Online-Diskussion:
Michael Brand (CDU) und Peter Heidt (FDP) finden einen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking 2022 richtig. Foto: ICT
Alle Teilnehmer der Online-Diskussion am 17. Juni 2021 waren sich einig: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hätte die Olympischen Winterspiele 2022 nicht nach Peking vergeben dürfen. Ebenso sprachen sich alle Diskussions-Teilnehmer für einen diplomatischen Boykott der Spiele aus. Zu der Veranstaltung mit dem Thema „Olympische Spiele in Peking – Wie soll die internationale Gemeinschaft reagieren?“ hatten International Campaign for Tibet (ICT) und Ilham Tohti Initiative (ITI) eingeladen. Gemeinsam mit Moderator Enver Can (ITI) diskutierten die Bundestagsabgeordneten Michael Brand (CDU) und Peter Heidt (FDP) sowie Asgar Can (Weltkongress der Uiguren) und Kai Müller (ICT).
Moderator Enver Can wies in seiner Einführung darauf hin, dass autoritäre Staaten und Machthaber Sportgroßveranstaltungen häufig nutzten, um von ihrer schlechten Menschenrechtsbilanz abzulenken und ihr Land mittels „Sports-Washing“ auf der Weltbühne in ein positives Licht zu rücken. An die Diskussions-Teilnehmer richtete er die Frage: „Können die Olympischen Winterspiele 2022 angesichts anhaltender Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren, Tibeter, Hong Konger und Vertreter der Demokratie-Bewegung in China in Peking stattfinden, ohne dass es einen diplomatischen Boykott gibt?“
Asgar Can machte mit Blick auf die Situation der Uiguren in Xinjiang deutlich, dass aus seiner Sicht keine Olympischen Spiele in einem Land stattfinden sollten, wo Menschenrechtsverletzungen wie Internierung, Folter, Zwangssterilisierung und Zwangsarbeit stattfinden. Dazu merkte er an: „Die Weltgemeinschaft muss ein deutliches Zeichen setzen, indem man die Olympischen Spiele entweder in ein anderes Land verlegt oder verschiebt.“
Peter Heidt wies auf den jüngsten Antrag der FDP-Fraktion im Bundestag hin, in dem gefordert wird, die Möglichkeit eines politischen Boykotts der Olympischen Spiele in Peking zu prüfen, wenn sich die Menschenrechtslage in der Volksrepublik China nicht erheblich und nachweislich verbessert. „Ich denke, mit China muss man Klartext reden und deshalb ist für mich ein Boykott der Olympischen Spiele in Peking eine ganz klare Option“, betonte Heidt. Seiner Meinung nach sei auch der sportliche Boykott der Spiele eine vielversprechende und wirkungsvolle Option, wenn beispielsweise die alpinen Ski-Wettkämpfe ohne die besten Athleten aus den westlichen Ski-Nationen stattfänden. „Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland über Lieferkettengesetze reden und sagen, die Wirtschaft muss Menschenrechte weltweit einhalten, während die Sportverbände außen vor sind, nach dem Motto, Sport und Politik sind zwei verschiedene Paar Schuhe“, so Heidt weiter.
Mit der Frage „Wie kann man Olympische Spiele überhaupt nach Sotschi oder Peking vergeben?“ machte Michael Brand deutlich, dass Sportgroßveranstaltungen seiner Auffassung nach gar nicht erst an autoritäre Regime vergeben werden sollten. Er sehe hier die Sportfunktionäre der Olympischen Verbände in der Verantwortung und halte nach der Entscheidung jetzt einen diplomatischen Boykott für richtig. Deshalb dürfe vor allem die „erste Reihe“ der Bundesregierung nicht zu den Spielen nach China reisen. Zwangsarbeit, Geburtenkontrolle, Gehirnwäsche und Folter seien heute Realität in China und das sei nicht über Nacht gekommen. Tibet sei das „brutale Versuchslabor“ gewesen, ehe sich die Lage für die Uiguren immer weiter verschärft habe. „VW und Siemens sollten endlich transparent offenlegen, in wie weit sie an Überwachungstechnologie in Xinjiang beteiligt sind und ob es dort Kooperationen mit Unternehmen gibt, wo Uiguren heute Zwangsarbeit leisten müssen“, so Brand.
ICT-Geschäftsführer Kai Müller wies darauf hin, dass der Dalai Lama und die Tibeter sich 2008 explizit gegen einen Boykott ausgesprochen hätten, weil sie sich nicht gegen das chinesische Volk hätten wenden wollen. Die Erwartung, dass die Kommunistische Partei Chinas daraufhin auf die Tibeter im Exil mit ihren Autonomievorstellungen zugeht, sei jedoch nicht erfüllt worden. Stattdessen hätte ab März 2008 eine Welle von Protesten und Selbstverbrennungen ganz Tibet erfasst und seinerzeit die Olympische Debatte geprägt. Trotz vieler Berichte über getötete Tibeter bei Demonstrationen habe es nach den Spielen 2008 jedoch keine Untersuchung dieser Geschehnisse gegeben. Mit Blick auf das IOC und Thomas Bach bemerkte Müller: „2015 war eigentlich klar, welche Situation in Tibet und der Volksrepublik China herrscht. Das wurde ignoriert und die Spiele vom IOC wieder nach Peking vergeben.“
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