Berlin, 1.10.2020. Ein neuer Bericht der International Campaign for Tibet (ICT) zeigt beispielhaft den Missbrauch der chinesischen Strafjustiz durch die von der Kommunistischen Partei beherrschten Behörden des Landes. So wurden vor dem Volksgericht des Bezirks Sangchu (chinesisch: Xiahe) in der nordosttibetischen Präfektur Kanlho (Gannan) zehn Tibeter wegen „Erpressung“ und „erzwungenem Handel“ zu Gefängnisstrafen von neun bis 14 Jahren verurteilt. Der Prozess, von dem eine seltene zehnstündige Videoaufnahme existiert, die ICT vorliegt, fand vom 28. bis 29. Juni 2020 statt. Er war Teil der „Saohei Chu-e“-Kampagne der chinesischen Regierung, einer dreijährigen (2018 – 2020) Kampagne zur Bekämpfung von „Bandenkriminalität“ und „organisiertem Verbrechen“ in der Volksrepublik China.

Während des gesamten Prozesses bezeichneten Staatsanwälte und Richter die 10 angeklagten Tibeter wiederholt als „böse Bande“. Nach Einschätzung von ICT zeigt der Prozess in anschaulicher Weise, wie China Maßnahmen der vorgeblichen „Bandenbekämpfung“ einsetzt, um Tibeter zum Schweigen zu bringen und ihnen faire Prozesse zu verweigern. Aufgrund der mangelnden Transparenz Chinas – sowie seiner Weigerung, unabhängige Journalisten und Ermittler in Tibet zuzulassen – ist es unmöglich, genau zu wissen, wie viele Tibeter im Rahmen dieser „Bandenbekämpfungs-Kampagne“ strafrechtlich verfolgt wurden. Es wird jedoch vermutet, dass mehrere hundert Tibeter im Rahmen der Initiative inhaftiert wurden.

In Prozessen gegen Tibeter waren „offene Gerichtssitzungen“ bislang völlig unüblich. Offenbar sollte damit der Anschein erweckt werden, es handele sich um einen ordnungsgemäßen Prozess inklusive der Möglichkeit, sich zu verteidigen. Jedoch wurde im Verlauf des Verfahrens deutlich, dass die von den Tibetern vorgebrachten Argumente von dem Gericht komplett ignoriert wurden, und unter dem Deckmantel eines ordnungsgemäßen Gerichtsverfahrens letztlich politische Strafen verhängt wurden.

Bei den Angeklagten handelte es sich um angesehene Gemeindevorsteher, die lediglich eine angemessene Entschädigung für Sachschäden aus staatlichen Autobahnprojekten forderten sowie Bedenken bezüglich eines Schlachthofs in ihrer Heimatstadt äußerten und ein Stück verlassenes Land für die Nutzung durch das Kloster beschafften. Der Ursprung des Konflikts liegt wesentlich im Bau eines Schlachthofs in der Ortschaft Banggurthang im Bezirk Sangchu im Jahr 2012. Viele Tibeter lehnen das gewerbsmäßige Schlachten von Tieren als Teil ihrer buddhistischen Überzeugungen ab und brachten ihre Besorgnis gegenüber der Schlachthofgesellschaft zum Ausdruck. Das Unternehmen erklärte sich daraufhin bereit, 1 Million Yuan für einen neuen buddhistischen Stupa zur Befriedung der Tibeter zur Verfügung zu stellen.
Jahre später jedoch verdrehten die chinesischen Behörden die Tatsachen und bezeichneten die Geldzahlung als „Erpressung“. Auch die Entschädigung, die lokale Tibeter um das Jahr 2013 herum für Schäden an ihren Häusern durch den Bau der Lin-He-Schnellstraße erhielten, wurde im Prozess als Beweis für Erpressung dargestellt.

Alle zehn angeklagten Tibeter gehörten zu einem Unterstützungskomitee für das örtliche Namlha-Kloster, für das sie in der Bevölkerung um Spenden warben. Diese ehrenamtliche Tätigkeit wurde ihnen von der Anklage als kriminelle Bandentätigkeit ausgelegt, wogegen sich die zehn Tibeter vergeblich verwahrten.

Für ICT macht der Prozess deutlich, wie die Kommunistische Partei Chinas tibetische Graswurzelaktivitäten als potenziell zersetzend für die politische Macht der Partei empfindet. ICT-Geschäftsführer Kai Müller sagte dazu: „Die Verurteilung der zehnTibeter in Sangchu legt die Mängel der chinesischen ‚Bandenbekämpfungs-Kampagne‘ in Tibet offen. Diese ist einseitig und politisch motiviert“, so Müller. „Die chinesischen Behörden sollten erkennen, dass sie durch die Verfolgung von Bürgerengagement wie im Fall der „Sangchu 10“ die Situation nur verschlimmern und das Misstrauen der Tibeter stärken“, so der ICT-Geschäftsführer abschließend.

Pressekontakt:

Kai Müller
Geschäftsführer
Tel.: +49 (0) 30 27 87 90 86
E-Mail: presse(at)savetibet.de
Twitter: @savetibet

International Campaign for Tibet Deutschland e.V.
Schönhauser Allee 163
10435 Berlin
www.savetibet.de

Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.

 

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