Berlin, 08.04.2021. Die International Campaign for Tibet (ICT) ist besorgt über die erst jetzt bekannt gewordene Verhaftung des tibetischen Mönches und Autors Go Sherab Gyatso. Vertraulichen tibetischen Quellen aus dem Exil zufolge wurde der 45-Jährige bereits am 26. Oktober 2020 in Chengdu von chinesischen Sicherheitskräften aus der sogenannten „Autonomen Region Tibet“ (TAR) verhaftet, während tibetisch-sprachige Medien berichten, dass Gyatso im Januar 2021 inhaftiert wurde. Unter anderem wurde die Verhaftung erst später bekannt, weil Bekannte von Gyatso vergeblich gehofft hatten, er werde freigelassen, wenn der Fall keine zu große öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Über seinen weiteren Verbleib, die Umstände und die konkreten Gründe für seine Verhaftung gibt es keinerlei Informationen. Die Verhaftung steht aber offenbar in Zusammenhang mit Gyatsos exponierter Stellung als kritischer Intellektueller, der schon in der Vergangenheit ins Visier der Behörden geraten war.

„Der aktuelle Fall zeigt, dass unabhängiges Denken und Kritik in Tibet unerwünscht sind und einzig die Ideologie der Partei toleriert wird, mit Konsequenzen nicht nur für Menschen wie Go Sherab Gyatso, sondern auch für Kultur und Gesellschaft in Tibet insgesamt. Die internationale Gemeinschaft muss sich für die Freilassung von Go Sherab Gyatso einsetzen und die chinesische Regierung dazu auffordern, sich zu den Gründen der Verhaftung, zu seinem Gesundheitszustand sowie zu seinem Verschwinden zu äußern. Andersdenkende dürfen nicht verfolgt werden, wenn sie friedlich ihre Meinung äußern“, so ICT-Geschäftsführer Kai Müller.

Der aus der tibetischen Präfektur Ngaba in der Provinz Sichuan stammende Gyatso trat als Mönch in das Kloster Kirti ein und studierte später in den Klöstern Drepung und Sera in Lhasa. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher über Philosophie des tibetischen Buddhismus, über Tradition und Kultur. Außerdem setzte er sich in seinen Veröffentlichungen kritisch mit dem Bildungssystem in tibetischen Klöstern auseinander und sprach sich in diesem Zusammenhang für mehr Offenheit und akademische Freiheit aus, was zum Ausschluss aus seinem Heimatkloster und zu einer ersten Verhaftung führte. In einem Interview für die Doktorarbeit eines Studenten der Tibet Universität in Lhasa, erklärte Gyatso 2018, dass er vom 20. März 1998 bis 30. November 2001 ohne Begründung von der chinesischen Justiz zur „Umerziehung durch Arbeit“ („reform through labor“) in einem Arbeitslager verurteilt wurde. Die tibetische Autorin und Bloggerin Jamyang Kyi erwähnte 2008 in einem offenen Brief ebenfalls die frühere Inhaftierung und Verurteilung Go Sherab Gyatsos.

Tibetische Medien berichten, dass sich Gyatso vor seiner ersten Verhaftung immer wieder gegen die Maßnahmen der Kommunistischen Partei Chinas zur „patriotischen Umerziehung“ und die Anpassung des Tibetischen Buddhismus an sozialistische Normen aufgelehnt hatte. 2013 wehrte er sich erneut gegen eine Anordnung der Leitung im Kirti-Kloster, der zufolge schriftliche Abhandlungen und Publikationen vor ihrer Veröffentlichung dem Bildungs-Dezernat vorgelegt werden mussten. Er wurde daraufhin aus der Klostergemeinschaft ausgeschlossen. Aus dem Interview mit dem Doktoranden der Tibet Universität geht hervor, dass Gyatso nach seinem Ausschluss aus dem Kloster zwischen 2013 und 2016 durch das östliche Tibet reiste, um seine Studien und seine Autorentätigkeit in verschiedenen anderen Klöstern fortzusetzen.

Der im März 2020 veröffentlichte Bericht des US-Außenministeriums zur Lage der Menschenrechte in Tibet unterstreicht, dass tibetische Schriftsteller, Akademiker und Wissenschaftler vom chinesischen Staat immer stärker und sogar bei unpolitischen Themen in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt werden. Demnach werden Wissenschaftler von der staatlichen Akademie der Sozialwissenschaften der TAR zu einer „korrekten politischen und akademischen Zielsetzung“, zur „Verbesserung ihrer politischen Ideologie“ und zu „Loyalität zur Partei unter der Führung von Xi Jinping“ angehalten. Laut dem Bericht wurde außerdem im Juni 2019 der tibetische Wissenschaftler Derung Tsering Dhundrup verhaftet und seit Dezember 2019 gibt es keine Informationen über seinen Verbleib. Im 2015 veröffentlichten ICT-Bericht „The teeth of the storm“ sind insgesamt 21 Fälle dokumentiert, in denen tibetische Autoren, Intellektuelle, Blogger, Künstler und Sänger willkürlichen Verhaftungen und Folter ausgesetzt waren, weil sie ihre Meinung äußerten oder Lieder veröffentlichten.

Pressekontakt:

Kai Müller
Geschäftsführer
Tel.: +49 (0) 30 27 87 90 86
E-Mail: presse(at)savetibet.de
Twitter: @savetibet

International Campaign for Tibet Deutschland e.V.
Schönhauser Allee 163
10435 Berlin
www.savetibet.de

Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.

 

ANMELDUNG NEWSLETTER

Bleiben Sie über Tibet und
die Arbeit der ICT informiert!

ANMELDUNG NEWSLETTER

Bleiben Sie über Tibet und
die Arbeit der ICT informiert!

JETZT SPENDEN

Spendenkonto
IBAN: DE24370205000003210400
BIC: BFSWDE33XXX

 

MITGLIED / UNTERZEICHNER /
MITGLIED IM TRÄGERVEREIN

  

 

JETZT FOLGEN

   

JETZT SPENDEN

Spendenkonto
IBAN: DE24370205000003210400
BIC: BFSWDE33XXX

 

MITGLIED / UNTERZEICHNER /
MITGLIED IM TRÄGERVEREIN

  

 

 

JETZT FOLGEN