Michelle Bachelet hat ihrem Amt schweren Schaden zugefügt
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Kritik und Appelle an die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet hatten sich in den Monaten vor ihrer kürzlich abgeschlossenen Chinareise gehäuft. Bachelet hatte im März in wenigen Sätzen bekannt gegeben, dass sie nach China reisen werde. Die Parameter dieser Reise – die erste einer Hochkommissarin nach China in 17 Jahren – blieben unklar. Ebenso das Schicksal eines offenbar schon seit September 2021 fertigen Berichtes über die Lage in Xinjiang. Ob zivilgesellschaftliche Organisationen konsultiert würden, blieb offen. Kurz vor ihrer Abreise fanden dann hastig organisierte Treffen statt, oberflächlich und mitunter ernüchternd. Die Sorge verstärkte sich, dass der Besuch Bachelets nicht zur Verbesserung der Menschenrechtslage etwa in Xinjiang, Tibet und anderswo beitragen könne, sondern im Gegenteil von der chinesischen Regierung propagandistisch ausgeschlachtet werden würde. Diese Befürchtung hat sich bestätigt und die Hochkommissarin trägt dafür ein gerüttelt Maß an Verantwortung.
Anlass zur Sorge hat Bachelet selbst gegeben. Ihre Kritik an den ungeheuerlichen Zuständen in Xinjiang schon vor ihrer Reise nach China war minimalistisch. Die Menschenrechtslage in Tibet war ihr keine Silbe wert. Dabei hatte das Hochkommissariat noch in 2016 den Dalai Lama öffentlich in Genf empfangen. 2018 traf sich ihr Vorgänger Hochkommissar Zeid al Hussein mit der International Campaign for Tibet. Die „Oral Updates“ Zeids vor dem UN-Menschenrechtsrat kritisierten die Politik der Kommunistischen Partei, regelmäßig und das in klaren Worten. Nicht nachvollziehbar hingegen das dröhnende Schweigen Bachelets zum beispiellosen, ja beinahe verzweifelten Appell von mehr als 50 Menschenrechtsexperten im Juni 2020. Diese hatten den Menschenrechtsrat aufgefordert, auf die verheerende Menschenrechtslage in Xinjiang, Tibet und Hongkong zu reagieren. Von Bachelet kein Wort dazu.
Vor diesem Hintergrund überrascht der desaströse Chinabesuch nicht. Erstaunt kann man allenfalls darüber sein, wie naiv die Hochkommissarin in die Propagandafallen der KP getappt ist. Zurecht empören sich Uiguren über das, was sie als Verrat empfinden, wenn die Hochkommissarin den menschenverachtenden Jargon der KP von „De-Radikalisierung“ und „beruflichen Ausbildungszentren“ übernimmt, wenn es sich tatsächlich um Internierungslager und um einen Frontalangriff auf die uigurische Kultur handelt. Tibeter können froh sein, dass Bachelet Tibet nicht besucht hat.
Hängen geblieben ist das Bild von einer Hochkommissarin, die sich ganz offensichtlich nicht als Vorkämpferin für Menschenrechte, sondern als Diplomatin versteht, die die Interessen eines skrupellosen Sicherheitsratsmitglieds berücksichtigt, welches sich systematischer und umfassender Menschenrechtsverletzungen schuldig macht.
Als Menschenrechtlerin ist Bachelet eine Fehlbesetzung. Will sie den Bericht ihrer Experten über Xinjiang weiter aussitzen oder verwässern, dann müssen Staaten ihren Rücktritt fordern. So sie eine zweite Amtszeit anstrebt, dann müssen Staaten das verhindern, wenn ihnen die Glaubwürdigkeit und die Effektivität der UN-Menschenrechtsinstitutionen etwas wert ist. Würde Michelle Bachelet über den desaströsen Chinabesuch ernsthaft reflektieren, dann würde sie von selbst zurücktreten. Zu erwarten ist das leider nicht.
Autor: Kai Müller, Geschäftsführer der International Campaign for Tibet