Berlin, 12.11.2024. Die International Campaign for Tibet (ICT) ist zutiefst besorgt über die Schließung einer weiteren Klosterschule in Osttibet und die drohenden Auswirkungen für die tibetische Sprache und Kultur durch die fortschreitende Sinisierungs- und Assimilationspolitik der chinesischen Regierung. In den letzten Monaten haben die chinesischen Behörden dabei unter anderem die Schule des Kirti-Klosters sowie die Klosterschule Taktsang Lhamo in der osttibetischen Präfektur Ngaba geschlossen und hunderte junger tibetischer Mönche gewaltsam zum Wechsel auf staatliche chinesische Internatsschulen gezwungen.
„Die chinesische Regierung versucht mit der Schließung tibetischer Schulen und mit Hilfe der Zwangsinternate bewusst, Kinder von ihren Familien zu isolieren, um ihre tibetische Identität auszulöschen und durch die Ideologie der Kommunistischen Partei zu ersetzten. Die internationale Gemeinschaft darf nicht hinnehmen, dass das Regime seine sogenannte Sinisierungs- und Assimilationspolitik gegen die Tibeter immer weiter ausweitet. Diese muss beendet und die Zwangsinternate geschlossen werden“, erklärte ICT-Geschäftsführer Kai Müller.
Im Zuge ihrer systematischen Sinisierungs- und Assimilationspolitik setzt die chinesische Regierung mehrere Gesetze und Richtlinien um, die im Laufe der Jahre ausgearbeitet wurden, um Tibeter zwangsweise zu sogenannten Vorzeigebürgern für die „chinesische Nation“ zu machen. Das ausgeklügelte Assimilationsprogramm wird offenbar schrittweise eingeführt, um internationale Kritik zu vermeiden und das falsche Argument zu unterstützen, dass die Assimilation der Tibeter in die chinesische Kultur ein natürlicher Prozess sei.
Hintergrund der Assimilationskampagne in der osttibetischen Präfektur Ngaba
Die aufeinanderfolgenden Schließungen von privaten Schulen mit dem Schwerpunkt tibetische Sprache und Kultur deuten darauf hin, dass die chinesischen Behörden in Tibet auf einen flexiblen Ansatz in der Bildungspolitik gesetzt haben. Dies ermöglicht den lokalen Beamten, Gesetze und Richtlinien an die lokalen Bedingungen anzupassen, mit dem langfristigen Ziel, eine vollständige Sinisierung zu erreichen, bei der die tibetische Kultur eliminiert wird. Infolgedessen berufen sich die chinesischen Behörden auf geltende Gesetze, um die gesetzten Ziele für eine einheitliche Umsetzung unter dem Label der Universalisierung der Bildung schrittweise und stetig zu erreichen.
Im Rahmen des 14. Fünfjahresplans für Grundbildung der Präfektur Ngaba schreibt die Nationale Kommission für ethnische Angelegenheiten Chinas (NEAC) etwa vor, dass das „Gemeinschaftsgefühl der chinesischen Nation“ gestärkt wird und „zur umfassenden Stärkung der nationalen Einheit und des Fortschritts sowie der nationalen gemeinsamen Sprach- und Schreiberziehung die Integration von Schulen, gemischten Klassen und gemischten Unterkünften für alle ethnischen Gruppen aktiv und stetig gefördert wird“. Der Bildungsentwicklungsplan der Provinz Sichuan besagt weiterhin, dass Bildung eine „wichtige nationale und parteipolitische Strategie“ sei und dass die Bildungspolitik der Partei für die „Gesamtentwicklung der Partei und des Landes“ vollständig umgesetzt werden müsse.
Seit Jahrhunderten dienen Klöster als wichtige Bildungszentren für das tibetische Volk, wobei Kinder ihre monastische Ausbildung oft bereits im Alter von 5 oder 6 Jahren beginnen und sich auf eine lebenslange Lernreise begeben. Unter dem derzeitigen Umfeld der erzwungenen Umsetzung der Bildungspolitik wird der Wunsch von Eltern, dass ihre Kinder in der Klosterschule bleiben, nicht nur abgelehnt, sondern sie werden sogar der Indoktrination ihrer Kinder beschuldigt.
Schüler, die sich gegen die Versetzung von ihren Klosterschulen in die staatlichen Internate wehren, werden inhaftiert, politisch „erzogen“ und zurück in die Schule gezwungen, auch wenn sie bei dem Gedanken an eine Rückkehr in die „gefängnisähnlichen Zustände“ in den staatlichen Internaten selbstmordgefährdet sind. So versuchten drei junge Mönche der Klosterschule Muge Selbstmord zu begehen, indem sie in einen Fluss sprangen. Zuvor waren sie gezwungen worden, auf ein staatliches Internat zu gehen. Die Kinder beschrieben die Schule als „gefängnisähnlich“ und nannten körperliche Züchtigung und unzureichendes Essen als Gründe für ihr verzweifeltes Handeln.
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Die International Campaign for Tibet (ICT) setzt sich als weltweit größte Tibet-Organisation seit 30 Jahren für die Wahrung der Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht des tibetischen Volkes ein. ICT unterhält Büros in Washington, D.C., Amsterdam, Brüssel und Berlin sowie ein Rechercheteam in Dharamsala, Indien.