Berlin, 03.02.2021. Ein Jahr vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Peking fordern mehr als 180 Menschenrechtsorganisationen, darunter die International Campaign for Tibet (ICT), Regierungen weltweit in einem offenen Brief zu einem „diplomatischen Boykott“ von Peking 2022 auf. „Regierungsvertreter sollten von diesen Spielen fern bleiben und sie nicht durch ihre Anwesenheit aufwerten. Dies wäre angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen der KP Chinas inakzeptabel und nicht vertretbar. Das ist das Mindeste, was wir erwarten“, so ICT-Geschäftsführer Kai Müller. Bereits im Oktober vergangenen Jahres hatten Menschenrechtsorganisationen IOC-Vertreter in einem Gespräch dazu aufgerufen, die Vergabe der Spiele an Peking zurückzunehmen.
„Schon die erneute Vergabe Olympischer Spiele an Peking war eine Fehlentscheidung. Wir sind sehr besorgt angesichts der Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China, insbesondere was die Verfolgung von Uiguren, Tibetern, Mongolen, Hongkongern und chinesischen Menschenrechtsverteidigern betrifft. Diese Realität kann nicht ausgeblendet werden“, so Müller.
Nach der Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 nach Peking im Juli 2015 durch das Internationale Olympische Komitee (IOC), habe Präsident Xi Jinping Grundfreiheiten und Menschenrechte immer weiter und unerbittlich eingeschränkt, trotz der Ankündigung des IOC noch vor 2008, die Spiele würden als „Katalysator für Fortschritt“ dienen, heißt es in dem offenen Brief. Auch nach Auffassung der ICT herrscht insbesondere in Tibet ein totalitärer Polizei- und Überwachungsstaat, mit umfassenden Einschränkungen für politische und bürgerliche Rechte – insbesondere Meinungs- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Menschenrechtsverteidiger oder Tibeter, die sich in ihrer Gemeinschaft für den Erhalt von Kulturgut oder etwa gegen Korruption einsetzen, müssen mit langen Haftstrafen rechnen. Folter und Misshandlung sind an der Tagesordnung.
Ebenso beobachtet die ICT im Bereich sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Rechte für die Tibeter massive Einschränkungen durch die Umsetzung zwangsweiser Arbeitsprogramme, die zwangsweise Ansiedlung von mittlerweile mehr als 2 Millionen tibetischer Nomaden und die systematische Zurückdrängung der tibetischen Sprache. Diese Entwicklungen haben sich seit dem Amtsantritt Xi Jinpings verschärft, waren aber schon vor 2012, und auch schon vor den Olympischen Spielen in Peking 2008 evident. Nach Angaben der an dem offenen Brief beteiligten Menschenrechtsorganisationen sind in Ost-Turkestan (chin.: Xinjiang) 1,8 bis 3 Millionen Uiguren und andere muslimische Volksgruppen in Umerziehungslagern unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert. Genauso ernst sei die Situation für die Menschenrechts- und Demokratiebewegung in Hongkong und auch in der südlichen Mongolei werde Kindern das Recht verweigert, ihre Muttersprache zu sprechen. Kritisch sehen die Menschenrechtsorganisationen auch die geopolitischen Aggressionen der Volksrepublik China gegen Taiwan und die Expansion über internationale Grenzen hinaus im Südchinesischen Meer und an der indisch-tibetischen Grenze.
Das IOC habe bereits 2008 weggehört, als die Menschenrechtsorganisationen vor der Vergabe der Olympischen Spiele nach Peking gewarnt und auf die unakzeptable Situation der Menschenrechte in der Volksrepublik China hingewiesen hätten, so die Organisationen. Jetzt im Jahr 2021 versäume es das IOC erneut zu handeln, trotz klarer Hinweise auf Völkermord und weiterer gravierender Menschenrechtsverstöße.
Der offene Brief kann hier abgerufen werden: https://tibetnetwork.org/nobeijing2022-open-letter-to-governments/.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.