Berlin, 20.11.2024. Der tibetische Umweltschützer und Philanthrop Karma Samdrup wurde offenbar gestern nach Verbüßung einer fast 15-jährigen Gefängnisstrafe aus der Haft entlassen. Dennoch bleibt die International Campaign for Tibet (ICT) in Sorge über das Wohlergehen und die Gesundheit des heute 57-Jährigen, da politische Gefangene in Tibet während ihrer Haft häufig Folter und Misshandlung erleiden müssen. Samdrup wurde erstmals im Januar 2010 festgenommen und am 24. Juni 2010 verurteilt.
Laut dem chinesischen Urteilsdokument sollte seine Haftstrafe bis zum 19. November 2024 dauern, nachdem die vor der Verurteilung in Haft verbrachte Zeit abgezogen worden sei. Die im indischen Exil erscheinende Tibet Times berichtete, dass Karma möglicherweise gestern freigelassen und zu Hause angekommen sei. Auf einem vermutlich kurz nach seiner Freilassung aufgenommenen Foto ist ein gebrechlicher Karma Samdrup zu sehen, der von zwei Männern beim Gehen gestützt werden muss.
„Wir sind froh, dass Karma Samdrup seine fast 15-jährige Haft offenbar überstanden hat. Zu hoffen ist, dass er keine bleibenden physischen Schäden erlitten hat. Die chinesischen Behörden müssen sicherstellen, dass er nach Haftentlassung Zugang zu medizinischer Versorgung hat, falls diese nötig ist.”, erklärte ICT-Geschäftsführer Kai Müller.
„Wie in den Fällen der Tibeter Dhondup Wangchen und Tashi Wangchuk gehen wir davon aus, dass das Eintreten von Regierungen und der internationalen Öffentlichkeit dazu beigetragen hat, dass Samdrup nicht das Schicksal anderer Tibeter teilen muss, die offensichtlich nach Folter in Haft verstorben sind. Deswegen ist es weiterhin wichtig, dass Regierungen, auch die deutsche Bundesregierung, Einzelfälle öffentlich und auch direkt gegenüber der chinesischen Regierung zur Sprache bringen. Damit Menschen wie Karma Samdrup, die sich mutig gegen korrupte Behördenwillkür zur Wehr setzen, nicht völlig schutzlos sind. “, so Müller weiter.
ICT weist seit Jahren auf das wiederkehrende Muster von Folter und Misshandlung in Tibet hin, dem vor allem aus politischen Gründen inhaftierte Tibeter ausgesetzt sind. Allein für das Jahr 2015 dokumentierte ICT insgesamt 29 Fälle, in denen Tibeter im Gefängnis Folter und Misshandlungen ausgesetzt waren. Viele der misshandelten Tibeter starben dabei nach ihrer Haftentlassung auch aufgrund mangelhafter medizinischer Behandlung.
Nachdem im August 2020 die 36-jährige dreifache Mutter Lhamo an den Folgen von Misshandlung in der Haft starb, gab es 2021 eine weitere Serie von Todesfällen tibetischer Haftentlassener wie Kunchok Jinpa und Tenzin Nyima. Die chinesische Regierung weigert sich bis heute, die vielen Berichte über Folter in Tibet zu untersuchen. Damit verstößt die Volksrepublik China auch als Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention weiterhin gegen internationales Recht.
Zu Unrecht verhaftet
Der damals 42-jährige Karma Samdrup wurde im Juni 2010 vom Autonomen Volksgericht des Autonomen Bezirks Yanqi Hui in Xinjiang (bei den Uiguren als Ostturkestan bekannt) zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde festgenommen, nachdem er sich erfolglos um die Freilassung seiner beiden Brüder bemüht hatte. Seine Brüder Rinchen Samdrup und Chime Namgyal waren im August 2009 wegen ihrer Bemühungen um den Schutz der Tierwelt in Chamdo (Changdu) in Tibet inhaftiert worden und in Konflikt mit den örtlichen Behörden geraten. Karma Samdrup, damals Geschäftsmann und Sammler tibetischer Kunst sowie Gründer der preisgekrönten Three Rivers Environmental Protection Group, wurde unter erfundenen Anschuldigungen – er habe angeblich alte Gräber ausgeraubt – festgenommen und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
Obwohl Karma Samdrup freigelassen wurde, tritt nun eine vom Gericht verhängte Zusatzstrafe von fünf Jahren Entzug politischer Rechte ab dem Datum seiner Freilassung in Kraft. Nach dem chinesischen Strafrecht sind damit seine bürgerlichen und politischen Freiheiten eingeschränkt, darunter das aktive und passive Wahlrecht, die Rede-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie das Recht, Positionen in staatlichen Organisationen, staatlichen Unternehmen, Unternehmen, Institutionen und Volksorganisationen zu bekleiden.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.