yushu) gebracht haben. Derzeit ist er bei seiner Schwester zu Hause. Familienmitglieder haben gesagt, sein gesundheitlicher Zustand sei in Ordnung. Da es keine Möglichkeit gab, ein Foto von ihm zu erhalten oder direkten Kontakt zu seiner Familie in Yushul aufzunehmen, kann ich nicht wissen, ob er endgültig frei gelassen wurde.“
Der Mittlere Gerichtshof von Yushu (Provinz Qinghai) hatte den 35-jährigen Tibeter am 22. Mai 2018 wegen des Vorwurfs der „Anstiftung zu Separatismus“ verurteilt. Tashi Wangchuk hatte sich im November 2015 in einem Interview mit der „New York Times“ kritisch über die chinesische Sprachen- und Bildungspolitik in Tibet geäußert. Einem auf der Webseite der „New York Times“ veröffentlichten Video zufolge hatte er unter anderem versucht, die örtlichen Behörden per Gerichtsklage zu tibetischsprachigem Unterricht in den Schulen zu verpflichten. Im Januar 2016 war er daraufhin festgenommen worden. Mehrere Regierungen, darunter auch die deutsche Bundesregierung, Parlamentarier, Menschenrechtsexperten sowie Nichtregierungsorganisationen hatten in der Vergangenheit seine sofortige und bedingungslose Freilassung gefordert. Die Anwälte Wangchuks hatten in einem späteren Berufsverfahren die Aufhebung des Urteils beantragt, weil Wangchuk unter Folter und Misshandlung ausgesagt habe. Demnach sei der Tibeter geschlagen worden und habe längere Zeit im berüchtigten „Tiger-Stuhl“ ausharren müssen.
„Der Fall Tashi Wangchuks ist ein markantes Beispiel, wie die Volksrepublik China den Tibetern ihre grundlegende Rechte vorenthält. Auch wenn es erfreulich ist, dass Tashi Wangchuk nach fünf Jahren offenbar zu seiner Familie zurückkehren darf, kann seine Haftentlassung keinesfalls als Sieg angesehen werden. Die chinesische Regierung hat Tashi Wangchuk zu Unrecht beschuldigt, ihn jahrelang trotz internationaler Appelle festgehalten und ihn in einem Schein-Prozess verurteilt, während seine legitimen Forderungen den Schutz der tibetischen Sprache betreffend kategorisch zurückgewiesen wurden. Auch wenn Tashi Wangchuk jetzt aus der Haft entlassen wurde, bleibt die internationale Gemeinschaft dazu verpflichtet, die chinesische Regierung für Folter und Misshandlung tibetischer politischer Gefangener zur Rechenschaft zu ziehen. Die Volksrepublik China muss die Menschenrechte der Tibeter respektieren.“, sagt ICT-Geschäftsführer Kai Müller.
Die tibetische Sprache, Fundament der tibetischen Kultur, Religion und Identität, wurde in den Jahrzehnten seit der gewaltsamen Besetzung Tibets durch die chinesischen Streitkräfte zunehmend marginalisiert. Die chinesischen Behörden fördern die Dominanz des Chinesischen insbesondere über die Schulen, wo das Tibetische als Unterrichtsmedium mehr und mehr verdrängt wird. Vorhandene rechtliche Schutzbestimmungen für Sprache und Kultur werden in Tibet nicht angewendet. Mehrfach war es deswegen in den vergangenen Jahren in Tibet zu Protestkundgebungen gekommen. Menschen, die nur des Tibetischen mächtig sind, erfahren in ihrer eigenen Heimat massive Nachteile im Hinblick auf ihre Jobchancen und die Höhe ihrer Einkommen. Tibetische Kinder und Jugendliche beherrschen die Muttersprache ihrer Eltern häufig nur noch unvollkommen, private Initiativen zur außerschulischen Vermittlung des Tibetischen werden von den Behörden unterbunden.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.