Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Rund 40 Vertreter der chinesischen Regierung und „inoffizielle“ Repräsentanten Pekings, entsandt von chinesischen GONGOs, also „falschen NGOs“, hatten sich unter die Zivilgesellschaft gemischt. Viel Aufwand für eine Anhörung vor einem fast nur Experten bekannten UN-Gremium, dem Sozialausschuss der Vereinten Nationen. Doch: die Überprüfung Chinas vor dem UN-Sozialausschuss Mitte Februar hatte es in sich. Das hatte der Ausschuss schon vorab mit seiner „List of Issues“ deutlich gemacht. Auf der Themenliste: Internierungs- und Umerziehungslager in Ost-Turkestan, Zwangsinternate und massenhafte Umsiedlungen in Tibet, die Situation in Hongkong, die Lage verfolgter Menschenrechtsverteidiger und die Assimilierungspolitik der KP Chinas gegenüber Tibetern und Uiguren – wie sind diese eindeutigen Menschenrechtsverletzungen in Einklang zu bringen mit Chinas 2001 ratifizierten Verpflichtungen aus dem UN-Sozialpakt?
Die am 6. März veröffentlichten Schlussfolgerungen des Ausschusses sind deutlich. Auf Tibet bezogen fordert er darin das sofortige Ende des Internatssystems für tibetische Kinder und von Zwangsansiedlungen. Betroffen von diesen Programmen sind weit mehr als eine Million Tibeterinnen und Tibeter, Familien und Kinder sowie Nomaden, Bauern und die Landbevölkerung Tibets. Der Ausschuss zeigt sich überdies besorgt über die Zurückdrängung der tibetischen Kultur und moniert insbesondere die Sprachenpolitik in den Schulen Tibets.
Nach der Lektüre der „Concluding Observations“, den „abschließenden Beobachtungen“ des Ausschusses, ergibt sich ein klares Bild: Die chinesische Regierung verstößt systematisch gegen wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und damit gegen ihre Verpflichtungen aus dem UN-Sozialpakt. Der Ausschuss erschüttert damit ein Narrativ der chinesischen Regierung, das gerne auch bei uns reproduziert wird: Dass die KP Chinas im Interesse der von ihr unterworfenen Völker handelt und diesen Fortschritt und soziale Sicherheit gewährt. Vielleicht die wichtigste Beobachtung aus der Anhörung Chinas.
Autor: Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet
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