Berlin, 22.9.2020. Die International Campaign for Tibet (ICT) ist bestürzt über einen umfangreichen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters, wonach mehr als eine halbe Million Tibeter von den chinesischen Behörden in ein Arbeitsprogramm gezwungen werden. Vordergründig diene dieses dem Ziel, „der chinesischen Industrie loyale Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen“, so der Bericht, für den zahlreiche Meldungen chinesischer Staatsmedien, offizielle Dokumente und Beschaffungsanträge aus dem Zeitraum 2016 -2020 ausgewertet worden seien. Im Rahmen des staatlichen Programms existieren demnach Quoten für den massenhaften Transfer von Arbeitern innerhalb Tibets und in andere Teile Chinas. So müssten etwa die Behörden der tibetischen Hauptstadt Lhasa 1.000 Arbeitskräfte entsenden, der Bezirk Shigatse 1.400 und der Bezirk Shannan 800. Bei Nichterfüllung der Quoten drohten Strafen.

Es handele sich bei dem Programm der chinesischen Regierung „um einen erzwungenen Lebensstilwandel vom Nomadentum und der Landwirtschaft zur Lohnarbeit“, so Adrian Zenz, ein unabhängiger Tibet- und Xinjiang-Forscher, der Reuters zufolge die wichtigsten Erkenntnisse darüber zusammengestellt hat. Das Programm der chinesischen Behörden sei Zenz zufolge „der stärkste, deutlichste und gezielteste Angriff auf traditionelle tibetische Lebensgrundlagen fast seit der Kulturrevolution von 1966 bis 1976“. Schon vor einigen Jahren hatten die chinesischen Behörden in Tibet eine ideologische „Umerziehungskampagne“ gestartet, auf der das Programm nun aufbaue. Landarbeiter, die in die sogenannten „Berufsausbildungszentren“ versetzt würden, erhielten eine ideologische Ausbildung, die Wert auf strikte Disziplin lege und von den Teilnehmern verlange, militärische Übungen durchzuführen und Uniformen zu tragen. Neben beruflichen Fertigkeiten würden den „Auszubildenden“ Chinesisch-Kenntnisse sowie „juristische und politische Bildung“ vermittelt. In einem Dokument werde das Ziel ausgegeben, schrittweise „den Übergang von ‚Ich muss arbeiten‘ zu ‚Ich will arbeiten‘ zu verwirklichen“.

Für die Vermittlung tibetischer Arbeiter an chinesische Betriebe könnten private Agenturen Provisionen zwischen 300 und 500 Yuan (ca. 38 – 62 €) erhalten. Die Arbeiter würden oft in Gruppen verlegt und in Sammelunterkünften untergebracht. Dabei legten die Behörden Wert auf strikte Überwachung. Die Tibeter würden getrennt von anderen Arbeitern untergebracht und in zentralisierten Unterkünften beaufsichtigt. Die Gruppen würden straff geführt, insbesondere bei Umzügen außerhalb Tibets, wo die Verbindungsbeamten für die Durchführung von „Weiterbildungsaktivitäten und die Verringerung von Heimwehkomplexen“ verantwortlich seien.

Nach Einschätzung von ICT handelt es sich bei dem sogenannten Arbeitsprogramm der chinesischen Regierung in Tibet um eine tiefgreifende Menschenrechtsverletzung. Die offizielle Darstellung, der zufolge die Teilnahme daran freiwillig erfolge, sei nur als zynisch zu bezeichnen, so ICT-Geschäftsführer Kai Müller. „Tatsächlich dürften die Menschen keine andere Wahl haben, als sich in ihr Schicksal zu fügen“, so Müller, der daran erinnerte, dass auch in der Uigurenregion Xinjiang (Ost-Turkestan) geschätzt mehr als eine Million Menschen in Umerziehungslagern festgehalten werde. Auch diese würden von den chinesischen Behörden offiziell als Ausbildungszentren bezeichnet.

„Die staatliche Politik in Tibet ist diskriminierend und deutlich rassistisch konnotiert, wenn Tibeter als rückständig oder faul bezeichnet und zur Arbeit in chinesischen Fabriken umerzogen und umgeformt werden sollen. Die Politik der chinesischen Regierung ist menschenverachtend, wie dieses erschreckende Beispiel erneut zeigt“, so der ICT-Geschäftsführer.

Ausdrücklich begrüßte Kai Müller eine Stellungnahme der „Inter Parliamentary Alliance on China“ (IPAC) zum Thema. Darin kritisieren die Abgeordneten das sogenannte „Berufsausbildungsprogramm“ sowie die damit verbundene erzwungene Indoktrination und Überwachung. Das Programm erinnere in beunruhigender Weise „an die von den chinesischen Behörden in der uigurischen Region erzwungene Berufsausbildung und den massenhaften Transfer von Arbeitskräften“. Die Unterzeichner, zu denen auch die Bundestagsabgeordneten Margarete Bause (B ’90/Grüne) und Michael Brand (CDU) zählen, fordern die internationale Gemeinschaft zu konkretem Handeln auf.

So sollten Regierungen

  • gezielte Sanktionen nach Magnitsky-Art gegen die Verantwortlichen verhängen,
  • dringend ihre Risikohinweise für Unternehmen überarbeiten, die derzeit Waren aus Gebieten beziehen, die von tibetischen und anderen chinesischen Zwangsarbeitsprogrammen betroffen sind
  • und den freien Zugang nach Tibet fordern, um eine unabhängige internationale Untersuchung der Situation des tibetischen Volkes durchzuführen.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen sollte einen Sonderberichterstatter einsetzen, der Zwangsarbeit und ethnische Verfolgung in der Volksrepublik China untersucht.

„Die International Campaign for Tibet schließt sich den Forderungen der „Inter Parliamentary Alliance on China“ in vollem Umfang an und begrüßt ihre Initiative mit Nachdruck“, so ICT-Geschäftsführer Kai Müller abschließend.

Pressekontakt:

Kai Müller
Geschäftsführer
Tel.: +49 (0) 30 27 87 90 86
E-Mail: presse(at)savetibet.de
Twitter: @savetibet

International Campaign for Tibet Deutschland e.V.
Schönhauser Allee 163
10435 Berlin
www.savetibet.de

Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.

 

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